Wie man der Preislawine entkommt
Die Strom- und Gaspreise an den Börsen explodieren. Über kurz oder lang werden das auch die Haushalte zu spüren bekommen. Doch man kann einiges tun, um sich gegen steigende Energierechnungen zu wappnen.
Wien. Der österreichische Energieversorger Montana war der Erste: Der Gasanbieter kündigte seinen Kunden dieser Tage eine saftige Erhöhung des Arbeitspreises um 67 Prozent per Anfang November an. Als Grund nannte das Unternehmen die massive Verteuerung der Gaspreise im europäischen Großhandel. Wer heute an der Börse Erdgas kaufen will, muss dreimal so viel zahlen wie zu Jahresbeginn. Bei Strom sieht es nur wenig besser aus. Auf den Energierechnungen der meisten Haushalte ist davon noch wenig zu sehen. Doch das dürfte sich schnell ändern, warnen Verbraucherschützer. Bis dahin heißt es: gerüstet sein.
„Wir gehen davon aus, dass wir bis Jahresende noch einige Preiserhöhungen sehen werden“, sagt Reinhold Baudisch, Chef des Vergleichsportals durchblicker.at zur „Presse“. Seine Kunden sehen es offensichtlich ganz ähnlich. In der vergangenen Woche hat sich die
Zahl der Nutzer, die sich auf der Plattform nach einem günstigeren Stromanbieter umgesehen haben, verdoppelt. Billigere Gaslieferanten suchten gleich drei Mal so viele Menschen wie sonst üblich.
Dusche statt Vollbad
Für den heimischen Energieregulator E-Control sind die Preisanstiege an den Börsen noch kein Grund zur Panik. Schließlich macht der reine Energiepreis nur ein Drittel der Strom- und Gasrechnung aus, der Rest beläuft sich bei den meisten Verträgen auf Netzgebühren und Steuern. Auch die großen Energieversorger senden Beruhigungspillen an die Kunden. EVN, Wien Energie und Energie Burgenland sehen aktuell keinen Anlass für sofortige Preiserhöhungen. Der oberösterreichische Landesversorger Energie AG verwies auf seine Preisgarantie, die noch bis 2022 laufe. Was im neuen Jahr passiert, bleibt freilich offen.
An den Märkten ist vorerst keine Trendwende in Sicht. Verfestigen
sich die hohen Börsenpreise, werden sie früher oder später auch bei den Haushaltskunden landen.
Ein guter Moment also, um die eigenen Energiekosten etwas besser in den Griff zu bekommen. Das beste Mittel gegen hohe Stromund Gasrechnungen ist, schlichtweg weniger Energie zu verbrauchen. Ein Grad weniger Raumtemperatur, LED statt alter Glühbirnen, Dusche statt Vollbad oder die Wäsche bei weniger Temperatur waschen. All das drückt den Verbrauch und damit die Kosten nach unten. Wer die Möglichkeit hat, kann die Anschaffung einer Solaranlage durchrechnen. Üblicherweise lohnt sich die Investition – auch dank staatlicher Förderungen – binnen weniger Jahre.
Ein besonders einfaches und vor allem rasch wirksames Mittel gegen zu hohe Preise ist der Wechsel zu einem günstigeren Energielieferanten. Im Jahr sind üblicherweise Einsparungen von ein paar Hundert Euro drinnen. Einen guten und kostenlosen Überblick bieten etwa der Tarifkalkulator der E-Control oder private Plattformen wie durchblicker.at. Anbieter wie Energy Hero übernehmen den jährlichen Anbieterwechsel gegen eine Gebühr sogar komplett.
„Vor allem Kunden, die einen Floater-Tarif haben, sollten ihn kritisch anschauen“, rät Baudisch. Bei Floater-Tarifen gibt es keine fixen Energiepreise für die gesamte Laufzeit. Stattdessen verändert sich der Energiepreis direkt mit dem Preis an den Großhandelsmärkten. Im Moment zählen Kunden mit solchen Tarifen natürlich zu den großen Verlierern. Im Vorjahr haben sie jedoch – ähnlich wie Gewerbekunden – von den rekordverdächtig niedrigen Strom- und Gaspreisen profitiert, während die meisten Haushaltskunden das Auf und Ab an den Börsen nur sehr gedämpft mitbekommen.
Wechselbonus verpufft
Einzige Voraussetzung für einen sofortigen Anbieterwechsel: Die jeweils vereinbarte Mindestvertragslaufzeit mit dem bisherigen Lieferanten muss abgelaufen sein. Kündigt ein Versorger eine außerordentliche Preiserhöhung an, haben Konsumenten (außer bei Floater-Tarifen) auch in der Vertragslaufzeit ein Sonderkündigungsrecht.
Wer derzeit bei einem Anbieter ist, der über keine eigenen Speicher verfügt und seine Rohstoffe sehr kurzfristig einkauft, ist also gut beraten, zu einem konservativeren Lieferanten zu wechseln. „Es muss jedem bewusst sein, dass ein Großteil der Ersparnis aus dem Wechselbonus für das erste Jahr kommt“, gibt Reinhold Baudisch zu bedenken. „Der Effekt der Einsparung verpufft oft nach einem Jahr“, weshalb es sich lohnt, regelmäßig nach besseren Angeboten zu suchen.
Die Sorge, dass kleinere Strom- und Gasanbieter wie derzeit in Großbritannien pleitegehen und man dann ohne Energie dasteht, muss in Österreich niemand haben. Sollte tatsächlich ein Lieferant aufgeben, können die Kunden selbst wechseln, oder die E-Control lost ihnen neue Lieferanten zu. Weder Strom noch Gas wird in dieser Zeit abgedreht.