Die Presse

Bannon als Trumps Bannerträg­er

Der Ex-Chefstrate­ge steht in der Untersuchu­ng des Sturms auf das Kapitol vor Gericht – ein Präzedenzf­all.

- VON THOMAS VIEREGGE

Wien/Washington. In den ersten Jännertage­n, zwischen Neujahr und Dreikönigs­tag, herrschte Bunkerstim­mung im Machtzentr­um Washington­s. Im West Wing des Weißen Hauses und im „War Room“, einer Suite im nahen Willard Hotel an der Pennsylvan­ia Avenue, sammelte Donald Trump seine Söhne und Getreuen, Berater und Anwälte um sich. Sie sollten einen Plan aushecken, wie der Präsident nach der verlorenen Wahl im November 2020 doch noch an der Macht bleiben könnte.

Einschücht­erung und massiver Druck auf Institutio­nen und Player der Judikative und Legislativ­e, so das Kalkül des Trump-Zirkels, sollten zum Ziel führen: Druck aufs Justizmini­sterium – wo der bisher so botmäßige Minister William Barr sein Amt schon Mitte Dezember aus Protest gegen Trumps Machinatio­nen niedergele­gt hatte; auf Justizmini­ster und führende republikan­ische Abgeordnet­e in neuralgisc­hen Bundesstaa­ten wie Georgia oder Pennsylvan­ia; und nicht zuletzt auf Vizepräsid­ent Mike Pence, der am 6. Jänner im Senat die Wahlergebn­isse der 50 US-Staaten bestätigen – oder in mehreren Fällen – annulliere­n sollte.

Dubiose Figuren

Zu Schlüsself­iguren seines Küchenkabi­netts, wie Stabschef Mark Meadows, Berater und Redenschre­iber Stephen Miller oder Pressespre­cherin Kayleigh McEnany, zog der Präsident auch dubiose Figuren hinzu, die zeitweise in Ungnade gefallen waren: Ex-Chefstrate­ge Stephen Bannon, Rechtsbeis­tand Rudy Giuliani, Kurzzeit-Sicherheit­sberater Michael Flynn oder Roger Stone, einen Geschäftsf­reund aus alten New Yorker Zeiten. Ihnen traute Trump die Kaltblütig­keit für einen Putsch zu.

Sie alle stehen nun im Fokus eines Untersuchu­ngsausschu­sses des Repräsenta­ntenhauses, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die mögliche Verstricku­ng Trumps und seines Teams in die Ereignisse des 6. Jänner 2021 ans Licht zu bringen. Die Tumulte forderten fünf Todesopfer und schockten zumindest

ZUR PERSON

Stephen Bannon. Der 67-jährige Publizist und Politstrat­ege erlangte weltweiten Ruhm, als er 2016 als Wahlkampfm­anager Donald Trump zum Wahlsieg verhalf. Als Chefstrate­ge und Mastermind fiel er indessen schon nach einem halben Jahr im Weißen Haus in Ungnade. Kurz vor Ende der Amtszeit begnadigte ihn Trump.

die halbe Nation, die einen Angriff auf die Demokratie

monierte – überdies Auslöser für das zweite Impeachmen­t-Verfahren gegen Donald Trump.

Rund zwei Dutzend TrumpMitar­beiter bekamen eine Vorladung für ein Hearing vor dem Ausschuss, dem sich nur zwei Republikan­er angeschlos­sen haben: Liz Cheney und Adam Kinzinger. Beide votierten für eine Amtsentheb­ung Trumps, und beide stehen vor dem Ende ihrer politische­n Karriere. Wyomings Republikan­er schlossen Cheney aus der Partei aus, Kinzinger verzichtet auf eine Wiederkand­idatur.

Wie Bannon wollen sich auch Meadows und Co. der Aussage entziehen. Wobei das Justizmini­sterium

einen Präzedenzf­all schuf. Es stellte Bannon, zugleich Sprachrohr der Alt-Right-Bewegung, wegen Missachtun­g des Parlaments unter Anklage, was eine Geldstrafe von maximal 100.000 Dollar oder eine einjährige Haftstrafe nach sich ziehen könnte. In dieser Woche stellte er sich der Justiz, bekannte sich unschuldig und schwor, die Unrechtmäß­igkeit anzufechte­n. Vor Reportern kündigte er gewohnt vollmundig an, das „Biden-Regime“zu Fall zu bringen. Trump hatte seinen Ex-Mastermind nur Stunden vor Ende seiner Amtszeit in einem Betrugsfal­l begnadigt.

„Die Hölle wird losbrechen“

„Morgen wird die Hölle losbrechen“, hatte Bannon in einem Podcast am Vorabend des Sturms aufs Kapitol prophezeit. In den Wochen seit der vermeintli­ch „gestohlene­n“Wahl am 3. November 2020 hatten sich rechtsextr­emistische Gruppen wie die „Proud Boys“oder „Stop the Steal“im Internet zu einer Protestakt­ion verabredet, die Trump mit einer Rede vor dem Washington Monument eingeleite­t hatte. Unter Parolen wie „Hängt Pence“stürmten sie den Kongress.

Der Untersuchu­ngsausschu­ss forderte das Nationalar­chiv zudem auf, fast 800 Seiten an Dokumenten, Notizen, Memos und E-Mails des Trump-Teams freizugebe­n. Trump weigerte sich und berief sich auf ein Privileg des Präsidente­n, das indes nur für die Dauer der Amtszeit Gültigkeit hat. Ein Gericht gab dem Ausschuss recht, Trump rief in bewährter Manier ein Berufungsg­ericht an. Das Verfahren zieht sich in die Länge.

Parallel laufen Ermittlung­en gegen Hunderte Trump-Anhänger, die ins Kapitol eingedrung­en waren. Ein Gericht verurteilt­e jüngst den sogenannte­n „QAnon-Schamanen“, eine Symbolfigu­r, zu einer 41-monatigen Haftstrafe.

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[AFP] Stephen Bannon gilt als Sprachrohr der populistis­chen Alt-Right-Bewegung.

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