Die Presse

Radical Chic am linken Mur-Ufer

- VON OLIVER PINK E-Mails an: oliver.pink@diepresse.com

Ob jene Bürgerlich­en, ob boboesk oder katholisch grundiert, die in Graz nun aus Jux und Tollerei die KPÖ gewählt haben, das wirklich wollten? Die Kommunisti­sche Partei auf dem ersten Platz, mit Aussicht auf eine kommunisti­sche Bürgermeis­terin. Man weiß es nicht genau. Das Kokettiere­n mit den Kommun isten gehört in Graz jedenfalls seit Längerem zum guten Ton. Radical Chic am linken Mur-Ufer.

Die erste Bresche in das bürgerlich­e Graz hat Ernest Kaltenegge­r geschlagen. Weil er weniger als Peppone, sondern mehr als Don Camillo daherkam. Auf Samtpfoten, gnadenlos sympathisc­h, der Engel der Armen. Seine Nachfolger­in

Elke Kahr, nicht unbedingt mit Kaltenegge­rs Charisma gesegnet, hat seinen Weg wider Erwarten mit Erfolg fortgesetz­t. Beim KPÖSchlage­r Nummer eins, den Mieten, war auch sie glaubwürdi­g. Sie hat Kaltenegge­r nun noch einmal überflügel­t. Und die Chance, jetzt wirklich zum Peppone von Graz zu werden, also zur Bürgermeis­terin.

Für die ÖVP ist das eine herbe Niederlage, im Besonderen für Bürgermeis­ter Siegfried Nagl. Immer wieder auch als steirische­r ÖVP-Chef gehandelt, steht er nun vor den Trümmern seiner Regentscha­ft in der Landeshaup­tstadt. Er habe viel zu viel bauen lassen, heißt es, das habe für Widerständ­e vielerorts gesorgt. Die ÖVP habe zudem Schwierigk­eiten gehabt, ihre Anhänger zu mobilisier­en, zu sicher schien der erneute Wahlsieg Siegfried Nagls für die einen, zu ermüdet vom Langzeitbü­rgermeiste­r waren die anderen.

Die SPÖ spielt als Alternativ­e schon länger keine Rolle mehr, die Grünen konnten das Vakuum nicht füllen. In dieses stieß die KPÖ hinein, als dunkelrote

Alternativ­e. Mit den alten leninistis­chen Hammer-und-Sichel-Kommuniste­n hat die Grazer KPÖ tatsächlic­h wen igzutun. Sie bietet vi elmehr für gelangweil­te bzw. sozial engagierte Bürgerlich­e die Möglichkei­t zur gepflegten Provokatio­n. Mit allen möglichen Konsequenz­en.

Das Kokettiere­n mit den Kommuniste­n gehört in Graz jedenfalls seit Längerem zum guten Ton.

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