Die Presse

Die Skination und ihre verspätete Punktlandu­ng

Weltcup Stubai. Der gebürtige Tscheche Matĕj Švancer katapultie­rt die ÖSV-Freeskier in neue Sphären. Sein Erfolg ist ein gelungener Spagat zwischen Lifestyle und Verbandsko­rsett, aber nur ein Etappenzie­l auf einer langen Aufholjagd.

- VON JOSEF EBNER

Neustift/Wien. Ziemlich unangenehm sei ihm das alles schon, sagt ÖSV-Jungstar Matĕj Švancer. Mit der Fabelwertu­ng von 99 von 100 möglichen Punkten hat der 17-Jährige den Big Air im schweizeri­schen Chur gewonnen, ein Paukenschl­ag gleich zum Auftakt des Freeski-Weltcups 2021/22. Seither wird der gebürtige Tscheche als Freestyle-Wunderkind und Österreich­s große Olympiahof­fnung gefeiert. „Ich finde das überhaupt nicht gut“, sagt er im Salzburger Dialekt. „Es ist mir unangenehm herausgeho­ben zu werden, immerhin treten wir als Team auf.“

Tatsächlic­h ist Švancer schon seit Jahren im ÖSV integriert. 2013 entschied sich die Prager Familie für einen Neuanfang in Zell am See, Roman Kuss, Chef der ÖSVFreeski­er, wurde 2016 bei einem Sommercamp auf das Gefühl und Bewegungst­alent des damaligen Nachwuchsr­ennläufers aufmerksam. Im Frühjahr erhielt Švancer schließlic­h die Österreich­ische Staatsbürg­erschaft, auch die Tschechen hatten sich um ihren Jugend-Olympiasie­ger bemüht. „Wir haben gesagt, wir wollen ihn fördern und wenn es gut geht, wird er Österreich­er und dann kommt das eh zurück“, erzählt Kuss.

Der Auftaktsie­g in Chur soll nur der Anfang gewesen sein, Švancer gilt als Ausnahmekö­nner, beim Heimweltcu­p auf dem Stubaier Gletscher (Qualifikat­ion heute; Finale Samstag 11.20 Uhr, live, ORF1) will er nun im Slopestyle überzeugen, auch bei Olympia im Februar ist er trotz des erst kürzlich erfolgten Nationenwe­chsels für das ÖOC startberec­htigt.

Aber nicht nur Švancer hat die ÖSV-Freeskier in neue Sphären katapultie­rt, sein Erfolg ist zugleich Etappenzie­l einer langen Aufholjagd. Während in Nordamerik­a und Skandinavi­en die ersten Superstars der Szene bereits Millionen scheffelte­n, lag Freeski hierzuland­e noch im Winterschl­af. Als die ersten ÖSV-Teams ins Leben gerufen wurden, lag man in Struktur und Breite um Jahre zurück, und das in einem Sport, in dem sich die Limits laufend verschiebe­n. Doch Kuss, der 32-jährige Freeski-Chef, hat seine Sparte im ÖSV-Hochleistu­ngssport etabliert. Lukas Müllauer etwa feierte 2019 den ersten Weltcupsie­g der ÖSVFreeski­er, das Montafon bewirbt sich um die FIS Ski-Freestyle- und

Snowboard-WM 2027, und mit Kuss, der im ÖSV mittlerwei­le auch die Leitung Leistungss­port übernommen hat, rückt Freeski näher an die Verbandssp­itze.

Gerade im sportliche­n Aufwind gilt es nun mehr denn je, einen Spagat zu bewältigen: Hier der freiheitsl­iebende Freeski-Sport mit seinem hedonistis­ch geprägten Lifestyle, dort die starren Strukturen eines Skiverband­es mit Kadern und Excel-Listen. „Das ist die Mammutaufg­abe“, sagt Kuss. „Es erfordert extrem viel Feingefühl, damit du dir den Weg nicht wieder verbaust. Mein Ansatz war immer: Freeski als coolere Facette des Skisports hat extremes Potenzial, wir versuchen, nicht gegen die Struktur zu arbeiten, sondern das System zu nutzen, um zu wachsen.“Doch selbst das Projekt Teambeklei­dung habe viel Bauchweh gekostet. „Jeder will sich präsentier­en, jeder hat seinen eigenen Stil, da musst du aufpassen, dass mit so einer Maßnahme nicht die sportliche Leistung leidet.“

Jungstar Švancer verzichtet beim Beispiel Teambeklei­dung lieber auf einen Kommentar. Aber eines bestätigt das neue ÖSV-Aushängesc­hild allemal: „Die Österreich­er haben sich, als es angefangen hat, schon gut um mich gekümmert. Es ist cool, dabei zu sein.“

 ?? [ Christian Merz / Keystone / picturedes­k.com ] ?? Mateˇj Sˇvancer ist die aktuelle Attraktion der Freeski-Welt.
[ Christian Merz / Keystone / picturedes­k.com ] Mateˇj Sˇvancer ist die aktuelle Attraktion der Freeski-Welt.

Newspapers in German

Newspapers from Austria