Die Presse

Polen will Ostgrenze versiegeln

Belarus-Krise. Ministerpr­äsident Morawiecki verbittet sich Einmischun­g von außen und behauptet, Hunderte Millionen Migranten würden demnächst in die EU kommen.

- V on unserem Korrespond­enten OLIVER GRIMM

Brüssel. Polens Regierungs­chef wirft der scheidende­n deutschen Kanzlerin, Angela Merkel, Versagen in der Migrations­politik vor, erklärt die EU-Grenz- und Küstenwach­e Frontex für nutzlos und behauptet, dass Hunderte Millionen Migranten nach Europa zu kommen sich anschicken. Ministerpr­äsident Mateusz Morawiecki bekundete gegenüber der „Bild“-Zeitung erneut seine Absicht, die Grenze zu Belarus zu versiegeln. „Wir brauchen jede Form von Schutz und Überwachun­g, um Angriffe abzuwehren. Sei es eine Mauer, sei es ein Zaun, seien es elektronis­che Anlagen, die jedes Eindringen sofort melden“, sagte Morawiecki.

Unterdesse­n flogen am Donnerstag rund 430 Iraker von Minsk nach Hause. In Belarus befänden sich laut einer Sprecherin der Regierung rund 7000 Migranten, etwa 2000 an der Grenze zu Polen. Merkel habe in einem erneuten Telefonat mit dem Diktator Alexander

Lukaschenk­o dessen Forderung besprochen, diese 2000 in die EU ausreisen zu lassen, damit sie dort um Asyl ansuchen können. Belarus würde im Gegenzug die restlichen 5000 abschieben.

Was Merkel von diesem Vorbringen hält, ist nicht überliefer­t. Ihre Unterredun­gen mit Lukaschenk­o sorgen vor allem in Warschau für Ärger. Auf die Frage der „Bild“, ob Merkel in ihrer Flüchtling­spolitik versagt habe, sagte Morawiecki: „Oh, absolut. Ich denke, dass die Politik von vor fünf bis sechs Jahren keine angemessen­e Politik war. Sie hat die Souveränit­ät vieler europäisch­er Staaten gefährdet und schuf einen künstliche­n Multikultu­ralismus. Das war eine gefährlich­e Politik für Europa und für die Welt.“Und er fügte hinzu: „Wenn wir nicht in der Lage sind, jetzt Tausende Zuwanderer fernzuhalt­en, dann werden es bald Hunderttau­sende sein, Millionen, die Richtung Europa kommen.“

Die Europäisch­e Kommission hat weiterhin keinen Zugang zur Grenze, ebenso wenig Frontex. „An unserer Ostgrenze stehen im Moment mehr als 15.000 Soldaten, dazu Grenzschut­z und Polizei. Frontex hat gerade einmal knapp 1000 Beamte für solche Einsätze – für ganz Europa! Warum sollten wir die bemühen, wenn wir es selbst schaffen?“, sagte Morawiecki.

Totes Baby im polnischen Wald

Doch ob Polens Regierung tatsächlic­h Herrin der Lage ist, wird immer fragwürdig­er. In der Nacht auf Donnerstag fanden Sanitäter und Ärzte der polnischen Hilfsorgan­isation Ratownicy PCPM im Wald ein syrisches Paar mit ihrem toten einjährige­n Baby. Der Mann habe eine Schnittwun­de am Arm, die Frau eine Stichwunde am Unterschen­kel gehabt. Rund ein Dutzend Menschen sind seit Beginn dieser Krise bereits gestorben.

Polens Regierung bekommt für ihre harte Linie jedoch Unterstütz­ung aus Slowenien. Innenminis­ter Alesˇ Hojs erklärte, die EU müsse ihre Außengrenz­e versiegeln, um Migranten abzuschrec­ken; sie seien nicht mehr willkommen.

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