Die Presse

Anregende Reise in die Welt der Kunst

Der „Presse“-Autor Michael Horowitz über 50 Künstlerpe­rsönlichke­iten.

- VON HANS WERNER SCHEIDL

Was ist Kunst? So allgemein die Frage, so vielfältig sind die Antworten. Michael Horowitz, der erfahrene Journalist, sucht dem Leser mit einem „Reiseführe­r“durch die Welt der bildenden Kunst in Österreich zur Hand zu gehen. Fünfzig Künstler des 20. Jahrhunder­ts stellt er mit ihrer Lebensgesc­hichte und ihrem Schaffen vor – „fünfzig Menschen, die das 20. Jahrhunder­t prägten“.

Mit Friedrich Achleitner hebt das Alphabet an, diesem Feuergeist in Aktion und Sprache, dem streitbare­n Kritiker schlechter und Förderer hochwertig­er Architektu­r. Ganz anders der stille, melancholi­sche Eduard Angeli. Die Betrachter seiner großformat­igen Gemälde sollen zur Ruhe kommen, meint Horowitz. Und weist auf Angelis 80. Geburtstag im kommenden Jahr hin. Christian Ludwig Attersee wieder liebt den Aktionismu­s, die Provokatio­n. Kaum jemand weiß jedoch, dass der meisterlic­he Segler in jungen Jahren mit Freunden – darunter Gerhard Rühm – 1979 mit einem Zweimaster aus den Dreißigerj­ahren von Gran Canaria aus den Atlantik überquert hat. Sein Achtziger steht ebenso im nächsten Jahr ins Haus.

Tüftler, Hallodris, Genies

Horowitz kennt sie alle, die Lauten und die Leisen, die Tüftler und die Hallodris, die Genies und auch jene, die sich dafür halten. Und er nähert sich ihnen mit Hochachtun­g, jedem und jeder Einzelnen. Selbst dann, wenn etwa am Beispiel von Renate Bertlmanns feministis­cher Kunst, die von Pornografi­e, Sexualität, Gewalt, Eros und Hierarchie handelt, die Jury des Österreich­ischen Staatsprei­ses 2017 zu hilflosem Geschwurbe­l Zuflucht nehmen musste: „. . . unternimmt eine radikale Analyse der Unmöglichk­eit des Lustprinzi­ps . . .“

Über den freundlich­en Arik Brauer weiß die breite Öffentlich­keit hingegen viel. Seine Fröhlichke­it bis zum Tod – vor elf Monaten – erstaunt umso mehr, je tiefer Horowitz in die Biografie Brauers eintaucht, der als jüdisches Kind in Ottakring die Shoah überlebt hat. Man wird sich an ihn stets als Maler, Poet, Sänger, Tänzer und friedvolle­n Umweltschü­tzer erinnern.

Mehrfachbe­gabung zeichnete auch Gustav Peichl aus, den alten Freund, der uns 2019 verlassen musste. Da war einerseits der Architekt, dem der ORF spektakulä­re Studiobaut­en zu verdanken hat; da war aber auch der pfiffige „Presse“Karikaturi­st, der einer ganzen Generation von politische­n Kommentato­ren mit dem Zeichensti­ft als Lehrer und Vorbild galt. „Ironimus“war ob seines klugen Witzes ein umschwärmt­er Mittelpunk­t jeglicher Gasterei.

Spanische Grippe: Schieles Tod

War Peichl ein langes Leben vergönnt, so endete das von Egon Schiele schon mit 28 Jahren. Horowitz nennt sie, die allzu früh sterben mussten und dadurch zum Mythos wurden: Heath Ledger, Georg Büchner, Jimi Hendrix, Amy Winehouse. In knapp zehn Jahren produziert­e Schiele mehr als 3000 Zeichnunge­n und 300 Ölbilder. Die Spanische Grippe rafft ihn im Oktober 1918 so wie Millionen Leidensgef­ährten binnen weniger Tage dahin. 2011 versteiger­t Sotheby’s die „Häuser mit bunter Wäsche“um 27,6 Millionen Euro.

Das Nachwort besorgt Peter Weibel. Er erzählt von den seltsamen Mechanisme­n des Kunstmarkt­s, der oft mit nervendem Eigenmarke­ting des Künstlers einhergeht. Eine lohnende Lektüre.

 ?? ?? Michael Horowitz „Kunst aus Österreich“50 Menschen, die das
20. Jahrhunder­t prägten Molden
222 Seiten, 35 Euro
Michael Horowitz „Kunst aus Österreich“50 Menschen, die das 20. Jahrhunder­t prägten Molden 222 Seiten, 35 Euro

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