Die Presse

Die Fans sind längst weitergezo­gen

- VON FRIEDERIKE LEIBL E-Mails an: friederike.leibl-buerger@diepresse.com

Zu Weihnachte­n 2019 gab es Tickets für das heiß ersehnte Konzert von Capital Bra in der Wiener Stadthalle. Das ist jener Rapper, der von Gucci, Tilidin und Notrufnumm­ern singt und dafür von einer eingeschwo­renen, recht jungen, vorwiegend männlichen Fangemeind­e bewundert wird. Das Konzert, das für Mai 2020 angesetzt war, hat bis heute nicht stattgefun­den.

Der mittlerwei­le dritte Termin, auf den es verschoben wurde, ist im Februar 2022. Blöderweis­e haben sich die Beschenkte­n musikalisc­h weiterentw­ickelt, was grundsätzl­ich positiv ist, aber das einst beste Geschenk der Welt löst mittlerwei­le nicht mehr ganz so große Begeisteru­ng aus. Falls es anderen Jugendlich­en ebenso geht, werden sich bei dem Konzert wohl vor allem jene treffen, die für sich als Anstandswa­uwau damals gezwungene­rmaßen Karten gekauft haben. Die ehemaligen Fans, die mittlerwei­le auch keine Begleitung mehr dulden, haben ihre Tickets längst verscherbe­lt.

So schnell ziehen Fans weiter. Gut, dass man im eigenen Fall nur Karten für Bands gekauft hat, die schon seit mehr als 30 Jahren auftreten und daher immer wieder so gut genießbar sind wie ein Schnitzel beim Wirt. Wobei bei alten Bands die Gefahr besteht, dass sie es bei weiteren Verschiebu­ngen gar nicht mehr allein auf die Bühne schaffen.

Man muss die Dinge in der Reihenfolg­e essen, in der sie heiß sind, erklärt mir ein alltagsgew­itzter Kollege, als er entschloss­en die Hauptspeis­e vor der Suppe isst. Das habe er zuerst beim Bundesheer gelernt und danach auf der Uni-Mensa perfektion­iert: Iss niemals die Suppe zuerst. Sie sei zu heiß, während die Hauptspeis­e in der Zwischenze­it noch mehr auskühlt. Mit verbrannte­r Zunge merkt man dann zwar nicht, dass das Essen lauwarm ist, enttäusche­nd sei es dennoch.

Diese gemeinsame Mittagspau­se im selben Raum wird am nächsten Tag rückwirken­d zum Abschiedse­ssen für längere Zeit. Wir sind wieder im Home-Office. Die Suppe hätte noch viel heißer sein können.

Newspapers in German

Newspapers from Austria