Grünes Geld tut nicht immer Gutes
Finanzierung. Nachhaltige Investments gelten als große Hoffnungsträger, um der grünen Wende den notwendigen Kapitalschub zu bringen. Doch bisher funktioniert das nicht, sagen Ökonomen.
Wien. Haben Sie schon einen grünen Fonds? Seit Monaten überschwemmen Banken, Unternehmen und Staaten den Markt mit nachhaltigen Investments und grünen Anleihen. Die Nachfrage nach der „guten“Geldanlage ist enorm. Geschätzte 32.500 Milliarden Euro werden nach grünen Grundsätzen verwaltet. Anleger erhalten Rendite und ein gutes Gewissen – und die Realwirtschaft bekommt das notwendige Geld, um den Umbau zu einer klimaneutralen Zukunft schneller auf den Boden zu bringen. Eine klassische Win-win-Situation, oder?
Ein Team an Ökonomen vom deutschen ifo-Institut und dem Leibnitz Institute for Financial Research sieht das anders. Das beinahe blinde Vertrauen von Investoren und Klimaschützern in die Finanzindustrie sei „naiv“, argumentieren sie. Und die tatsächlichen Auswirkungen der grünen Geldflüsse auf die Treibhausgasemissionen und Klimafreundlichkeit von Unternehmen und Staaten marginal, schreiben sie.
Zwar stehen bei Finanzgrößen wie Blackrock, Vanguard und Fidelity grüne Investments ganz weit oben auf ihrer Marketingagenda.
Doch die Versprechen der Fondsmanager seien oft „leer“.
Diese Einschätzung ist ein Dämpfer für einen der großen Hoffnungsträger der Klimabewegung. Der grüne Boom bei privaten Geldgebern sollte sicherstellen, dass die „richtige“Seite der Wirtschaft möglichst schnell möglichst viel Kapital erhält, um den Umbau zu forcieren. Aber warum gelingt das nicht?
Genau schauen vor dem Kauf
Als ersten Grund führen die Autoren die fehlende Zweckwidmung ein: Wer grüne Fonds oder Anleihen kauft, erwartet, dass sein Geld auch für grüne Projekte ausgegeben wird. Doch die Realität sieht anders aus. Die meisten Unternehmen, die nachhaltige Anleihen ausgeben, werben mit bestimmten Öko-Projekten, investieren aber oft auch in klimaschädliche Bereiche. Wer etwa grüne Anleihen von BP kauft, muss sich im Klaren sein, dass es sich dabei immer noch um einen Ölkonzern handelt – auch wenn er lieber darüber spricht, dass er Windräder baut. Nur weil Unternehmen „grünes“Geld einsammeln, wirtschaften sie deshalb nicht nachhaltiger, so die Autoren.
Dasselbe gilt für Nationalstaaten. „Es gibt in Unternehmen und im Staatshaushalt praktisch keine ursächliche Verknüpfung zwischen grünen Finanzierungsinstrumenten und einer Verwendung der Gelder für grüne Zwecke“, sagt Marcel Thum, Leiter der ifo-Niederlassung Dresden. „Wer in grüne Finanzanlagen investiert, macht dadurch zwar sein eigenes Portfolio grüner, aber es ändert sich nichts an den Emissionen der Gesamtwirtschaft“, sagt Ko-Autor Jan Pieter Krahnen.
„Für viele Investments stimmt das“, sagt auch Adam Pawloff, lang Finanzexperte bei Greenpeace, heute Strategieberater bei Lockl & Keck. In seinen Augen ist es sinnvoller, direkt in Unternehmen zu investieren, bei denen schon aufgrund des Geschäftsmodells klar sei, dass das Geld nur für nachhaltige Zwecke eingesetzt werden kann. Die Masse an unterschiedlichsten grünen Finanzprodukten hält er für ein „großes Greenwashing-Problem“. Verschärft wird das, weil Investoren angesichts der enormen Nachfrage gar nicht mehr genug grüne Projekte finden, in die sie investieren können und darum „normale“Aktien in ihre Portfolios mischen.
Hoffnung setzen die Studienautoren auf die angekündigte Umsetzung der Taxonomie der EU.
Die Kommission legt darin verbindliche Kriterien fest, die Projekte erfüllen müssen, um als „ökologisch nachhaltig“zu gelten – und damit etwa Zugriff auf spezielle Fördertöpfe zu erhalten. Damit soll auch verhindert werden, dass Investmentgesellschaften Fonds mit dem Prädikat „Nachhaltigkeit“bewerben, obwohl darin auch Aktien von Unternehmen enthalten sind, die eben nicht klimafreundlich wirtschaften.
Österreich will EU klagen
Doch damit das glückt, ist entscheidend, welche Branchen letztlich in der „Taxonomie“zu finden sein werden. Und hier gibt es Streit: In der EU macht sich Frankreich mit elf weiteren Staaten dafür stark, etwa Atomkraftwerke aufzunehmen. Auch die Gaswirtschaft macht Druck, künftig als „klimafreundliche Brückentechnologie“durchgehen zu können.
Österreich führt innerhalb der EU die Gruppe der entschiedenen Gegner dieser Auslegung an. Für Gas und Atomkraft sei kein Platz in der Taxonomie, sagte die grüne Umweltministerin Leonore Gewessler in einem Interview mit „Euractiv“. Sollte es doch so weit kommen, sei Österreich bereit, den Fall vor den EuGH zu bringen.