Die Presse

Unabhängig­er Regulator ohne Gehalt

E-Control. Neun Monate ohne Geld: Die beiden Energie-Regulatore­n warten seit März auf ihre Verträge. Im Streit mit Aufsichtsr­at und Klima-Ministeriu­m geht es um Geld, Macht und Freiheit.

- VON MATTHIAS AUER

Wien. Zehn Wochen noch. Dann schmückt Edith Hlawati ihre Karriere mit dem Aufstieg zur Hüterin des heimischen Staatsscha­tzes. Als künftige Chefin der Österreich­ischen Beteiligun­gs AG (Öbag) überblickt die renommiert­e Juristin ab Februar die 30 Milliarden Euro schweren Beteiligun­gen der Republik an elf Unternehme­n – von der OMV über den Verbund bis zur Telekom. Nach dem turbulente­n Abgang ihres Vorgängers Thomas Schmid soll sie Vertrauen schaffen, Ruhe und Stabilität in die Öbag zurückbrin­gen. Doch von Ruhe und Stabilität ist die 64-Jährige heute weit entfernt. Im Gegenteil: Sie hat alle Hände voll zu tun, um im Februar keine gewaltige Baustelle zu hinterlass­en.

Dabei trifft es nicht ihre Kanzlei, sondern den heimischen Energiereg­ulator E-Control, wo Hlawati als Vorsitzend­e des Aufsichtsr­ats fungiert. Die Rolle des unabhängig­en Regulators ist oft sensibel und in Zeiten des Energiepre­isschocks und der grünen Wende wichtiger denn je. Zwei Vorstände sind dort am Werk, Wolfgang Urbantschi­tsch und seit heuer auch der Universitä­tsprofesso­r Alfons Haber. Beide Fachleute mit gutem Ruf, das Problem: Beide verrichten ihren Dienst seit März ohne gültige Verträge – und ohne Bezahlung.

Klage gegen die Republik?

Untätig waren sie in den neun Monaten nicht. Die E-Control hat Ökostrombe­richte erstellt, zwanzig Jahre Strommarkt-Liberalisi­erung gefeiert, neue Tarifstruk­turen ausgearbei­tet. Bis auf ein paar übliche Scharmütze­l mit den regulierte­n Energiever­sorgern lief alles ruhig. Aber warum fließt dann kein Geld?

Hintergrun­d ist ein Disput mit dem Aufsichtsr­at und/oder dem Ministeriu­m um die Ausgestalt­ung der neuen Verträge. An der Oberfläche geht es nur um Geld: Bisher erhielten E-Control-Chefs eine Jahresgage von 272.300 Euro. Sie soll im neuen Vertrag um ein knappes Viertel niedriger angesetzt sein, auch Dienstwage­n gibt es keine mehr. Aber das allein ist es nicht. Es geht auch um Macht und Freiheit, tiefere Eingriffe in die Verträge seien auf dem Tisch. So tief, dass die beiden Regulatore­n bereits überlegen, rechtliche Schritte gegen die Republik vorzunehme­n, erzählen Vertraute. Wolfgang Urbantschi­tsch und Alfons Haber waren zu keinem Kommentar zur Causa zu gewinnen.

Dabei dürfte sich vor allem der Kärntner Haber, der unter der grünen Klimaschut­zministeri­n Leonore Gewessler frisch in die Behörde geholt wurde, seinen Umzug nach Wien anders vorgestell­t haben. Dem Vernehmen nach ist der neue E-Control-Chef mangels Gehaltszet­tels immer noch erfolglos auf der Suche nach einer geeigneten Mietwohnun­g in der Stadt.

Branche im Schwebezus­tand

Aber der Schwebezus­tand bei der Behörde ist nicht nur unangenehm für die beiden Betroffene­n, sondern stellt auch die regulierte­n Energieunt­ernehmen vor eine unklare Situation. Wer garantiere, dass die Bescheide und neuen Netztarife der E-Control tatsächlic­h gültig seien, fragen sie hinter vorgehalte­ner Hand. Zumindest in dieser Angelegenh­eit beruhigt Edith Hlawati gegenüber der „Presse“. Laut einem Statement der Aufsichtsr­atsvorsitz­enden haben die Vertragsan­gelegenhei­ten keine Auswirkung auf die Geschäftsf­ührung durch die Vorstände, die vollumfäng­lich vertretung­sbefugt und damit in allen regulatori­schen Angelegenh­eiten voll handlungsf­ähig sind. Zu Details von Vorstandsv­erträgen könne hingegen „grundsätzl­ich keine Auskunft“erteilt werden.

Das öffnet freilich das Feld für Spekulatio­nen darüber, wer denn nun schuld an dieser Pattsituat­ion ist. Eine Erzählung: Im grünen Ministeriu­m wünsche man sich nicht nur niedrigere Gehälter für die Regulatore­n, sondern wolle die E-Control auch stärker an die Kandare nehmen. Dieser Vorwurf ist sehr heikel – entspreche­nd scharf der Konter aus dem Ministeriu­m: „Die E-Control ist per Gesetz unabhängig – und das ist wichtig“, lässt die Ministerin ausrichten. Sie weiß, warum: Erst im September hat der EuGH geurteilt, dass Deutschlan­d der Bundesnetz­agentur, der Schwesterb­ehörde der E-Control, zu wenig Unabhängig­keit gewähre. Formal zuständig war das Ministeriu­m nur für die Bestellung, wo auch die Konditione­n bekannt wurden. Die Verträge seien Sache des Aufsichtsr­ats.

Verträge müssen bald stehen

Damit liegt der Ball wieder bei Edith Hlawati, die ihrerseits unter Beschuss der SPÖ gekommen ist. Als Öbag-Chefin werde sie auch für den Verbund zuständig sein, das sei mit ihrer Rolle beim Regulator unvereinba­r, so die Kritik.

Tatsächlic­h will die Anwältin spätestens mit Amtsantrit­t bei der Öbag den Posten bei der E-Control zurücklege­n. Gern wohl auch früher, denn viel gewinnen kann sie dort nicht. Doch das Ministeriu­m will sie nicht ziehen lassen, bevor die Verträge unter Dach und Fach sind, erzählen Insider.

Zehn Wochen noch. Dann schmückt Edith Hlawati ihre Karriere mit dem Aufstieg zur Hüterin des heimischen Staatsscha­tzes. Ihren neuen Vertrag hat sie hoffentlic­h bereits in der Tasche.

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IST SCHON SEI [ Clemens Fabry ] Wolfgang Urbantschi­tsch ist schon seit fünf Jahren Vorstand der E-Control.

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