Studieren für eine unbekannte Welt
Bildung. Wie bereitet man Studierende auf die Arbeitswelt von morgen vor? Warum setzt die FHWien der WKW auf Praktiker als Lehrende und welche ihrer Studien befähigen dazu, die digitale Transformation mitzugestalten?
Antworten auf diese spannenden Fragen liefert Michael Heritsch, Geschäftsführer der FHWien der WKW, im Interview.
Die Wirtschaft kommt nach Corona wieder in Schwung. Viele Unternehmen suchen händeringend nach Fachkräften. Wie bekommen Sie diesen War for Talents mit?
Viele unserer Absolventen finden gleich nach ihrem Studium einen Job. Das war schon vor Corona und dem aktuellen Arbeitskräftemangel so. Denn ein Abschluss von der FHWien der WKW wertet den Lebenslauf stark auf. Unsere Absolventen sind in den Personalabteilungen vieler Unternehmen begehrt.
Welches Rüstzeug geben Sie Ihren Studierenden mit, um sie fit für das Berufsleben zu machen?
Unser Motto „Die Praxis studieren“bringt es auf den Punkt: Wir vermitteln den Studierenden keine graue Theorie, sondern anwendungsorientiertes Wissen am Puls der Zeit — und das im ständigen Dialog mit der Wirtschaft. Das Prinzip lautet dabei: von „mehr Wissen“zu „mehr Können“.
Bei der Gestaltung unserer Studiengänge orientieren wir uns am Bedarf der Unternehmen. Welche Art von MitarbeiterInnen dort gesucht werden, wissen wir deshalb, weil wir eng mit vielen Betrieben kooperieren — etwa in Praxisprojekten. Die Studierenden stellen ihre Fähigkeiten dabei anhand einer tatsächlichen Aufgabenstellung aus dem Unternehmen unter Beweis und entwickeln dafür Lösungen.
Zentral für den Studienerfolg sind die Lehrenden. Wer unterrichtet an Ihrer FH?
Zwei Drittel unserer Lehrenden sind Fach- und Führungskräfte aus Unternehmen und Selbstständige, also Praktiker, die ihren Erfahrungsfahrungen schatz mit unseren Studierenden teilen. Das renommierte Hochschulranking U-Multirank bestätigte 2020 eindrucksvoll, dass wir unser Versprechen großer Praxisnähe einlösen. In der Kategorie „Kontakt zur Arbeitswelt“zählt die FHWien der WKW demnach zu den 25 besten Hochschulen — unter rund 1800 Bildungseinrichtungen weltweit.
Wir leben in einer Epoche der Wissensexplosion. Nie zuvor standen so viele Informationen zur Verfügung. Wie wählen Sie aus, was Ihre Studierenden lernen?
Den Kern jedes Studiums bilden die fachspezifischen Inhalte, ergänzt um betriebswirtschaftliche Basics. Doch die Halbwertszeit des Fachwissens wird immer kürzer. Worauf es zunehmend ankommt, ist die Einstellung, lebenslang lernend zu bleiben.
Wichtiger wird im Beruf auch die soziale Kompetenz. Denn die Teams in Unternehmen werden bunter. Man trifft im Büro auf Menschen, die ganz anders ticken als man selbst. Konflikte sind da vorprogrammiert.
Daher haben wir Social-Skills-Module in die Studienpläne eingebaut.
Ein Anliegen ist uns auch, den Studierenden internationale Er
zu ermöglichen. Denn interkulturelle Kompetenzen und Sprachkenntnisse gehören längst zum Anforderungsprofil für viele Stellen. Die FHWien der WKW hat rund 170 Partnerhochschulen weltweit, an denen die Studierenden ein Auslandssemester verbringen können — von China über Australien bis in die Karibik. Da sehr gutes Englisch in vielen Jobs ein Muss ist, haben wir in alle Studiengänge englischsprachige Module integriert. Drei Studiengänge bieten wir komplett auf Englisch an.
Berufsbilder wandeln sich schnell, neue Berufe entstehen. Wie stellen Sie sicher, dass die Studierenden heute das lernen, was morgen gebraucht wird?
