Polen will Ostgrenze versiegeln
Belarus-Krise. Ministerpräsident Morawiecki verbittet sich Einmischung von außen und behauptet, Hunderte Millionen Migranten würden demnächst in die EU kommen.
Brüssel. Polens Regierungschef wirft der scheidenden deutschen Kanzlerin, Angela Merkel, Versagen in der Migrationspolitik vor, erklärt die EU-Grenz- und Küstenwache Frontex für nutzlos und behauptet, dass Hunderte Millionen Migranten nach Europa zu kommen sich anschicken. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki bekundete gegenüber der „Bild“-Zeitung erneut seine Absicht, die Grenze zu Belarus zu versiegeln. „Wir brauchen jede Form von Schutz und Überwachung, um Angriffe abzuwehren. Sei es eine Mauer, sei es ein Zaun, seien es elektronische Anlagen, die jedes Eindringen sofort melden“, sagte Morawiecki.
Unterdessen flogen am Donnerstag rund 430 Iraker von Minsk nach Hause. In Belarus befänden sich laut einer Sprecherin der Regierung rund 7000 Migranten, etwa 2000 an der Grenze zu Polen. Merkel habe in einem erneuten Telefonat mit dem Diktator Alexander
Lukaschenko dessen Forderung besprochen, diese 2000 in die EU ausreisen zu lassen, damit sie dort um Asyl ansuchen können. Belarus würde im Gegenzug die restlichen 5000 abschieben.
Was Merkel von diesem Vorbringen hält, ist nicht überliefert. Ihre Unterredungen mit Lukaschenko sorgen vor allem in Warschau für Ärger. Auf die Frage der „Bild“, ob Merkel in ihrer Flüchtlingspolitik versagt habe, sagte Morawiecki: „Oh, absolut. Ich denke, dass die Politik von vor fünf bis sechs Jahren keine angemessene Politik war. Sie hat die Souveränität vieler europäischer Staaten gefährdet und schuf einen künstlichen Multikulturalismus. Das war eine gefährliche Politik für Europa und für die Welt.“Und er fügte hinzu: „Wenn wir nicht in der Lage sind, jetzt Tausende Zuwanderer fernzuhalten, dann werden es bald Hunderttausende sein, Millionen, die Richtung Europa kommen.“
Die Europäische Kommission hat weiterhin keinen Zugang zur Grenze, ebenso wenig Frontex. „An unserer Ostgrenze stehen im Moment mehr als 15.000 Soldaten, dazu Grenzschutz und Polizei. Frontex hat gerade einmal knapp 1000 Beamte für solche Einsätze – für ganz Europa! Warum sollten wir die bemühen, wenn wir es selbst schaffen?“, sagte Morawiecki.
Totes Baby im polnischen Wald
Doch ob Polens Regierung tatsächlich Herrin der Lage ist, wird immer fragwürdiger. In der Nacht auf Donnerstag fanden Sanitäter und Ärzte der polnischen Hilfsorganisation Ratownicy PCPM im Wald ein syrisches Paar mit ihrem toten einjährigen Baby. Der Mann habe eine Schnittwunde am Arm, die Frau eine Stichwunde am Unterschenkel gehabt. Rund ein Dutzend Menschen sind seit Beginn dieser Krise bereits gestorben.
Polens Regierung bekommt für ihre harte Linie jedoch Unterstützung aus Slowenien. Innenminister Alesˇ Hojs erklärte, die EU müsse ihre Außengrenze versiegeln, um Migranten abzuschrecken; sie seien nicht mehr willkommen.