Begegnungen auf Augenhöhe
Arbeitskräftemangel. Mitarbeiter werden derzeit händeringend gesucht. Manche Häuser zeigen, wie man Teammitglieder motiviert, länger hält und leichter findet.
Wenn man es positiv ausdrücken möchte, hatten Mitarbeiter in der Hotellerie noch nie so gute Chancen, einen Job bei ihrem Wunscharbeitgeber zu finden. Der Mangel an Arbeitskräften hat neue Höhen erklommen, wie das soeben veröffentlichte jährliche Tourismusbarometer von Deloitte und der Österreichischen Hoteliervereinigung (ÖHV) aufzeigt.
Derzeit suchen demnach 84 Prozent der Beherbergungsbetriebe und fast zwei Drittel der Gastronomieund Freizeitinfrastrukturbetriebe Mitarbeiter. 91 Prozent der Ferienhotellerie befürchten eine Verschärfung für die Wintersaison, im Städtetourismus sind es 86 Prozent.
Und auch die mittelfristigen Aussichten sind nicht rosig, da die Anmeldungen an den Tourismusschulen um bis zu 30 Prozent zurückgegangen sind – Fachkräfte, die in spätestens drei Jahren auf dem Markt fehlen werden. Weshalb es nach Ansicht von Andreas Kapferer, Partner bei Deloitte Tirol, eine Aufwertung der Arbeitsbedingungen braucht: „Dem Arbeitskräftemangel muss auf vielen Ebenen begegnet werden. Wichtige Bausteine sind die Attraktivierung des Berufsbilds, die Mobilisierung und Rückholung von Mitarbeitern in den Tourismus, aber auch die verstärkte Anwerbung von ausländischen Arbeitskräften“, erläutert er.
„Alle mürbe geworden“
Die Früchte ihrer Arbeit oder Lebenseinstellung ernten derzeit all jene Unternehmer, die schon lang vor der Pandemie in ihre Mitarbeiter investiert haben. Dazu gehört unter anderen Alexander Gulewicz vom Romantik-Hotel Seevilla in Altaussee: „Wir sind auch betroffen, in unserer Branche gibt es keinen, der nicht betroffen ist, denn die Leute sind während der langen Zusperrphase einfach mürbe geworden.“Allerdings dürfte sein Verhältnis von offenen zu besetzten Stellen manchen Branchenkollegen wundern: „Wir haben gerade einmal zwei Stellen ausgeschrieben von insgesamt 45 Mitarbeitern,
da dürfen wir uns nicht beschweren – auch wenn wir früher schon einmal mehr Bewerbungen gehabt haben“, räumt er ein und verweist darauf, was die Mitarbeiter in der Seevilla erwartet. „Es gibt natürlich 120-mal Essen und Jause noch dazu“, so Gulewicz. Noch wichtiger sei aber, die Mitarbeiter mit großer Flexibilität abzuholen. „Wir haben Mitarbeiter mit fünf und mit 36,5 Stunden, denn schließlich gibt es gerade in einem Hotel viele Möglichkeiten, Dienstzeiten zu richten, solang es sich mit dem Betrieb deckt“, betont er. „Wir haben beispielsweise einen Koch, der kommt vor zwölf nicht aus dem Bett – aber das ist vollkommen okay, weil andere am Nachmittag freihaben wollen.“
Neues Personalhaus
Außerdem spielten eine Begegnung auf Augenhöhe und Handschlagqualität eine Rolle, ist er überzeugt. „Wenn bei uns jemand keine Pause machen kann, weil viel los ist, dann wird das selbstverständlich als halbe Überstunde geschrieben. Denn wenn der Betrieb
mit einem Mitarbeiter etwas verdient, soll der natürlich auch etwas davon haben“, so der Hotelier.
