Bannon als Trumps Bannerträger
Der Ex-Chefstratege steht in der Untersuchung des Sturms auf das Kapitol vor Gericht – ein Präzedenzfall.
Wien/Washington. In den ersten Jännertagen, zwischen Neujahr und Dreikönigstag, herrschte Bunkerstimmung im Machtzentrum Washingtons. Im West Wing des Weißen Hauses und im „War Room“, einer Suite im nahen Willard Hotel an der Pennsylvania Avenue, sammelte Donald Trump seine Söhne und Getreuen, Berater und Anwälte um sich. Sie sollten einen Plan aushecken, wie der Präsident nach der verlorenen Wahl im November 2020 doch noch an der Macht bleiben könnte.
Einschüchterung und massiver Druck auf Institutionen und Player der Judikative und Legislative, so das Kalkül des Trump-Zirkels, sollten zum Ziel führen: Druck aufs Justizministerium – wo der bisher so botmäßige Minister William Barr sein Amt schon Mitte Dezember aus Protest gegen Trumps Machinationen niedergelegt hatte; auf Justizminister und führende republikanische Abgeordnete in neuralgischen Bundesstaaten wie Georgia oder Pennsylvania; und nicht zuletzt auf Vizepräsident Mike Pence, der am 6. Jänner im Senat die Wahlergebnisse der 50 US-Staaten bestätigen – oder in mehreren Fällen – annullieren sollte.
Dubiose Figuren
Zu Schlüsselfiguren seines Küchenkabinetts, wie Stabschef Mark Meadows, Berater und Redenschreiber Stephen Miller oder Pressesprecherin Kayleigh McEnany, zog der Präsident auch dubiose Figuren hinzu, die zeitweise in Ungnade gefallen waren: Ex-Chefstratege Stephen Bannon, Rechtsbeistand Rudy Giuliani, Kurzzeit-Sicherheitsberater Michael Flynn oder Roger Stone, einen Geschäftsfreund aus alten New Yorker Zeiten. Ihnen traute Trump die Kaltblütigkeit für einen Putsch zu.
Sie alle stehen nun im Fokus eines Untersuchungsausschusses des Repräsentantenhauses, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die mögliche Verstrickung Trumps und seines Teams in die Ereignisse des 6. Jänner 2021 ans Licht zu bringen. Die Tumulte forderten fünf Todesopfer und schockten zumindest
ZUR PERSON
Stephen Bannon. Der 67-jährige Publizist und Politstratege erlangte weltweiten Ruhm, als er 2016 als Wahlkampfmanager Donald Trump zum Wahlsieg verhalf. Als Chefstratege und Mastermind fiel er indessen schon nach einem halben Jahr im Weißen Haus in Ungnade. Kurz vor Ende der Amtszeit begnadigte ihn Trump.
die halbe Nation, die einen Angriff auf die Demokratie
monierte – überdies Auslöser für das zweite Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump.
Rund zwei Dutzend TrumpMitarbeiter bekamen eine Vorladung für ein Hearing vor dem Ausschuss, dem sich nur zwei Republikaner angeschlossen haben: Liz Cheney und Adam Kinzinger. Beide votierten für eine Amtsenthebung Trumps, und beide stehen vor dem Ende ihrer politischen Karriere. Wyomings Republikaner schlossen Cheney aus der Partei aus, Kinzinger verzichtet auf eine Wiederkandidatur.
Wie Bannon wollen sich auch Meadows und Co. der Aussage entziehen. Wobei das Justizministerium
einen Präzedenzfall schuf. Es stellte Bannon, zugleich Sprachrohr der Alt-Right-Bewegung, wegen Missachtung des Parlaments unter Anklage, was eine Geldstrafe von maximal 100.000 Dollar oder eine einjährige Haftstrafe nach sich ziehen könnte. In dieser Woche stellte er sich der Justiz, bekannte sich unschuldig und schwor, die Unrechtmäßigkeit anzufechten. Vor Reportern kündigte er gewohnt vollmundig an, das „Biden-Regime“zu Fall zu bringen. Trump hatte seinen Ex-Mastermind nur Stunden vor Ende seiner Amtszeit in einem Betrugsfall begnadigt.
„Die Hölle wird losbrechen“
„Morgen wird die Hölle losbrechen“, hatte Bannon in einem Podcast am Vorabend des Sturms aufs Kapitol prophezeit. In den Wochen seit der vermeintlich „gestohlenen“Wahl am 3. November 2020 hatten sich rechtsextremistische Gruppen wie die „Proud Boys“oder „Stop the Steal“im Internet zu einer Protestaktion verabredet, die Trump mit einer Rede vor dem Washington Monument eingeleitet hatte. Unter Parolen wie „Hängt Pence“stürmten sie den Kongress.
Der Untersuchungsausschuss forderte das Nationalarchiv zudem auf, fast 800 Seiten an Dokumenten, Notizen, Memos und E-Mails des Trump-Teams freizugeben. Trump weigerte sich und berief sich auf ein Privileg des Präsidenten, das indes nur für die Dauer der Amtszeit Gültigkeit hat. Ein Gericht gab dem Ausschuss recht, Trump rief in bewährter Manier ein Berufungsgericht an. Das Verfahren zieht sich in die Länge.
Parallel laufen Ermittlungen gegen Hunderte Trump-Anhänger, die ins Kapitol eingedrungen waren. Ein Gericht verurteilte jüngst den sogenannten „QAnon-Schamanen“, eine Symbolfigur, zu einer 41-monatigen Haftstrafe.