Der Nachbar baut, der pool leckt
Die Risken für Bauherren, -firmen und Nachbarn durch Bauführung an der Grenze.
Wien. Die Bauwirtschaft in Österreich feiert Hochkonjunktur, und das freut viele in unserem Land, aber nicht alle. Bautätigkeiten in bereits dicht bebauten Gebieten sind für alle Beteiligten heikle Angelegenheiten. Die Bauherren sowie die beauftragten Firmen sind mit erschwerten, beengten Verhältnissen bei der Einrichtung und Abwicklung ihrer Baustellen konfrontiert. Angrenzende Anrainer hingegen fühlen sich durch Staub, Lärm und Erschütterungen, die von einer Baustelle unweigerlich ausgehen, gestört. Konflikte sind aufgrund der unterschiedlichen Interessenslagen vorprogrammiert.
Anlassfall dieses Beitrags, der die Rechtsfolgen von Bauschäden für die beteiligten Personen aufzeigen soll, ist ein Schwimmbecken auf einer dem Bauvorhaben benachbarten Liegenschaft, welches infolge vermeintlicher Setzungen Wasser verliert. Die Maßnahmen der Baufirma zur Sicherung der Baugrube wurden als schadenskausales Ereignis festgestellt, ein sorgfaltswidriges Verhalten der beteiligten ausführenden Unternehmen konnte nicht festgestellt werden. Die Haftung des Bauherrn wurde dennoch vom Gericht (zumindest teilweise) bejaht. Wie kommt es dazu, und was haben Baufirmen und Bauherren in ähnlich gelagerten Fällen zu beachten?
St aubu nd Lärm hinzunehmen
Gegen „typische“Emissionen eines bewilligten Bauvorhabens können sich die betroffenen Nachbarn mit zivilrechtlichen Mitteln nur mehr sehr eingeschränkt wehren. Wenn das Bauvorhaben erst einmal von der Behörde bewilligt ist, sind Staub, Lärm und Erschütterungen, die von diesem Bauvorhaben ausgehen, vom Nachbarn praktisch hinzunehmen. Unter Einhaltung der gesetzlichen Rahmenbedingungen und erteilten Auflagen darf ein bewilligtes Bauvorhaben eben umgesetzt werden.
Aber was gilt, wenn es nicht bei Emissionen bleibt, sondern es durch die Auswirkungen der Bauführung zu Schäden an einer Nachbarliegenschaft kommt? Wer haftet etwa für Setzungsrisse infolge von Erschütterungen oder für dauerhafte Verschmutzungen durch die Staubbelastung? Wenn diese Schäden kausale Folgen der
Bauführung sind und dem Verursacher ein Verschulden nachgewiesen werden kann, er sich also sorgfaltswidrig verhalten hat, dann haftet dieser nach allgemeinen schadenersatzrechtlichen Regeln.
Soweit nichts Ungewöhnliches. Aber was gilt, wenn – wie im Anlassfall – weder dem Bauherrn noch der Baufirma ein Verschulden an der Setzung des Schwimmbeckens vorzuwerfen ist?
Die Gerichte gewähren in solchen Fällen dem geschädigten Nachbarn einen vom Verschulden unabhängigen Schadenersatzanspruch gegen den Bauherren. Voraussetzung für diese Haftung ist, dass der Haftpflichtige zum eigenen Nutzen ein kalkuliertes Risiko eingeht und die Schäden typischerweise auf die Baumaßnahmen zurückzuführen sind. Diese von den Gerichten als „nachbarrechtliche Gefährdungshaftung“geprägte Anspruchsgrundlage erleichtert betroffenen Nachbarn – wie dem Eigentümer des Schwimmbeckens – die Verfolgung ihrer Ansprüche ungemein. Der Nachweis eines Verschuldens (also einer sorgfaltswidrigen Bautätigkeit) ist nicht erforderlich. Es reicht der Nachweis, dass die Bautätigkeit auf der Nachbarliegenschaft für den Eintritt des Schadens adäquat kausal gewesen ist. Selbst für die Kausalität lässt die Rechtsprechung in gewissen Fallkonstellationen Beweiserleichterungen (Anschein sbeweis)zu.
Diese verschuldensunabhängige Haftung trifft zunächst den Bauherrn. Dieser muss unter Umständen für Schäden von Nachbarn einstehen, welche die von ihm beauftragten Baufirmen verursacht haben. Ein Regress gegenüber der Baufirma wird – vorbehaltlich anderslautender vertraglicher Vereinbarungen zur Schad- und Klagloshaltung – nur bei stichhaltigen Anhaltspunkten für ein sorgfaltswidriges Verhalten der Baufirma möglich sein. Keine oder schlechte Regressmöglichkeiten werden bei Schäden bestehen, die bei diesem Bauvorhaben unweigerlich aufgetreten wären (etwa Setzungsrisse). Für diese Schäden besteht in aller Regel auch kein Versicherungsschutz aus einer allfälligen Bauwesenversicherung (wohl aber laut OGH aus einer Bauherrenhaftpflichtversicherung). Außer es wurden diesbezüglich gesonderte Deckungen vereinbart. Der Bauherr wird in dieser Fallkonstellation auf diesen Kosten sitzen bleiben.
Gebotene Sorgfalt einzuhalten
Die Situation ändert sich aber dramatisch, wenn der Baufirma sehr wohl ein sorgfaltswidriges Verhalten vorzuwerfen ist. Anhaltspunkte dafür können in einer unsachgemäßen Bauführung mit einem zu schweren Gerät, der Außerachtlassung von Schutzmaßnahmen oder der gebotenen Vorsicht zu sehen sein. In solchen Fällen wird die Baufirma sowohl Ersatzansprüchen des Nachbarn als auch des Bauherrn ausgesetzt sein.
Zurück zum Anlassfall des undichten Schwimmbeckens: Es stellte sich heraus, dass das Fundament des Schwimmbeckens von Anfang an nicht ordnungsgemäß beschaffen war und dies die Setzungen begünstigt hatte. Die Erschütterungen der Baugrubensicherung haben die Setzungen nach den Feststellungen des Gerichts zwar verursacht, der geschädigte Nachbar hat den Eintritt des Schadens an seinem Schwimmbecken aber aufgrund der mangelhaften Errichtung mitverantwortet. Das Gericht minderte in diesem Fall den Ersatzanspruch des geschädigten Nachbarn gegen den Bauherrn wegen Mitverschuldens. Ein salomonisches Urteil.
In jedem Fall empfiehlt es sich für alle Beteiligten, eine umfassende Dokumentation des baulichen Zustands vor, während und nach Abschluss der Bautätigkeiten anzufertigen, um allfällige Ansprüche wegen (vermeintlicher) Bauschäden erfolgreich abwehren oder durchsetzen zu können. Denn wenn der Nachbar baut, ist der Ärger nicht weit.