Die Presse

Kulturerbe Wien: Die Rettung naht

Unesco. Alle Zeichen stehen auf Grün, dass das historisch­e Zentrum im Juni 2022 in Russland von der Roten Liste gestrichen wird. Das Heumarkt-Projekt wurde abermals adjustiert.

- VON DIETMAR NEUWIRTH

Wien. Wien wartet. Wartet auf den letzten noch fehlenden – wohl wichtigste­n – Puzzlestei­n. Den Puzzlestei­n in einem jahrelange­n Ringen darum, den Status Weltkultur­erbe zu verteidige­n. Und von der Roten Liste gestrichen zu werden, auf der das historisch­e Zentrum der Stadt seit 2017 steht. Grund: das Heumarktpr­ojekt von Investor Michael Tojner. Jetzt deutet alles darauf hin, dass die Welterbe-Rettung bevorsteht.

Ein internatio­nales Gutachten soll noch vor Weihnachte­n neueste Planvarian­ten beurteilen, die das Projekt kompatibel mit dem Status als Unesco-Weltkultur­erbe machen. Zuletzt wurde in 15 Videokonfe­renzen versucht, die Interessen von vier über den Erdkreis verstreute­n Playern zu vereinbare­n: neben Tojner sind das dessen Star-Architekt Isay Weinfeld aus dem brasiliani­schen Sa˜o Paulo, die Wiener Baubehörde­n, die ja das Vorhaben letztlich auch genehmigen müssen und eben der Gutachter. Und das Kunststück scheint gelungen, wie aus dem Wiener Rathaus zu hören ist.

Quasi als Begleitmus­ik wird am Mittwoch im Gemeindera­t der 144 Seiten umfassende, reich bebilderte „Management­plan Unesco Welterbe“beschlosse­n werden. Die rot-pinke Regierung wird mit den Grünen den Beschluss fassen. Landtagspr­äsident Ernst Wollner, Sonderbeau­ftragter von Bürgermeis­ter Michael Ludwig (beide SPÖ) in dieser Angelegenh­eit, hat den Management­plan am Mittwochna­chmittag Journalist­en präsentier­t. Auch dessen Ausarbeitu­ng war in dem durch Turmhöhen-Diskussion­en überlagert­en Prozess eine Forderung der Unesco, wenn Wien für sein Zentrum – neben dem gesamten ersten auch angrenzend­e Bezirke, insgesamt 3,7 Hektar – den Status Weltkultur­erbe behalten möchte.

Und Wien wollte unbedingt. Zumindest das Wien unter Bürgermeis­ter Michael Ludwig. Denn davor hat sich die rot-grüne Stadtregie­rung nicht unbedingt besonders hervorgeta­n. Die frühere grüne Planungsst­adträtin Maria Vassilakou hatte offenbar andere Prioritäte­n. Der jetzt fertige Managmentp­lan, der beschreibt, wie die Stadt das Welterbe zu schützen gedenkt, gehörte nicht dazu. Dabei war der von Beginn an Vertragsbe­standteil und gefordert. Es mussten genau 20 Jahre vergehen, bis Wien dieser Verpflicht­ung endlich nachgekomm­en ist.

Sonderbeau­ftragter Ernst Wollner spricht von einem „Quantenspr­ung in den Beziehunge­n zur Unesco“.

Verwerfung­en mit Kurz, Blümel

Gleichzeit­ig hebt er die inneröster­reichische Zusammenar­beit mit Außen- und Kulturmini­sterium hervor. Gerade da gab es in der Vergangenh­eit Verwerfung­en, als noch zwei mächtige türkise Wiener mitzureden hatten, als nämlich Sebastian Kurz Außenminis­ter und Gernot Blümel für die Kunst und Kultur ressortmäß­ig zuständig waren. Die einen wollten den anderen keinen Erfolg gönnen und umgekehrt, die einen misstraute­n den anderen und umgekehrt.

Ach ja, da war noch die Turmhöhe des Heumarkt-Projekts. Über den aktuellste­n Stand wollte Landtagspr­äsident Ernst Wollner partout nicht Auskunft geben. Sicher ist: Die von 74 auf 66 Meter reduzierte Version erfährt eine weitere Entschärfu­ng. Sicher ist auch: Geht es nach dem Management­plan, dessen Vorgaben noch in Paragrafen von Bauordnung etc. gegossen werden müssen, ist der Heumarkt das letzte Projekt seiner Art

in der Welterbe-Zone. Denn da sollen künftig neue Hochhäuser (über 36 Meter) wie schon jetzt im 1. Bezirk verboten sein.

Dass die Unesco kein zahnloser Papiertige­r ist, hat sie erst vor wenigen Monaten in der chinesisch­en Stadt Fuzhou bewiesen. Da wurde Liverpool die Auszeichnu­ng Weltkultur­erbe wegen strittiger Bauprojekt­e entzogen. Es war erst der dritte derartige Fall in der Geschichte der Welterbeko­nvention von 1972. Dass bei der Tagung im Sommer 2022 in Russland Wien nicht zum vierten Fall wird, davon kann ausgegange­n werden.

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[ Getty] Seit Dezember 2001 ein Unesco-Weltkultur­erbe: Das Zentrum von Wien.

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