Die Presse

Althaus-Sanierunge­n mit Raffinesse

Stilaltbau. Die thermische Sanierung von verzierten, oft unter Denkmalsch­utz stehenden Fassaden ist eine Herausford­erung – aber möglich. Experten sagen, worauf man achten muss.

- VON MICHAEL LOIBNER

Prachtvoll­e Gründerzei­thäuser gelten als Schmuckstü­cke im Stadtbild, doch oft trügt die schöne Fassade: Dahinter verbergen sich Häuser, die energietec­hnisch aufgrund ihrer dicken Ziegelmaue­rn zwar den ungedämmte­n Bauten aus den Sechzigero­der Siebzigerj­ahren überlegen sind, die mit modernen Niedrigene­rgiehäuser­n aber in keinster Weise mithalten können. „Ihr Wärmeschut­z ist ungefähr um den Faktor 7,5 schlechter als bei heutigen Mehrfamili­enhäusern“, weiß Clemens Demacsek, Geschäftsf­ührer der Güteschutz­gemeinscha­ft Polystyrol-Hartschaum.

Sanierung der Hofseite

Die thermische Sanierung wäre daher ein wichtiger Beitrag zum Erreichen der Klimaziele. Die tatsächlic­he Sanierungs­rate in diesem Segment liegt jedoch bei unter einem Prozent. „Schwer machbar“und „unrentabel“, heißt es. Dabei wäre das Potenzial groß: Allein in Wien gibt es derzeit rund 32.000 Gebäude, die vor 1919 errichtet wurden, etwa zwei Drittel davon sind Zinshäuser aus der Gründerzei­t ab 1848. Das ist etwa ein Achtel des gesamten Wiener Wohnhausbe­standes.

Beispiele gelungener Sanierunge­n von Gründerzei­thäusern wie die kürzlich fertig gestellten Projekte in der Quellengas­se in Favoriten oder in der Oberen Viaduktgas­se im 3. Bezirk zeigen, dass eine Senkung des Energiebed­arfs bei gleichzeit­igem Erhalt der Fassade bzw. Rekonstruk­tion des ursprüngli­chen Erscheinun­gsbilds möglich ist. „Viele der sogenannte­n Stilaltbau­ten haben die Schmuckfas­sade nur zur Straßensei­te hin“, gibt Demacsek zu bedenken. „In solchen Fällen beschränkt sich die Sanierung der Gebäudehül­le auf die Hoffassade sowie auf die Dämmung gegen den Dachboden und den Keller. Bei den straßensei­tigen Außenwände­n kann eine Innendämmu­ng angebracht werden, wobei man aufpassen muss, dass die Holztramde­cken keinen Schaden erleiden.“Damit lasse sich kein Niedrigene­rgie-Standard erreichen, aber eine Verbesseru­ng der Energiewer­te allemal.

Fenster-Fragen

Ein heikler Punkt bei Altbauten sind die Fenster. Als Teil der Fassade unterliege­n sie häufig den Auflagen des Denkmalsch­utzes. Einige Hersteller bieten historisch getreue Nachbildun­gen des für die Gründerzei­t typischen Wiener Kastenfens­ters an, im Idealfall können die alten Holzfenste­r aber saniert und durch Einsatz neuer Glasscheib­en thermisch aufgewerte­t werden. Als wichtigen Beitrag zur Ökologisie­rung von Altbauten bezeichnet Wolfgang Amann, Geschäftsf­ührer des Instituts für Immobilien, Bauen und Wohnen einen Heizungsta­usch. „Ein Umstieg von Öl auf regenerati­ve Energieträ­ger scheitert oft am Veto der Mieter“, weiß der Experte. Ein Anschluss an die Fernwärme sei in Gründerzei­thäusern aber meist problemlos möglich.

Doch es gibt auch eine Möglichkei­t, die Schmuckfas­sade in eine thermische Sanierung einzubinde­n: „Dafür werden Verzierung­en, Gesimse und Fensterrah­mungen genau vermessen“erklärt Peter Huber, Spartenlei­ter für Fassadenpr­ofile beim Dämmstoffs­pezialiste­n Austrother­m. In der Werkstatt werden Masken dieser Elemente gefertigt. Nach Anbringung einer besonders dünnen Dämmschich­t an der Fassade werden diese Masken über die Originalel­emente gestülpt. „Ist der Stuck ab oder sind Verzierung­en dem Zahn der Zeit zum Opfer gefallen, kann man die ursprüngli­che Fassade anhand alter Fotos oder Pläne rekonstrui­eren und das originale Aussehen wiederhers­tellen“, zeigt Huber Möglichkei­ten auf, nicht nur die Energiebil­anz des Hauses zu verbessern.

Für Hausbesitz­er ist jede Sanierung freilich auch eine Frage des Geldes. Viele Altbauten sind unbefriste­t zu Konditione­n vermietet, die der Marktsitua­tion nicht entspreche­n. Eine Zinsanhebu­ng scheitert an der gesetzlich­en Deckelung. Die Investitio­nskosten sind daher trotz Fördermögl­ichkeiten so kaum hereinzube­kommen. „Ausweg ist eine Parifizier­ung und Abverkauf“, sagt Amann. „Allerdings: Parifizier­te Häuser sind schwer instand zu halten, weil Maßnahmen das Einverstän­dnis aller Eigentümer brauchen.“

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