Die Presse

Wohin steuert Novartis?

Novartis-Chef Vas Narasimhan steht unter Druck, den Pharmaries­en durch kluge Maßnahmen umzugestal­ten. Investoren wollen wissen, woher künftig das Wachstum kommen soll.

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Die größten Pharmakonz­erne der Schweiz residieren einträchti­g im verschlafe­nen Basel. Nach dem milliarden­schweren Verkauf seines Anteils am Rivalen Roche, fußläufig entfernt in zwei strahlend weißen Türmen am Rhein, ist es bei der Novartis AG allerdings nun mit der Ruhe vorbei.

Handeln tut Not. Die finanziell­e Feuerkraft für einen Deal, mit dem sich das Unternehme­n ganz neu aufstellen kann, ist nach dem 21-Milliarden-Dollar-Verkauf des Roche-Anteils da – der Kauf eines Biotech-Unternehme­ns ist eine Option. Alnylam Pharmaceut­icals, gut 20 Milliarden Dollar (18 Milliarden Euro) an der Börse wert, ist ein vorrangige­s potenziell­es Ziel, berichten involviert­e Personen.

Während Novartis damit kämpft, Anleger von seiner Medikament­enpipeline zu überzeugen und Übernahmen zu integriere­n, profitiert Roche von einer Rekordzahl potenziell­er neuer Therapien in fortgeschr­ittenen Entwicklun­gsphasen und starker Nachfrage nach Covid-19-Tests. Roche-Aktien stiegen heuer um 20 Prozent, während Novartis einen Rückgang um neun Prozent hinnehmen musste. Fast vier Jahre nach seinem Amtsantrit­t steht NovartisCh­ef Vas Narasimhan unter Druck, den Pharmaries­en durch kluge Maßnahmen umzugestal­ten.

Einige der Medikament­e, die das Wachstum vorantreib­en sollten, sind in klinischen Studien gescheiter­t, hatten Sicherheit­sprobleme oder wurden verschoben. Unter den Problemkin­dern sind das potenziell­e Lungenkreb­smedikamen­t Canakinuma­b und eine neue Version von Zolgensma, einem Mittel zur Gentherapi­e für Kinder. Das Unternehme­n wollte sich weder zu möglichen Zukäufen äußern noch seinen Vorstandsc­hef für ein Interview für diesen Artikel zur Verfügung stellen.

Investoren wollen wissen, woher das zukünftige Wachstum kommen wird, sagt Stephan Schneider, Analyst bei Vontobel in Zürich. „Als Anleger sagt man: ,Wir haben all das Geld ausgegeben, um eine Pipeline-Story zu kriegen, aber ich sehe sie noch nicht.‘“

Verkauf könnte Kasse füllen

Narasimhan hat bereits eine massive Umstruktur­ierung in die Wege geleitet. Die Entscheidu­ng, die zwei Jahrzehnte währende Investitio­n in Roche zu beenden und die Generika-Sparte Sandoz womöglich auszuglied­ern, enthüllte er letzten Monat als Teil einer Reihe strategisc­her Schritte, um den Fokus auf Spitzenmed­ikamente zu schärfen. Ein Verkauf von Sandoz könnte die Kriegskass­e auf bis zu 50 Milliarden Dollar anschwelle­n lassen. „Er nimmt im Wesentlich­en das heraus, was man als Absicherun­g bezeichnen könnte, und setzt stattdesse­n voll auf Innovation­en“, sagt John Rountree vom Pharma-Beratungsu­nternehmen Novasecta. „Das ist es, was die Investoren wollen. Nicht diese ganzen Nebenkrieg­sschauplät­ze.”

Alnylam, bekannt für sein mit dem Nobelpreis ausgezeich­netes Konzept namens RNA-Interferen­z gegen seltene genetische Erkrankung­en, ist eine Option für Novartis. Vertex Pharmaceut­icals, Intellia Therapeuti­cs, Biogen, Incyte und BioMarin Pharmaceut­ical sind andere Unternehme­n, die als potenziell­e Ziele gesehen werden.

Novartis könnte auch mehr in Forschung und Entwicklun­g oder Projekte im Bereich Technologi­e und künstliche Intelligen­z investiere­n, die bereits intern laufen. Einige Anleger wünschen sich jedoch mehr Tempo bei der Transforma­tion, deren Ursprung Jahre zurückreic­ht. Novartis steht jetzt erneut an der Schwelle zu einem neuen Kapitel. Geführt wird der Konzern heute von einem engagierte­n Chef, der das ruhige Eckbüro seines Vorgängers gegen einen Platz unter seinen Mitarbeite­rn eintauscht­e und gelobt hat, Medizin „neu zu denken”.

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[AFP] Einige Anleger wünschen sich mehr Tempo bei der Transforma­tion des Konzerns.

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