Das Wiener Zinshaus verschwindet
Mitschuld daran tragen zunehmend Abrisse.
Rund 912.000 Hauptwohnsitzwohnungen gab es 2019 in Wien. Der Anteil an gründerzeitlichen Wohnungen sank unter anderem aufgrund des Neubaubooms in den Stadterweiterungsgebieten – und zwar von 33,1 Prozent (2000) auf 24,1 Prozent. Das spiegelt sich auch in der Abnahme des klassischen Wiener Zinshauses wider: Gab es 2007 noch 17.829 solche Häuser, waren es 2019 nur noch 15.712 – ein Rückgang um knapp zwölf Prozent.
Vor allem Umwandlungen in Eigentumswohnungen und zunehmend Abrisse erklären diese Zahlen, wie ein Team um Robert Musil vom Institut für Stadt und Regionalforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften herausgefunden hat (Urban Studies).
Gentrifizierung überschätzt
„Wir haben erstmals über den gesamten Stadtraum einen Verdrängungsoder Gentrifizierungsindikator als Kriterium herangezogen, konkret den Abriss eines Zinshauses oder dessen Parifizierung“, erklärt Musil.
Fazit: Das Ausmaß an Gentrifizierung, also die Verdrängung ökonomisch schwacher durch wohlhabende Haushalte, wird in Wien überschätzt. Musil gibt das „Gentrifizierungspotenzial“mit rund 30.300 Wohnungen an, die deshalb zwischen 2007 und 2019 verloren gingen. Wenn man das auf den gesamten Wohnungsbestand herunterbricht, sind das lediglich 0,22 Prozent pro Jahr. In einzelnen Grätzeln könne es aufgrund der starken räumlichen Konzentration dennoch einen beträchtlichen Verdrängungsdruck geben, so der Stadtforscher.
Spannend ist, dass es zwar zu einem Anstieg der Akademikerquote kam, sich jedoch kein Effekt auf das Haushaltseinkommen zeigte. Die Gentrifizierungstheorie kann die Probleme auf dem Wohnungsmarkt demnach nicht zufriedenstellend erklären. (APA/cog)