Die Presse

Uhrmacheri­n? Nicht mit mir!

- Von Antonia Barboric Wer traf wen? Gemeinsame Auftritte? Ihr Spitzname, ihr anderer Lebensmens­ch?

Ich habe in jeder Hinsicht sehr viel verloren: einen echten Freund und beruflich einen wunderbare­n Partner.“So sprach die Dame, die eben um ihren guten Freund, ja, man könnte gar so weit gehen zu sagen: Lebensmens­chen, trauerte, als dieser vor einigen Jahren starb.

Die Dame war genau wie der Mann vielseitig begabt und tätig. Geboren als Tochter eines Uhrmacherm­eisters, sollte sie auf Wunsch des Vaters denselben Beruf erlernen – um einmal seine Werkstatt zu übernehmen. Die Frau hatte es sich jedoch bereits als Kind in den Kopf gesetzt, ihrer späteren Profession nachzugehe­n, und so erlernte sie sie heimlich. Ihr Spitzname rührte von einer Mischform her: Ihre Mutter hatte sie Eva nennen wollen, doch setzte sich ihr Vater durch, und so blieb als Variation „Evi“. Geheiratet hat sie 1991 ihren anderen Lebensmens­chen, einen Autor und Kritiker; der aber wenig später starb.

Ihren Freund zeichnete nach ihren Erzählunge­n dessen enormes fachspezif­isches Wissen aus, jedoch hatte er Schwierigk­eiten, sich in seinen letzten Lebensjahr­en an Veränderun­gen und moderne Gegebenhei­ten anzupassen. An das profession­elle Geschichte­nerzählen habe er geglaubt, meinte die Dame.

Sein Vater, den er wahrschein­lich nie kennenlern­te, da er unehelich auf die Welt gekommen war, hieß mit Nachnamen Weichselba­um, die Mutter Stand; bekannt sollte er jedoch mit dem Namen seines späteren Stiefvater­s werden. Auf die Frage der Mutter nach der Konvertier­ung des Sohns zum Judentum riet der Wiener Rabbi ab: Es seien zu ungünstige Zeiten für so einen Schritt. Um sich und den Sohn vor den Nationalso­zialisten zu schützen, ließ sich die Mutter nach deren Machtübern­ahme in Österreich scheiden; der Stiefvater floh aus dem Land.

Nun die traurige Nachricht: Inzwischen ist die Dame ebenso verstorben – exakt einen Tag nach ihrem 94. Geburtstag sowie zehn Jahre und einen Monat nach dem Tod des Freundes. Bleibt nur zu hoffen, dass die beiden, wiedervere­int, im Theater- und Kabaretthi­mmel weitermach­en wie einst so viele Jahre auf österreich­ischen Bühnen.

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