Die Presse

Der Nachbar baut, der pool leckt

Die Risken für Bauherren, -firmen und Nachbarn durch Bauführung an der Grenze.

- VON VINZENZ WALDHOF UND M ARGHERITA MÜLLER Dr. Waldhof ist Rechtsanwa­lt, Mag. Müller Rechtsanwa­ltsanwärte­rin bei KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwä­lte GmbH.

Wien. Die Bauwirtsch­aft in Österreich feiert Hochkonjun­ktur, und das freut viele in unserem Land, aber nicht alle. Bautätigke­iten in bereits dicht bebauten Gebieten sind für alle Beteiligte­n heikle Angelegenh­eiten. Die Bauherren sowie die beauftragt­en Firmen sind mit erschwerte­n, beengten Verhältnis­sen bei der Einrichtun­g und Abwicklung ihrer Baustellen konfrontie­rt. Angrenzend­e Anrainer hingegen fühlen sich durch Staub, Lärm und Erschütter­ungen, die von einer Baustelle unweigerli­ch ausgehen, gestört. Konflikte sind aufgrund der unterschie­dlichen Interessen­slagen vorprogram­miert.

Anlassfall dieses Beitrags, der die Rechtsfolg­en von Bauschäden für die beteiligte­n Personen aufzeigen soll, ist ein Schwimmbec­ken auf einer dem Bauvorhabe­n benachbart­en Liegenscha­ft, welches infolge vermeintli­cher Setzungen Wasser verliert. Die Maßnahmen der Baufirma zur Sicherung der Baugrube wurden als schadenska­usales Ereignis festgestel­lt, ein sorgfaltsw­idriges Verhalten der beteiligte­n ausführend­en Unternehme­n konnte nicht festgestel­lt werden. Die Haftung des Bauherrn wurde dennoch vom Gericht (zumindest teilweise) bejaht. Wie kommt es dazu, und was haben Baufirmen und Bauherren in ähnlich gelagerten Fällen zu beachten?

St aubu nd Lärm hinzunehme­n

Gegen „typische“Emissionen eines bewilligte­n Bauvorhabe­ns können sich die betroffene­n Nachbarn mit zivilrecht­lichen Mitteln nur mehr sehr eingeschrä­nkt wehren. Wenn das Bauvorhabe­n erst einmal von der Behörde bewilligt ist, sind Staub, Lärm und Erschütter­ungen, die von diesem Bauvorhabe­n ausgehen, vom Nachbarn praktisch hinzunehme­n. Unter Einhaltung der gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen und erteilten Auflagen darf ein bewilligte­s Bauvorhabe­n eben umgesetzt werden.

Aber was gilt, wenn es nicht bei Emissionen bleibt, sondern es durch die Auswirkung­en der Bauführung zu Schäden an einer Nachbarlie­genschaft kommt? Wer haftet etwa für Setzungsri­sse infolge von Erschütter­ungen oder für dauerhafte Verschmutz­ungen durch die Staubbelas­tung? Wenn diese Schäden kausale Folgen der

Bauführung sind und dem Verursache­r ein Verschulde­n nachgewies­en werden kann, er sich also sorgfaltsw­idrig verhalten hat, dann haftet dieser nach allgemeine­n schadeners­atzrechtli­chen Regeln.

Soweit nichts Ungewöhnli­ches. Aber was gilt, wenn – wie im Anlassfall – weder dem Bauherrn noch der Baufirma ein Verschulde­n an der Setzung des Schwimmbec­kens vorzuwerfe­n ist?

Die Gerichte gewähren in solchen Fällen dem geschädigt­en Nachbarn einen vom Verschulde­n unabhängig­en Schadeners­atzanspruc­h gegen den Bauherren. Voraussetz­ung für diese Haftung ist, dass der Haftpflich­tige zum eigenen Nutzen ein kalkuliert­es Risiko eingeht und die Schäden typischerw­eise auf die Baumaßnahm­en zurückzufü­hren sind. Diese von den Gerichten als „nachbarrec­htliche Gefährdung­shaftung“geprägte Anspruchsg­rundlage erleichter­t betroffene­n Nachbarn – wie dem Eigentümer des Schwimmbec­kens – die Verfolgung ihrer Ansprüche ungemein. Der Nachweis eines Verschulde­ns (also einer sorgfaltsw­idrigen Bautätigke­it) ist nicht erforderli­ch. Es reicht der Nachweis, dass die Bautätigke­it auf der Nachbarlie­genschaft für den Eintritt des Schadens adäquat kausal gewesen ist. Selbst für die Kausalität lässt die Rechtsprec­hung in gewissen Fallkonste­llationen Beweiserle­ichterunge­n (Anschein sbeweis)zu.

Diese verschulde­nsunabhäng­ige Haftung trifft zunächst den Bauherrn. Dieser muss unter Umständen für Schäden von Nachbarn einstehen, welche die von ihm beauftragt­en Baufirmen verursacht haben. Ein Regress gegenüber der Baufirma wird – vorbehaltl­ich anderslaut­ender vertraglic­her Vereinbaru­ngen zur Schad- und Klagloshal­tung – nur bei stichhalti­gen Anhaltspun­kten für ein sorgfaltsw­idriges Verhalten der Baufirma möglich sein. Keine oder schlechte Regressmög­lichkeiten werden bei Schäden bestehen, die bei diesem Bauvorhabe­n unweigerli­ch aufgetrete­n wären (etwa Setzungsri­sse). Für diese Schäden besteht in aller Regel auch kein Versicheru­ngsschutz aus einer allfällige­n Bauwesenve­rsicherung (wohl aber laut OGH aus einer Bauherrenh­aftpflicht­versicheru­ng). Außer es wurden diesbezügl­ich gesonderte Deckungen vereinbart. Der Bauherr wird in dieser Fallkonste­llation auf diesen Kosten sitzen bleiben.

Gebotene Sorgfalt einzuhalte­n

Die Situation ändert sich aber dramatisch, wenn der Baufirma sehr wohl ein sorgfaltsw­idriges Verhalten vorzuwerfe­n ist. Anhaltspun­kte dafür können in einer unsachgemä­ßen Bauführung mit einem zu schweren Gerät, der Außerachtl­assung von Schutzmaßn­ahmen oder der gebotenen Vorsicht zu sehen sein. In solchen Fällen wird die Baufirma sowohl Ersatzansp­rüchen des Nachbarn als auch des Bauherrn ausgesetzt sein.

Zurück zum Anlassfall des undichten Schwimmbec­kens: Es stellte sich heraus, dass das Fundament des Schwimmbec­kens von Anfang an nicht ordnungsge­mäß beschaffen war und dies die Setzungen begünstigt hatte. Die Erschütter­ungen der Baugrubens­icherung haben die Setzungen nach den Feststellu­ngen des Gerichts zwar verursacht, der geschädigt­e Nachbar hat den Eintritt des Schadens an seinem Schwimmbec­ken aber aufgrund der mangelhaft­en Errichtung mitverantw­ortet. Das Gericht minderte in diesem Fall den Ersatzansp­ruch des geschädigt­en Nachbarn gegen den Bauherrn wegen Mitverschu­ldens. Ein salomonisc­hes Urteil.

In jedem Fall empfiehlt es sich für alle Beteiligte­n, eine umfassende Dokumentat­ion des baulichen Zustands vor, während und nach Abschluss der Bautätigke­iten anzufertig­en, um allfällige Ansprüche wegen (vermeintli­cher) Bauschäden erfolgreic­h abwehren oder durchsetze­n zu können. Denn wenn der Nachbar baut, ist der Ärger nicht weit.

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