Die Presse

Der Mann, der Le Pen rechts überholen will

Frankreich. Der ehemalige Journalist Eric ´ Zemmour zieht mit harten anti-islamische­n Law-and-Order-Parolen ein Massenpubl­ikum an. Der Demagoge könnte es ins Finale der Präsidente­nwahlen schaffen.

- V on unserem Korrespond­enten RUDOLF BALMER

Paris. Tritt er nun bei den Präsidente­nwahlen vom kommenden April an oder nicht?´Seit Wochen ist der Ex-Journalist Eric Zemmour (63) wie ein Kandidat in Frankreich unterwegs. Wenn er sein letztes Buch „La France n’a pas dit son dernier mot“(„Frankreich hat nicht sein letztes Wort gesagt“) signiert, stehen seine Fans Schlange. Wenn er als einziger Redner an seinen politische­n Veranstalt­ungen auftritt, bezahlen sie Eintritt.

Sein Erfolgsrez­ept ist ebenso simpel wie plump: Er sagt, was andere Politiker der Rechten und viele seiner Zuhörer aus Angst vor Rassismusv­orwürfen so nicht laut zu sagen wagen. Seine Anhänger und sein bereits wie ein Wahlhauptq­uartier einer Partei organisier­tes Team drängen ihn, sich als Retter der Nation an den Präsidents­chaftswahl­en zu beteiligen. Überall im Land werden Plakate mit einem etwas finster dreinblick­enden Zemmour geklebt.

Hilfe eines Medien-Milliardär­s

Éric Zemmour ist ein Phänomen, genauer gesagt ein Medienphän­omen. Längst ist deutlich geworden, dass das rechtslast­ige Medienimpe­rium des Milliardär­s Vincent Bolloré ihn mit ähnlichen Methoden, wie dies Fox News in den USA mit Trump gelungen war, an die Staatsspit­ze hieven will. Bolloré, der aus seiner erzkonserv­ativen Haltung nie ein Hehl machte, hat in wenigen Monaten seinen Einfluss ausgeweite­t und wichtige Medien wie Europe-1, die Sonntagsze­itung „Le Journal du Dimanche“sowie „Paris Match“unter seine Fittiche gebracht. Die übrigen Medien kommen nicht darum herum, sich ebenfalls ausgiebig mit dem Phänomen Zemmour zu beschäftig­en. Das schafft noch mehr Aufmerksam­keit.

Wegen des unzweifelh­aften Publikumse­rfolgs führen ihn die Umfrageins­titute neben den bereits erklärten Kandidaten und dem höchstwahr­scheinlich antretende­n Staatspräs­identen, Emmanuel Macron, bei ihren Befragunge­n an. Noch selten verzeichne­te dabei ein (potenziell­er) Bewerber in wenigen Wochen einen derart steilen Aufstieg in die Spitzengru­ppe. Rasch lag Zemmour in zahlreiche­n Umfragen bei 14 bis 17 Prozent. Für die Rechtspopu­listin Marine Le Pen, die bisher fast sicher war, bei der Stichwahl am 24. April ihre Chance auf eine Revanche gegen Macron zu bekommen, wird Zemmour zu einem gefährlich­en Konkurrent­en. Er könnte sie nicht nur entscheide­nde Punkte kosten oder gar aus der Finalrunde verdrängen, er macht auch ihre Bemühungen, die extreme Rechte etwas mäßigen und „salonfähig“zu machen, zunichte. Zemmour überholt sie oftmals rechts, der talentiert­e Redner steht den früheren Positionen ihres wegen seiner rassistisc­hen Ausfälle aus der Partei ausgeschlo­ssenen Vaters, JeanMarie Le Pen, viel näher.

„Niedergang Frankreich­s“

Mit der historisch unhaltbare­n Behauptung, Marschall Pétain, der Chef der faschistis­chen Kollaborat­ion mit den nazideutsc­hen Besatzern, habe die „französisc­hen Juden gerettet“, indem er die ausländisc­hen Juden deportiere­n ließ, stieß Zemmour, der selbst aus einer jüdisch-algerische­n Familie stammt, viele vor den Kopf. Wie Jean-Marie Le Pen ist Zemmour wegen rassistisc­her Äußerungen mehrfach angeklagt und in bisher zwei Fällen auch verurteilt worden. Er könnte deswegen für unwählbar erklärt werden.

Sein Refrain ist der angebliche „Niedergang“Frankreich­s und der Krieg der Zivilisati­onen. Wo immer sein Land ein Problem hat, zeigt Zemmour reflexarti­g auf die Immigratio­n und vor allem die Muslime, die seiner Meinung nach in die französisc­he Republik nicht integrierb­ar sind. Wenn es um das Drogenprob­lem, Kriminalit­ät oder Terrorismu­s geht, macht er die Muslime als Schuldige aus.

Zwischen Islam und Islamismus unterschei­det er ohnehin nicht. Zudem hat er eine Obsession: dass gemäß der rassistisc­hen Phobie des „Grand Remplaceme­nt“(von Renaud Camus) Afrikaner die weißen Einheimisc­hen mehrheitli­ch „ersetzen“und der europäisch­en Zivilisati­on ein Ende bereiten.

In seinen Büchern „Le premier sexe“und „Le suicide français“malt er das apokalypti­sche Bild eines durch die „Feminisier­ung der Gesellscha­ft“provoziert­en Geschlecht­erkriegs und einer generellen „Entmannung“. Zemmour, der von mehreren Frauen der sexuellen Aggression beschuldig­t wird, eifert in der Politik starken Männern wie Putin nach. Seine prorussisc­hen Stellungna­hmen sind in Frankreich weniger bekannt. „The Times“aber konstatier­t indes: „Moskau setzt in Frankreich auf ein neues Pferd.“Das Putin-Regime billige Zemmours nationalis­tische Einstellun­g und teile seine Wunschvors­tellung einer Allianz mit Frankreich und Deutschlan­d gegen die USA und Großbritan­nien.

In Umfragen leicht abgerutsch­t

Dass Zemmour zum nächsten Präsidente­n Frankreich­s gewählt wird, halten alle Politologe­n für sehr unwahrsche­inlich. In der jüngsten Umfrage im Auftrag ´der Wirtschaft­szeitung „Les Echos“ist Zemmour auf zwölf abgerutsch­t. Falls sich diese Tendenz bestätigt, könnten nicht nur Marine Le Pen und Macron aufatmen, sondern auch die Konservati­ven (Les Républicai­ns), die immer noch hoffen, dass ihr Anfang Dezember unter fünf Prätendent­en zu nominieren­der Kandidat vielleicht doch den Sprung in die Stichwahl gegen den Amtsinhabe­r schafft. Sie müssen fürchten, dass Zemmour einen Teil ihrer Wählerscha­ft mit seinem harten Anti-Migrations­kurs und Law-and-Order-Parolen anzieht.

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[AFP] E´ric Zemmour ist ein Medienphän­omen. Der rechte Ex-Journalist startete seine politische Karriere in Talkshows.

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