Wozu sollen unsere Körper unsterblich werden?
Im Silicon Valley werden Milliarden Dollar ausgegeben, um Unsterblichkeit zu erreichen. Der Mensch ist jedoch mehr als sein Körper.
Unsterblich zu sein, ist der ewige Traum der Menschheit. Er durchzieht seit jeher die Mythologie in den verschiedensten Vorstellungen und Formen. Nun soll es bald so weit sein. Zumindest nach dem Willen einiger Milliardäre. Jeff Bezos etwa, der reichste Mann der Welt und Gründer von Amazon, pumpt unvorstellbare Summen in dieses Projekt. Zu diesem Zweck hat er mit ebenfalls sehr vermögenden Gleichgesinnten ein Biotechnologie-Start-up namens Altos Labs gegründet. Die hoch bezahlten Forscher arbeiten dort an der biologischen Reprogrammierung von Zellen, wodurch diese verjüngt werden sollen. Überhaupt scheint das gesamte Silicon Valley vom Ewigkeitsfieber erfasst zu sein. Auch der Biochemiker Juan Carlos Izpisua Belmonte ist dabei, ein Spezialist in der Stammzellentechnik. Und Google-Co-Gründer Sergey Brin lässt die Forscher in seiner Calico-Stiftung schon seit Jahren an Strategien gegen die Leiden der Alterung und des Alters forschen. Das ist an sich positiv. Es scheint dabei aber keine Grenzen zu geben, weder ethische noch technische noch finanzielle.
Es ist für Bezos und seinesgleichen sicher hart, in dem Wissen zu leben, dass auch ihr Lebensweg einmal zu Ende geht und sie nichts aus dem Diesseits mitnehmen können. Verständlich, dass sie möglichst lang leben und die Annehmlichkeiten ihres Reichtums auskosten wollen. Doch auch weniger Vermögende wünschen sich ein möglichst langes Leben ohne Leid und Krankheit.
Warum erscheint dieser Wettlauf um die Verlängerung des Lebens bis zur Unsterblichkeit dennoch so seltsam? Es ist wohl die radikale Konzentration auf die Körperlichkeit, auf die Sicht des Menschen als Ansammlung von Zellen, die es zu verjüngen gelte. Doch wird dies dem Menschen gerecht? Ist etwa für einen zu lebenslanger Haft Verurteilten das Leben lebenswerter, wenn es ewig dauert? Dieses Beispiel mag extrem anmuten, es soll jedoch deutlich machen, dass die Qualität eines Lebens nicht unbedingt von seiner Länge abhängt. Wir wünschen uns doch vor allem Glück, Zufriedenheit und Liebe für unser Leben und das unserer Nächsten. Das alles sind Parameter, die nichts mit der Qualität von einzelnen Zellen und ihrem Alter zu tun haben.
Reduziert man Leben tatsächlich auf das Biologische, ist der Tod die ultimative Niederlage, das Ende, danach ist nur noch das Nichts. Dieses Bewusstsein der Endlichkeit, das nur der Mensch besitzt, ist schwer zu ertragen, ja eigentlich unerträglich. Es ist hingegen für Religionen und die menschliche Spiritualität von zentraler Bedeutung, das Biologische nicht absolut zu setzen. Wesentlich mehr Bedeutung haben Geist und Seele, wobei die Vorstellungen davon in der Geschichte der Menschheit variierten. Die Kernbotschaft ist jedoch, dass mit dem biologischen Tod für den Menschen nicht alles zu Ende ist, sondern er in eine neue Daseinsform übertritt. Die Seele des Menschen ist unsterblich, damit der wichtigste Aspekt seiner Person. Davon abgeleitet stellen sich Sinn und Ziel des Lebens völlig anders dar als bei einer rein biologistischen Betrachtungsweise. Der Körper nämlich, so die Überzeugung, ist nur eine vorübergehende Wohnung für die Seele.
Es ist durch den Fortschritt der Medizin bereits Realität, dass Menschen länger leben. Die Lebenserwartung steigt und steigt. Das ist einerseits erfreulich, es bringt aber andererseits neue Probleme mit sich, wenn immer mehr Menschen immer älter werden. Und es stellt sich die grundsätzliche Frage: Was fangen wir an mit den gewonnenen Jahren? Bringen sie mehr Sinn in unser Leben, mehr Glück, mehr Zufriedenheit?
Die vielen Milliarden Dollar, die im Silicon Valley gerade für die „Unsterblichkeit“ausgegeben werden, wären in andere Projekte besser investiert: etwa in die Bekämpfung des Hungers in der Welt und der Ausbeutung von Mensch und Natur. Das würde die Investoren tatsächlich unsterblich machen – in ihrem Dienst für die anderen.
Die vielen Milliarden Dollar, die im Silicon Valley gerade für die „Unsterblichkeit“ausgegeben werden, wären in andere Projekte besser investiert.
Morgen in „Quergeschrieben“: Andrea Schurian