Hefe als umweltfreundliche Alternative zu Soja und Co.
Biotechnologie. Der steigende Fleischhunger der Welt soll die landwirtschaftliche Produktion nicht in Bedrängnis bringen. Boku-Forscher züchten nun Hefe, die sich aus reinem CO2 ernährt und dann als Futtermittel oder Lebensmittel geerntet wird – und als B
Etwa die Hälfte der landwirtschaftlichen Fläche weltweit wird nicht für die menschliche Ernährung genutzt, sondern für Tierfutter. „Einer der großen Punkte in der ganzen CO2-Problematik ist ja unsere momentane Ernährung in der industrialisierten Welt – und die Tatsache, dass auch in Regionen wie China der Fleischkonsum steigt“, sagt Diethard Mattanovich vom Institut für Mikrobiologie und Mikrobielle Biotechnologie der Boku Wien. Wie soll man all den Fleischhunger stillen, ohne zusätzliche Felder dafür zu beackern, damit unsere Fleischlieferanten satt werden? Ein junges Team aus dem Department für Biotechnologie entdeckte einen Lösungsansatz, der die Umwelt in mehrfacher Hinsicht schont.
Thomas Gaßler und Michael Egermeier gelang es, Hefestämme gentechnisch so zu verändern, dass sie sich von reinem CO2 ernähren können. Das könnte den Hunger der Nutztiere in Zukunft über biotechnologische Schritte stillen, und nicht mehr über landwirtschaftliche Flächen. Das Boku-Spin-off CarboFeed wurde von der Forschungsförderungsgesellschaft FFG gefördert und räumt immer mehr Awards ab, wie etwa den Phönix-Gründerpreis 2021.
„Pflanzen nutzen auch CO2, um zu wachsen. Und wir konnten ihren chemischen Weg der Verwertung, den Calvin-Zyklus, in die Hefezellen einbauen“, erklärt Mattanovich. Während Pflanzen als Energieträger das Sonnenlicht verwenden, um CO2 zu fixieren und es in Zucker umzuwandeln, kommt für Hefe chemische Energie zum Einsatz: und zwar der einfachste organische
Alkohol, Methanol. Die Hefestämme, wichtige Proteinquellen für unsere und die Tierernährung, nutzen also beides, CO2 und Methanol als Nahrung: Sie binden das klimaschädliche Gas, um zu wachsen. „Das energiereiche Methanol wird wiederum auch aus CO2 gewonnen: So kann man große Mengen Kohlendioxid in Biomasse verwandeln, die als Futtermittel genutzt wird – oder in Zukunft auch für die menschliche Ernährung“, sagt Mattanovich. Der Proteingehalt der Hefestämme ähnelt stark den bisher üblichen Sojaprodukten in Futter- und Nahrungsmitteln. „Und wir wissen ja, dass der Anbau von Soja nicht nur im Amazonas für Umweltprobleme sorgt“, sagt Mattanovich.
Brauereien als Lieferanten
Sein Team ist nun in einem EU-Konsortium beteiligt, das die gesamte Prozesskette solcher klimafreundlichen Alternativen auslotet. Welche Quellen von CO2 kommen infrage, wie läuft die Reduzierung von CO2 zu Methanol schonend ab, welche Bakterien und Hefen können das gewonnene Methanol ebenfalls zum Aufbau von Biomasse nutzen? Für die erste Frage – die industriellen CO2-Quellen – testen die Boku-Forscher Kooperationen mit Brauereien, bei deren Prozessen viel CO2 anfällt. „Hier müssen wir schauen, ob das rein genug ist oder man eine Aufreinigung zwischenschaltet, bevor die Hefe es als Nahrung nutzen kann“, so Mattanovich. Als Lieferanten kommen neben der Lebensmittelindustrie weitere Branchen infrage, die hohe Mengen an CO2 abgeben, also fossile Kraftwerke, die Zementindustrie oder Biosprit-Produktion.
„All das bringt uns näher ans Ziel, keine zusätzlichen landwirtschaftlichen Flächen zu verbrauchen“, sagt Mattanovich. Er betont, dass die Erzeugung von Futtermittel und Lebensmittel nicht der einzige Lösungsansatz für neue klimafreundliche Produkte ist. Die Plattform kann nämlich auch biobasierte Chemikalien herstellen, also Bausteine für Bioplastik aus CO2 basteln statt aus erdölbasierten Stoffen. „Ein Beispiel ist die Milchsäure, die heute schon vielfach für den Bioplastik-Rohstoff PLA, Polymilchsäure, genutzt wird“, sagt Mattanovich. Während man biologisch hergestellten Kunststoff nicht mit biologisch abbaubarem verwechseln soll, kann PLA beides: Es wird ohne Erdölprodukte gewonnen und ist biologisch abbaubar. „Dieser Zweig ist wichtig, um den Verbrauch von fossilen Ressourcen zu reduzieren. Das kann mit unserer Entwicklung zur einfachen Verwendung von Methanol gut bedient werden“, sagt Mattanovich.