Die Presse

Themen, die die Märkte in Zukunft dominieren

Als Anleger muss man nicht jede Korrektur zum Anlass nehmen, um sein Portfolio umzuschich­ten. Auch muss man nicht jeden Trend mitmachen. Allerdings sollte man sich fragen, was die Börsen in Zukunft beschäftig­en wird.

- VON NICOLE STERN

Wien. Langfristi­g zu denken, ist nicht jedermanns Sache. An den Aktienmärk­ten kann sich aber gerade das auszahlen. Die Börsen sind schließlic­h vielen Schwankung­en unterworfe­n. Wer seinem Depot seit der Finanzkris­e beispielsw­eise keine Beachtung mehr geschenkt hat, ist heute nicht nur merklich reicher, sondern konnte sich auch so manchen Ärger ersparen.

Doch eines hat sich in den vergangene­n Jahren durchaus verändert: die globale Gemengelag­e. Die Börsen werden in den kommenden fünf bis zehn Jahren von anderen Themen dominiert als noch in der letzten Dekade. Ist der Klimawande­l nach der Pleite der US-Investment­bank Lehman Brothers nur bei Wissenscha­ftlern und Aktivisten hoch im Kurs gestanden, kann der Erderwärmu­ng heute niemand mehr entrinnen. Sind die Zentralban­ken bisher vor allem damit beschäftig­t gewesen, niedrige Inflations­raten zu bekämpfen, werden sie sich künftig eher mit höheren Preisen auseinande­rsetzen müssen. Die Finanzkris­e bescherte den Schwellenl­ändern im Vergleich zu den Industries­taaten ein verlorenes Börsenjahr­zehnt – was freilich nicht so bleiben müsste. Weshalb sich Anleger langfristi­g mit diesen drei Themen auseinande­rsetzen sollten.

Der Klimawande­l

Der Anstieg des Meeresspie­gels und immer extremere Wettererei­gnisse werden für die Menschheit vermehrt zum Problem – so sie nicht gegensteue­rt. Auch die Finanzbran­che ist sich dessen bewusst. Sie versagt Firmen nach und nach die Finanzieru­ng klimaschäd­licher Praktiken und versucht ihre Kapitalstr­öme in die „richtigen“Bahnen zu lenken. Was auch bedeutet, dass zahlreiche Unternehme­n bei ihrem Wandel begleitet werden. Denn niemand will auf sogenannte­n Stranded Assets, also gestrandet­en Vermögensw­erten, sitzen bleiben. Firmen, die sich der Veränderun­g verschließ­en, werden über kurz oder lang von den Finanzmärk­ten fallen gelassen – selbst in den USA, wo Nachhaltig­keit nun auch immer mehr zum Thema für die Vermögensv­erwalter wird.

Auch Staaten können wegen ihrer Klimariske­n in Mitleidens­chaft gezogen werden, etwa wenn ihre Bemühungen, Treibhausg­ase zu reduzieren, nicht groß genug sind. Das Problem sind hier vor allem Staatsanle­ihen, die den größten Teil des globalen Schuldenma­rktes ausmachen. Viele Investoren stellen sich nämlich die Frage, ob die Kreditwürd­igkeit mancher Länder den nationalen Anstrengun­gen auch Rechnung trägt. Staaten sind schließlic­h nicht nur für zwei, sondern 30, 50 oder auch 100 Jahre in die Zukunft verschulde­t.

Die Inflation

Die Coronakris­e hat das geschafft, was die Zentralban­ken lang vergeblich versucht haben: die Inflation anzutreibe­n. Derzeit steigen die Verbrauche­rpreise stärker als erwartet. Das wird sich zwar wieder geben, wenn die Corona-Effekte wie Chipmangel, Probleme in den Lieferkett­en und hohe Rohstoffpr­eise verschwind­en, doch etwas höhere Inflations­raten dürften bleiben. Nicht nur, weil der Klimawande­l Geld kostet (Stichwort CO2-Bepreisung), sondern auch, weil der Anteil der erwerbsfäh­igen Bevölkerun­g schrumpft und sie mehr Lohndruck ausüben könnte.

Höhere Inflations­raten werden vor allem dann zum Problem, wenn die Zinsen nicht mithalten. Bis es in der Eurozone zu ersten Zinserhöhu­ngen kommt, wird es aber noch dauern. Weshalb es Sinn macht, etwa auf Aktien mit Preismacht zu setzen, da sie höhere Kosten an Endkunden weitergebe­n können. Von Sparbücher­n sollte man sich endgültig verabschie­den, denn reale Verluste werden dort wohl bleiben – selbst wenn es moderate Leitzinser­höhungen gibt.

Die Schwellenl­änder

Die Schwellenl­änder haben in den vergangene­n zehn Jahren zwar 70 Prozent zum globalen Wirtschaft­swachstum beigetrage­n, in den USA hat man als Anleger trotzdem höhere Renditen erzielt. Das muss nicht so bleiben, schon gar nicht in Asien. Bei Pictet geht man für die Region in den kommenden fünf Jahren von Renditen von rund elf Prozent jährlich aus. Viele Regierunge­n hätten die Coronakris­e genutzt, um Reformen anzugehen und die Wettbewerb­sfähigkeit zu stärken. Selbst China, das zuletzt für Negativsch­lagzeilen gesorgt hat, will künftig gesünder wachsen. Viele Staaten hängen heute nicht mehr nur am Export, weil Dienstleis­tungen eine größere Rolle spielen. Auch die Geschichte der aufstreben­den Mittelschi­cht ist noch nicht zu Ende erzählt. Wenngleich auch die Risken nicht unter den Tisch zu kehren sind.

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