Bryn Terfel als Holländer: Ein Fels in der Brandung
Staatsoper. Wiederaufnahme von Wagners „Fliegendem Holländer“mit dem walisischen Bariton – und gleich drei Einspringern.
Covid-19 ist nicht an allem schuld. „Diverse Atemwegsinfektionen in extremer Zahl“erschweren der Staatsoper gerade den Spielbetrieb, erklärte Direktor Bogdan Rosčˇić vor der Vorstellung. Ersatz wurde nötig für Anja Kampe, die möglicherweise für die ganze Serie ausfällt, sowie für Eric Cutler und Josh Lovell. Retterin Ricarda Merbeth ist seit Jahren mit der Inszenierung vertraut; Jörg Schneider und Daniel Jenz gaben Rollendebüts als Erik und Steuermann. Rosčˇićs Hinweis, dass ab Freitag Impfung, Maske und PCR-Test in der Oper nötig seien, wurde mit vereinzeltem Widerspruch, aber in Summe mit demonstrativem Beifall aufgenommen: „Wir werden, wie schon vergangene Saison, um jeden einzelnen Abend kämpfen; und ich hoffe, Sie halten uns die Treue!“
135 Minuten Flucht aus der Pandemie
Um die Treue geht’s ja auch in Wagners „Fliegendem Holländer“– und 135 Minuten Flucht aus der Pandemie in die Sagenwelt mit einem verfluchten Untoten, der über die sieben Meere schippern muss und nur alle sieben Jahre Hoffnung auf Erlösung in Gestalt einer treuen Frau schöpfen darf, tut nicht nur erklärten Wagnerianern gut. Bertrand de Billy ist am Pult der Richtige, um sowohl das Orchester als auch die mit Inbrunst singenden Chöre zusammenzuhalten und etwaige verlorene Schäfchen umgehend wieder einzufangen: Gegeben wird, wie in der Premiere 2003, die pausenlose Erstfassung ohne den nachkomponierten, tristanesken „Erlösungsschluss“.
Tatsächlich hat es sieben Jahre gedauert, bis Bryn Terfel wieder einmal als Holländer in der Staatsoper anlegen konnte. Mag sich auch dort oder da ein schnell vorübergehender Kratzer einschleichen, ist sein Vortrag doch ausgefeilt und intensiv. Auf stets wechselnde, aber innige Weise verbindet dieser getriebene Hüne Wort und Ton – in wilder Verzweiflung ebenso wie in zarter Zuversicht. Hier Bitterkeit in zuweilen grellen, flachen Tönen, dort Hohn, Qual und Überdruss in breiten Portamenti, alles getragen von langem Atem: eine Glanzpartie, auch wenn alles daran prägnante Düsternis ist.
2014 stand gleichfalls Ricarda Merbeth an seiner Seite und wollte als Senta den gebrochenen Titelhelden erlösen – durch jene spektakuläre Selbstverbrennung, die Regisseurin Christine Mielitz der fanatischen, aus ihrer Sicht wohl auch verblendeten Figur verordnet. Natürlich wäre es unfair, auf einen jugendlich frischen, biegsam-glühenden Sopran zu hoffen bei einer Sängerin, die längst im hochdramatischen Fach angekommen ist. Dass Merbeth gelegentlich das Matronenhafte streift und in der Mittellage Defizite an Volumen und Kontur offenbart, macht sie zu einem Gutteil durch ihre sichere Höhe wett. Respekt gebietet, wie Jörg Schneider mit seinem in diesem Umfeld eher schlanken, manchmal etwas nasalen Tenor die gesanglichen Klippen des Erik umschifft; Franz-Josef Selig gibt den Daland als vokal polternden Pfeffersack, Daniel Jenz erfreut als Steuermann: Begeisterung.