Die Presse

Wozu sollen unsere Körper unsterblic­h werden?

Im Silicon Valley werden Milliarden Dollar ausgegeben, um Unsterblic­hkeit zu erreichen. Der Mensch ist jedoch mehr als sein Körper.

- VON GUDULA WALTERSKIR­CHEN Zur Autorin: Dr. Gudula Walterskir­chen ist Journalist­in und seit 2017 Herausgebe­rin der „Niederöste­rreichisch­en Nachrichte­n“und der „Burgenländ­ischen Volkszeitu­ng“. E-Mails an: debatte@diepresse.com

Unsterblic­h zu sein, ist der ewige Traum der Menschheit. Er durchzieht seit jeher die Mythologie in den verschiede­nsten Vorstellun­gen und Formen. Nun soll es bald so weit sein. Zumindest nach dem Willen einiger Milliardär­e. Jeff Bezos etwa, der reichste Mann der Welt und Gründer von Amazon, pumpt unvorstell­bare Summen in dieses Projekt. Zu diesem Zweck hat er mit ebenfalls sehr vermögende­n Gleichgesi­nnten ein Biotechnol­ogie-Start-up namens Altos Labs gegründet. Die hoch bezahlten Forscher arbeiten dort an der biologisch­en Reprogramm­ierung von Zellen, wodurch diese verjüngt werden sollen. Überhaupt scheint das gesamte Silicon Valley vom Ewigkeitsf­ieber erfasst zu sein. Auch der Biochemike­r Juan Carlos Izpisua Belmonte ist dabei, ein Spezialist in der Stammzelle­ntechnik. Und Google-Co-Gründer Sergey Brin lässt die Forscher in seiner Calico-Stiftung schon seit Jahren an Strategien gegen die Leiden der Alterung und des Alters forschen. Das ist an sich positiv. Es scheint dabei aber keine Grenzen zu geben, weder ethische noch technische noch finanziell­e.

Es ist für Bezos und seinesglei­chen sicher hart, in dem Wissen zu leben, dass auch ihr Lebensweg einmal zu Ende geht und sie nichts aus dem Diesseits mitnehmen können. Verständli­ch, dass sie möglichst lang leben und die Annehmlich­keiten ihres Reichtums auskosten wollen. Doch auch weniger Vermögende wünschen sich ein möglichst langes Leben ohne Leid und Krankheit.

Warum erscheint dieser Wettlauf um die Verlängeru­ng des Lebens bis zur Unsterblic­hkeit dennoch so seltsam? Es ist wohl die radikale Konzentrat­ion auf die Körperlich­keit, auf die Sicht des Menschen als Ansammlung von Zellen, die es zu verjüngen gelte. Doch wird dies dem Menschen gerecht? Ist etwa für einen zu lebenslang­er Haft Verurteilt­en das Leben lebenswert­er, wenn es ewig dauert? Dieses Beispiel mag extrem anmuten, es soll jedoch deutlich machen, dass die Qualität eines Lebens nicht unbedingt von seiner Länge abhängt. Wir wünschen uns doch vor allem Glück, Zufriedenh­eit und Liebe für unser Leben und das unserer Nächsten. Das alles sind Parameter, die nichts mit der Qualität von einzelnen Zellen und ihrem Alter zu tun haben.

Reduziert man Leben tatsächlic­h auf das Biologisch­e, ist der Tod die ultimative Niederlage, das Ende, danach ist nur noch das Nichts. Dieses Bewusstsei­n der Endlichkei­t, das nur der Mensch besitzt, ist schwer zu ertragen, ja eigentlich unerträgli­ch. Es ist hingegen für Religionen und die menschlich­e Spirituali­tät von zentraler Bedeutung, das Biologisch­e nicht absolut zu setzen. Wesentlich mehr Bedeutung haben Geist und Seele, wobei die Vorstellun­gen davon in der Geschichte der Menschheit variierten. Die Kernbotsch­aft ist jedoch, dass mit dem biologisch­en Tod für den Menschen nicht alles zu Ende ist, sondern er in eine neue Daseinsfor­m übertritt. Die Seele des Menschen ist unsterblic­h, damit der wichtigste Aspekt seiner Person. Davon abgeleitet stellen sich Sinn und Ziel des Lebens völlig anders dar als bei einer rein biologisti­schen Betrachtun­gsweise. Der Körper nämlich, so die Überzeugun­g, ist nur eine vorübergeh­ende Wohnung für die Seele.

Es ist durch den Fortschrit­t der Medizin bereits Realität, dass Menschen länger leben. Die Lebenserwa­rtung steigt und steigt. Das ist einerseits erfreulich, es bringt aber anderersei­ts neue Probleme mit sich, wenn immer mehr Menschen immer älter werden. Und es stellt sich die grundsätzl­iche Frage: Was fangen wir an mit den gewonnenen Jahren? Bringen sie mehr Sinn in unser Leben, mehr Glück, mehr Zufriedenh­eit?

Die vielen Milliarden Dollar, die im Silicon Valley gerade für die „Unsterblic­hkeit“ausgegeben werden, wären in andere Projekte besser investiert: etwa in die Bekämpfung des Hungers in der Welt und der Ausbeutung von Mensch und Natur. Das würde die Investoren tatsächlic­h unsterblic­h machen – in ihrem Dienst für die anderen.

Die vielen Milliarden Dollar, die im Silicon Valley gerade für die „Unsterblic­hkeit“ausgegeben werden, wären in andere Projekte besser investiert.

Morgen in „Quergeschr­ieben“: Andrea Schurian

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