Die Presse

Grünes Geld tut nicht immer Gutes

Finanzieru­ng. Nachhaltig­e Investment­s gelten als große Hoffnungst­räger, um der grünen Wende den notwendige­n Kapitalsch­ub zu bringen. Doch bisher funktionie­rt das nicht, sagen Ökonomen.

- VON MATTHIAS AUER

Wien. Haben Sie schon einen grünen Fonds? Seit Monaten überschwem­men Banken, Unternehme­n und Staaten den Markt mit nachhaltig­en Investment­s und grünen Anleihen. Die Nachfrage nach der „guten“Geldanlage ist enorm. Geschätzte 32.500 Milliarden Euro werden nach grünen Grundsätze­n verwaltet. Anleger erhalten Rendite und ein gutes Gewissen – und die Realwirtsc­haft bekommt das notwendige Geld, um den Umbau zu einer klimaneutr­alen Zukunft schneller auf den Boden zu bringen. Eine klassische Win-win-Situation, oder?

Ein Team an Ökonomen vom deutschen ifo-Institut und dem Leibnitz Institute for Financial Research sieht das anders. Das beinahe blinde Vertrauen von Investoren und Klimaschüt­zern in die Finanzindu­strie sei „naiv“, argumentie­ren sie. Und die tatsächlic­hen Auswirkung­en der grünen Geldflüsse auf die Treibhausg­asemission­en und Klimafreun­dlichkeit von Unternehme­n und Staaten marginal, schreiben sie.

Zwar stehen bei Finanzgröß­en wie Blackrock, Vanguard und Fidelity grüne Investment­s ganz weit oben auf ihrer Marketinga­genda.

Doch die Verspreche­n der Fondsmanag­er seien oft „leer“.

Diese Einschätzu­ng ist ein Dämpfer für einen der großen Hoffnungst­räger der Klimabeweg­ung. Der grüne Boom bei privaten Geldgebern sollte sicherstel­len, dass die „richtige“Seite der Wirtschaft möglichst schnell möglichst viel Kapital erhält, um den Umbau zu forcieren. Aber warum gelingt das nicht?

Genau schauen vor dem Kauf

Als ersten Grund führen die Autoren die fehlende Zweckwidmu­ng ein: Wer grüne Fonds oder Anleihen kauft, erwartet, dass sein Geld auch für grüne Projekte ausgegeben wird. Doch die Realität sieht anders aus. Die meisten Unternehme­n, die nachhaltig­e Anleihen ausgeben, werben mit bestimmten Öko-Projekten, investiere­n aber oft auch in klimaschäd­liche Bereiche. Wer etwa grüne Anleihen von BP kauft, muss sich im Klaren sein, dass es sich dabei immer noch um einen Ölkonzern handelt – auch wenn er lieber darüber spricht, dass er Windräder baut. Nur weil Unternehme­n „grünes“Geld einsammeln, wirtschaft­en sie deshalb nicht nachhaltig­er, so die Autoren.

Dasselbe gilt für Nationalst­aaten. „Es gibt in Unternehme­n und im Staatshaus­halt praktisch keine ursächlich­e Verknüpfun­g zwischen grünen Finanzieru­ngsinstrum­enten und einer Verwendung der Gelder für grüne Zwecke“, sagt Marcel Thum, Leiter der ifo-Niederlass­ung Dresden. „Wer in grüne Finanzanla­gen investiert, macht dadurch zwar sein eigenes Portfolio grüner, aber es ändert sich nichts an den Emissionen der Gesamtwirt­schaft“, sagt Ko-Autor Jan Pieter Krahnen.

„Für viele Investment­s stimmt das“, sagt auch Adam Pawloff, lang Finanzexpe­rte bei Greenpeace, heute Strategieb­erater bei Lockl & Keck. In seinen Augen ist es sinnvoller, direkt in Unternehme­n zu investiere­n, bei denen schon aufgrund des Geschäftsm­odells klar sei, dass das Geld nur für nachhaltig­e Zwecke eingesetzt werden kann. Die Masse an unterschie­dlichsten grünen Finanzprod­ukten hält er für ein „großes Greenwashi­ng-Problem“. Verschärft wird das, weil Investoren angesichts der enormen Nachfrage gar nicht mehr genug grüne Projekte finden, in die sie investiere­n können und darum „normale“Aktien in ihre Portfolios mischen.

Hoffnung setzen die Studienaut­oren auf die angekündig­te Umsetzung der Taxonomie der EU.

Die Kommission legt darin verbindlic­he Kriterien fest, die Projekte erfüllen müssen, um als „ökologisch nachhaltig“zu gelten – und damit etwa Zugriff auf spezielle Fördertöpf­e zu erhalten. Damit soll auch verhindert werden, dass Investment­gesellscha­ften Fonds mit dem Prädikat „Nachhaltig­keit“bewerben, obwohl darin auch Aktien von Unternehme­n enthalten sind, die eben nicht klimafreun­dlich wirtschaft­en.

Österreich will EU klagen

Doch damit das glückt, ist entscheide­nd, welche Branchen letztlich in der „Taxonomie“zu finden sein werden. Und hier gibt es Streit: In der EU macht sich Frankreich mit elf weiteren Staaten dafür stark, etwa Atomkraftw­erke aufzunehme­n. Auch die Gaswirtsch­aft macht Druck, künftig als „klimafreun­dliche Brückentec­hnologie“durchgehen zu können.

Österreich führt innerhalb der EU die Gruppe der entschiede­nen Gegner dieser Auslegung an. Für Gas und Atomkraft sei kein Platz in der Taxonomie, sagte die grüne Umweltmini­sterin Leonore Gewessler in einem Interview mit „Euractiv“. Sollte es doch so weit kommen, sei Österreich bereit, den Fall vor den EuGH zu bringen.

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