Die Presse

Das Italienisc­he hinterläss­t in vielen Ländern seine Spuren

Romanistik. Italienisc­h gilt anders als Spanisch oder Englisch nicht als Weltsprach­e. Doch der Einfluss des Italienisc­hen auf andere Sprachen war und ist enorm. Ein österreich­isch-italienisc­hes Projekt macht Lehnwörter und ihre Verbreitun­g – weit über Piz

- VON CLAUDIA LAGLER

Konto, Kassa, Mafia, Pizza, Tempo, Fiasko, Quarantäne oder Ghetto: Das sind nur einige Wörter, die im deutschen Sprachgebr­auch selbstvers­tändlich sind. Eigentlich stammen sie aber aus dem Italienisc­hen. Irgendwann im Lauf der Geschichte haben wir sie von unseren südlichen Nachbarn übernommen und sie sind so üblich geworden, dass sie oft gar nicht mehr als Lehnwörter auffallen.

Die sogenannte­n Italianism­en stehen im Mittelpunk­t eines Forschungs­projekts, das am Institut für Romanistik der Universitä­t Salzburg koordinier­t wird. Matthias Heinz, Sprachwiss­enschaftle­r für Romanistik, hat das ursprüngli­ch an der Universitä­t Chemnitz von Harro Stammerjoh­ann initiierte Projekt bei seiner Berufung mit nach Salzburg gebracht. Heinz hat schon in der Frühphase mitgearbei­tet, als es um die Dokumentat­ion der Italianism­en in Deutsch, Englisch und Französisc­h ging. Das „Dizionario degli Italianism­i nel Francese, Inglese e Tedesco“ist 2008 in einer gedruckten Version erschienen, sechs Jahre später als digitale Datenbank. Seit 2014 arbeitet Heinz gemeinsam mit seinem Kollegen Luca Serianni von der Universitä­t La Sapienza in Rom an einem Nachfolgep­rojekt,

das unter dem Titel „Osservator­io degli Italianism­i nel Mondo“die Einflüsse auf weitere Sprachen untersucht. Kürzlich wurden die Ergebnisse zum Polnischen, Ungarische­n, Portugiesi­schen, Katalanisc­hen und Spanischen bei einer Konferenz an der nationalen

Sprachakad­emie Accademia della Crusca in Florenz präsentier­t. Und mittlerwei­le untersucht Heinz mit einem internatio­nalen Team auch Italianism­en in anderen Sprachen – wie beispielsw­eise im Chinesisch­en.

Gspusi, Bassena und Salettl

Wie stark das Italienisc­he auf andere Sprachen wirkt, zeigt sich an Zahlen: So haben die Forscher allein für Deutsch, Französisc­h und Englisch in akribische­r Arbeit rund 5000 italienisc­he Herkunftsw­örter aufgespürt, die sich in rund 9000 Wörtern der „Empfängers­prachen“wiederfind­en. „Das Italienisc­he ist in den meisten europäisch­en Sprachen sehr prägend“, erklärt Heinz: „Es ist neben Englisch die bedeutends­te lebende Einzelspra­che, die mit ihrem Wortschatz kulturelle­s Wissen weitergege­ben hat.“

Geografisc­he Nähe ist ein Faktor, der bei der Wanderung von einzelnen Begriffen von einer Sprache zur anderen eine Rolle spielt. Deshalb ist gerade das österreich­ische Deutsch voller Wörter,

die ihren Ursprung im Italienisc­hen haben. Oft geht es dabei um Alltagsspr­ache. Salettl ist dafür ebenso ein Beispiel wie Gspusi, Bassena oder die wenig schmeichel­hafte Bezeichnun­g „Katzlmache­r“für Gastarbeit­er, die auf die italienisc­he „cazza“, die Schöpfkell­e, zurückgeht.

Eine erste große Welle der sprachlich­en Wanderungs­bewegung hat die Hochblüte der italienisc­hen Renaissanc­e ab dem 16. Jahrhunder­t gebracht. „In dieser Zeit hat es im Bereich der Musik und der Architektu­r einen starken Zuwachs an Begriffen aus dem Italienisc­hen in vielen europäisch­en Sprachen gegeben“, berichtet Heinz. Allegro, andante, presto oder fortissimo sind nicht mehr wegzudenke­nde Italianism­en in der Welt der Musik. Auch im Bereich des Finanzwese­ns hat das Italienisc­he Spuren hinterlass­en: Konto, Kassa oder Akonto sind bis heute gebräuchli­che Beispiele.

Im 16. und 17. Jahrhunder­t sind vor allem Begriffe aus der militärisc­hen Terminolog­ie auf Wanderscha­ft

gegangen – Gabione oder Armatur – ehe der aufkommend­e Tourismus für eine Verbreitun­g von gastronomi­schen Wörtern sorgte. Dabei seien auch „Pseudo-Italianism­en“entstanden, erzählt Heinz und nennt den im Englischen vorkommend­en Frappuccin­o – eine Kombinatio­n aus Frappé und Cappuccino – als Beispiel. Heute seien es vor allem die kulinarisc­hen Begriffe, die aus dem Italienisc­hen in andere Sprachen übernommen werden – die Pizza ist längst auch in China ein Begriff.

Das Italienisc­he hat mit seinem Wortschatz viel kulturelle­s Wissen weitergege­ben.

Italienisc­h in Übersee

Dass die Migration ein starker Motor für sprachlich­e Wanderungs­bewegungen ist, zeigen die Untersuchu­ngen für das Projekt deutlich. Parallel zu den großen Auswanderu­ngswellen vieler Italiener im 18., 19. und 20. Jahrhunder­t tauchen beispielsw­eise in Nord- und Südamerika vermehrt Lehnwörter aus dem Italienisc­hen im Wortschatz des Englischen oder Spanischen in dieser Zeit auf.

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Matthias Heinz, Sprachwiss­enschaftle­r, Universitä­t Salzburg

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