Jede Hochschule steht vor der Aufgabe, die Studierenden für eine unbekannte Welt auszubilden — für die Welt der Zukunft. Daher gestalten wir unsere Studienpläne immer kompetenzorientierter und weniger inhaltsorientiert. Wir legen etwa nicht fest: Das Ziel ist, ein bestimmtes Content-Management-System zu beherrschen. Das Ziel ist vielmehr die Fähigkeit, sich rasch in solchen Applikationen zurechtzufinden. Wir stehen im Kontakt zur Wirtschaft und zu Zukunftsforschern, um herauszufinden, welche Berufe in Zukunft gefragt sein werden. Bei allem Wandel bleiben wir unserem Fokus auf Management und Kommunikation treu und unserem Anspruch, Österreichs führende Fachhochschule für diese Themen zu sein. Seit der Gründung 1994 hat unsere FH über 12.700 Absolventen hervorgebracht.
Die Arbeitswelt der Zukunft wird durch die Digitalisierung geprägt sein. Inwiefern bereitet ein Studium an der FHWien der WKW darauf vor?
Die digitale Transformation ist in allen Studiengängen unserer FH ein zentrales Thema. Es gilt, die Studierenden mit Software vertraut zu machen, die sie im Job beherrschen müssen. Darüber hinaus vermitteln wir ihnen das nötige Mindset, um die digitale Transformation zu meistern. Denn dazu braucht es mehr als IT-Anwenderwissen oder Programmierkenntnisse. Gefragt ist vielmehr ein Verständnis dafür, wie die Digitalisierung Geschäftsmodelle verändert und welche Chancen dies eröffnet.
Wer die digitale Transformation mitgestalten möchte, sollte sich zwei Studienangebote näher anschauen: Der Bachelor-Studiengang Digital Business bereitet auf Jobs an der Schnittstelle von digitaler Technologie und wirtschaftlicher Anwendung vor. Der Master-Studiengang Digital Innovation Engineering wird im Herbst 2022 erstmals starten. Dieses Studium beschäftigt sich mit dem kreativen Einsatz digitaler Technologie bei Innovationen wie der Gestaltung neuer Produkte und Dienstleistungen. Es ist auch für Nichttechniker geeignet.
Die Fachhochschulen haben sich einen festen Platz in Österreichs Bildungslandschaft erarbeitet. Als Forschungsstätten sind sie noch weniger bekannt. Welche Aktivitäten setzt hier die FHWien der WKW?
Ein Forschungsschwerpunkt ist die digitale Transformation, speziell die Frage, vor welche Herausforderungen diese Entwicklung die Unternehmen stellt und wie sie diese Aufgabe strategisch angehen können. Unser neues Forschungsinstitut IDS — kurz für Institute for Digital Transformation and Strategy — kooperiert eng mit Unternehmen. Denn als FH geht es uns darum, anwendungsorientierte Forschung zu betreiben. Wir verstehen uns dabei als Partner, der aktuelle Fragestellungen aus den Unternehmen wissenschaftlich beleuchtet und die gewonnenen Erkenntnisse mit ihnen teilt. Das gilt auch für unser zweites Forschungsinstitut IBES, in dessen Fokus die Themen Wirtschaftsethik und Nachhaltigkeit stehen.
Beim Thema Nachhaltigkeit und Wirtschaft hegen viele den Verdacht, es handle sich um kosmetische Maßnahmen — Stichwort Greenwashing. Wie beurteilen Sie die Lage?
Greenwashing ist leider weit verbreitet. Allerdings beschäftigen sich immer mehr Menschen ernsthaft mit Nachhaltigkeit und durchschauen solche Scheinmaßnahmen rasch. Wir wollen dazu beitragen, sich nicht blenden zu lassen, sondern auf fundierte Weise in diese komplexe Materie einzusteigen.
Auch ist mein Eindruck, dass wir ein Umdenken erleben. Während Manager früher oft den Profit als einzige Messlatte für den Erfolg hatten, setzt sich zunehmend die Einsicht durch, dass erfolgreiches Unternehmertum und Nachhaltigkeit keine Gegensätze sind. Die FHWien der WKW hat Unternehmensethik und Corporate Governance als Pflichtfächer in alle Master-Studiengänge integriert. Wir bilden Führungskräfte dazu aus, wirtschaftlich, ökologisch und sozial nachhaltig zu handeln. Denn ich bin überzeugt: Wer in Zukunft einen Betrieb erfolgreich lenken möchte, wird sich mit den Auswirkungen des eigenen Wirtschaftens auf Umwelt und Gesellschaft auseinandersetzen müssen — auch deshalb, weil Kunden und Mitarbeiter darauf immer mehr Wert legen. Sich mit Nachhaltigkeit ernsthaft zu beschäftigen und Maßnahmen zu setzen, schafft eine Win-win-Situation, von der Unternehmen ebenso profitieren wie Gesellschaft und Umwelt. Dieses Denken vermitteln wir unseren Studierenden.