Auch in die Freizeit seiner Angestellten investiert der Unternehmer, gerade erst wurde die Pandemie für einen Umbau des Personalhauses genutzt, in dem auch Gulewicz selbst wohnt. „Grundsätzlich stelle ich immer mit der Prämisse ein, den Mitarbeiter bis zur Pension zu haben“, berichtet er. Was in der Seevilla durchaus nicht nur ein frommer Wunsch ist. So finden sich hier Mitarbeiter, die schon seit dem vergangenen Jahrtausend bei ihm arbeiten, „besonders stolz sind wir darauf, dass zu unserem Team eine Mutter und ihre Tochter gehören, deren Mutter beziehungsweise Großmutter schon bei uns gearbeitet hat“, freut sich Gulewicz über fast schon dynastische Mitarbeiterverhältnisse in seinem Haus. Man müsse mit dem Recruiting früh beginnen: „Ich fahre seit zehn Jahren in die Schulen und lade die Schüler auch zu uns in die Seevilla ein, um ihnen zu zeigen, wie schön unser Beruf sein kann.“Viele würden staunen,
gerade die Kinder aus der Region würden die Häuser ja nicht von innen kennen, so der Inhaber der Vier-Sterne-plus-Hotels. „Den Burschen geht aber vor allem bei der Müllpresse das Herz auf“, berichtet er lachend vom technikaffinen Nachwuchs.
Neue Arbeitszeiten
Andere Beherbergungsunternehmen haben die aktuelle Situation zum Anlass genommen, um den Wünschen ihrer Mitarbeiter mit neuen Konzepten entgegenzukommen. Dazu gehört beispielsweise das Boutique-Hotel Hauser in Wels. Hier geht Direktorin Sophie Schick neue Wege und hat die Wochenarbeitszeit für die Direktionsassistentin und das sechsköpfige Rezeptionsteam, das auch an der Bar, bei Veranstaltungen und beim Frühstück eingesetzt wird, von 40 beziehungsweise 41 Stunden auf 36 Stunden gekürzt und bei gleichem Verdienst auf vier Tage aufgeteilt. Denn: „Die Arbeitszeiten und der Verdienst waren für die meisten ausschlaggebend dafür, die Branche zu verlassen“, sagt Schick – eine Situation, die die Hotelière durch die neuen Regelungen entschärft hat.
Die Dienstpläne wiederholen sich jetzt im Drei-Wochen-Rhythmus, so dass jeder Mitarbeiter damit regelmäßige Früh-, Spät- oder Mitteldienste hat. „Und in jeder dritten Woche sind sechs Tage am Stück frei, weil die jeweils drei freien Tage zusammenfallen“, fasst die Hoteldirektorin das Konzept zusammen.
Abläufe optimiert
Auch im Hotel Aviva **** s make friends im niederösterreichischen Gmünd gibt es seit Kurzem die Vier-Tage-Woche. „Wir haben die Öffnungszeiten unserer Rezeption und auch des Wellnessbereichs geändert. Dieser ist nun sogar länger geöffnet, was auch ein Vorteil für den Gast ist. Wir haben überdies viele unserer internen Prozesse vereinfacht – beispielsweise die Verwaltungsaufgaben reduziert oder digitalisiert und die Abläufe in der Küche, im Service und im Housekeeping optimiert. Und das alles, ohne zusätzliche Leute einzustellen“, fasst der Eigentümer, Christian Grünbart, die Maßnahmen zusammen, mit denen er für zufriedenere Mitarbeiter und wenig Fluktuation sorgen wollte.
Das sei aus seiner Sicht gelungen: „Unsere Mitarbeiter sind zufriedener, sie bleiben länger im Betrieb, und so entsteht auch eine bessere Beziehung zu unseren Stammgästen und vice versa.“An den Tagen, an denen die Angestellten arbeiten, seien sie stärker auf ihre Tätigkeiten fokussiert, da sie dann mehr Stunden im Haus seien und nicht durch anschließende Freizeitplanungen abgelenkt würden, erörtert Grünbart die Vorteile auch für das Unternehmen.
„Durch die geringere Fluktuation sparen wir Kosten für die Personalsuche und die Einschulung. Das Arbeitszeitangebot ist ein tolles Argument bei Vorstellungsgesprächen, dadurch werden Feiertagsund Wochenendarbeit besser akzeptiert. Wir punkten jetzt auch stärker bei branchenfremden Bewerbern“, fügt Günbart hinzu. (sma)