Sternstunde mit Gorillas
sind wir nun mit William unterwegs. Während er den Wagen vorsichtig um die großen Bodenlöcher lenkt, verzieht sich das Morgengrauen, für ein paar Augenblicke schimmert alles blau. Doch im Handumdrehen wird es hell. Senkrecht geht die Sonne auf. Wie aus dem Nichts tritt aus den Wolkenschleiern die geheimnisvolle Berg- und Tallandschaft hervor.
Am Südeingang des Bwindi Impenetrable Nationalparks wartet Miel Mfitumukiza. „Wenn wir Glück haben, sehen wir noch heute Vormittag Gorillas“, hofft der junge Ranger, „das Tracking kann aber viele Stunden dauern“. Für alle Fälle erkunde man am Vorabend die Schlafplätze der pflanzenfressenden Nomaden. „So wissen wir, wo sie am nächsten Morgen starten.“
Die letzten ihrer Art
17 von den 36 Berggorillagruppen in den Bwindi-Wäldern wurden auf diese Weise für touristische Beobachtungen vorbereitet. Das ist rund die Hälfte der 549 Tiere, die im Nationalpark leben. Nur wenig über 1000 sind es insgesamt in der Region, dem letzten Lebensraum der Spezies. Nicht zuletzt durch sanften, stark reglementierten Tourismus, durch dessen Erlös der Schutz hauptsächlich finanziert wird, wächst der Bestand seit Jahren wieder an.
Wir starten. Miel schärft allen noch einmal ein: „Stets ruhig bleiben, nichts essen oder trinken. Keinem Tier zu lang in die Augen schauen, auf keinen Fall Blitzlicht benutzen!“Im Gänsemarsch geht es durch den Dschungel. Vorneweg läuft jemand mit Gewehr – „bloß für den Notfall“. Sollten wir etwa auf einen Waldelefanten stoßen, der sich bedroht fühlt und angreift, reiche ein Schuss ins Leere, um ihn zu vertreiben. Im Unterschied zum Gewehr, das zum Glück die ganze Zeit nur über seiner Schulter hängt, kommt die Machete in der Hand des Nationalparkwächters oft zum Einsatz. Immer wieder kurz und kräftig haut er das lange, breite Messer ins krautige Gestrüpp. Der schmale Trampelpfad ist seit der letzten Tour fast zugewachsen.
Tief im Wald rauscht Miels Funkgerät. „Sie haben sie gefunden“, gibt er die Botschaft freudig weiter und deutet auf den steilen Hang. Von nun an führt der Weg direkt durchs Dickicht und immer nach oben – zu einer siebenköpfigen Gorillagruppe. Auf dem Rwamunyonyi-Hügel erwartet uns der Suchtrupp aus vier Männern. Schweigend zeigt der erste auf die Büsche vor uns. Zweige biegen sich. Es raschelt. Dann, ganz kurz, ein schwarzer Schatten. Der erste Berggorilla! Ein Späher winkt, ihm zu folgen. Nach ein paar Schritten stehen wir auf einer kleinen Lichtung – und mittendrin in einer friedlichen, gemütlichen Gesellschaft wilder Affen. Allesamt sind so vertieft in ihr Blätter-Mahl, dass sie uns gar keine Beachtung schenken.
Frühstück bei Familie Berggorilla
Vater Silberrücken hockt im hohen Gras. Zunächst schaut nur sein Riesenkopf heraus. Schnell schiebt er Blatt für Blatt ins Maul und kaut. Zwei Halbwüchsige sitzen vis-a`-vis. Der eine laust den anderen. Hingebung und Genuss – auf beiden Seiten.
Durch die Zweige über ihnen hangelt sich ein großäugiges Affenkind. Tollpatschig pflückt es das Laub und lutscht daran herum. Seine Mahlzeit ähnelt eher einem Spiel. Zielgerichtet eilt hingegen eine Mutter mit ihrem Baby auf dem Rücken zum nächsten Futterbusch.
Wir folgen ihr – mit Abstand. Dass wir schweigen sollen, ist klar. Denn sprachlos sind wir ohnehin. Die faszinierend schönen Wesen, die uns Menschen in so vielem ähnlich sind, bezaubern mit ihrer Kraft und Sanftmut, ihrem Familiensinn und ihrer Art, sich Sympathie durch körperliche Nähe und Zärtlichkeit zu zeigen.