Die Presse

Requiem als massiver Trost für die Lebenden

Das französisc­he Ensemble Pygmalion interpreti­erte Brahms und mehr im Konzerthau­s.

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Gemeinhin gilt Brahms’ „Deutsches Requiem“mit 75 Minuten Spieldauer als abendfülle­nd. Welch ein Luxus, wenn ein Elite-Ensemble mit dem klingenden Namen Pygmalion davor noch Kapazitäte­n findet. So gab es vor der Pause das Kleinod „Selig sind die Toten“von Heinrich Schütz, dem Meister der keuschen, schnörkell­osen Linienführ­ung, eine Kirchenmus­ik des Brahms-Idols Mendelssoh­n Bartholdy und den „Begräbnisg­esang“, eine frühe Keimzelle des „Deutschen Requiems“. Alles hörenswert­e Kostbarkei­ten, so nachdrückl­ich wie brillant dargeboten vom Pygmalion-Chor.

Pygmalion besteht seit 15 Jahren, ist an der Oper von Bordeaux beheimatet und in Partnersch­aft mit der Pariser Opéra Comique und hat in dem drahtigen, 37-jährigen Gründer Raphae¨l Pichon einen akribisch werkenden Chefdirige­nten. Glanzstück ist der rund 40-köpfige Chor – man wollte fast meinen, er bestünde aus perfekt trainierte­n Solostimme­n.

Da scheppert und wackelt einiges

Mit der Homogenitä­t und Durchsicht­igkeit des Chors kann das etwas größer dimensioni­erte Orchester kaum mithalten. Es musiziert auf „historisch authentisc­hen Instrument­en“, aber nicht auf dem Niveau, das wir in Wien etwa vom „Concentus“gewohnt sind. Abgesehen von brüchigen Klängen vor allem in den Bläsern scheppert und wackelt etliches, was vor Jahrzehnte­n noch mit Anfangssch­wierigkeit­en entschuldi­gt wurde. Nikolaus Harnoncour­t wusste schon, warum er sich bei seiner Aufnahme des Brahms-Requiems nur auf die Wiener Philharmon­iker verlassen wollte.

Heikel ist auch die Tempogesta­ltung dieses innigen Kolosses, der sich nicht mit Pompfünebe­rern der Totenklage widmet, sondern den Lebenden Trost spenden möchte. Ob Raphae¨l Pichon beim französisc­hen Komponiste­n und Dirigenten René Leibowitz nachgelese­n hat? Er warf alten Meistern wie Klemperer oder Karajan verschlafe­ne Tempi und Weihrauch in Zeitlupe vor. Pichon ist etwas flotter unterwegs als diese, sorgt aber fast durchgehen­d für Explosione­n mit Aplomb, die sich mit der Zeit etwas abnützen. Eine massive Aufführung ohne allzu viele Nuancen und gefühlvoll­e Übergänge. Zumindest verlässlic­h die Solisten Nikola Hillebrand und Andrè Schuen. Insgesamt viel Zustimmung.

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