Mehr Zeit für Reflexion einplanen
Befragung. Der jüngste Hernstein Management Report zeigt: So sehr Flexibilität erwartet wird, so sehr sind Führungskräfte durch die pandemiegetriebenen Veränderungen verunsichert.
Was jetzt notwendig erscheint, ist offenbar eine Mut-Offensive. Denn je höher Führungskräfte angesiedelt sind und je größer ihre Verantwortung, desto höher ist ihre Verunsicherung infolge der Coronapandemie. Im Top-Management sind es 53 Prozent, unter den Unternehmensinhabern 54 Prozent, im unteren bzw. mittleren Management sind es 43 bzw. 41 Prozent. Unter den Frauen ist die Verunsicherung tendenziell höher als bei den Männern der jeweiligen Ebene. Zu diesen Zahlen kommt der jüngste Hernstein Management Report, für den im Sommer knapp 1700 Unternehmer und Führungskräfte im D-A-CH-Raum befragt wurden.
Bemerkenswert ist, dass die Manager meinen, ihre Mitarbeitenden seien noch stärker verunsichert als sie selbst. Das gilt speziell in Dienstleistungsbereich, Tourismus, in der Freizeitindustrie und angesichts fragiler Lieferketten auch im Logistiksektor (56 Prozent). Interessanterweise aber auch in wirtschaftlich weniger betroffenen Branchen wie Immobilienund Bauwesen (54 Prozent).
„Verunsicherung entsteht häufig durch einen Mangel an Kommunikation. Die informellen Kontaktpunkte entfallen in Zeiten der hybriden Zusammenarbeit oft. Gerade sie beinhalten relevante, sicherheitsstiftende Elemente“, sagt Michaela Kreitmayer, Leiterin des Hernstein Instituts. „Führungskräfte haben teilweise einen Informationsvorsprung.“Wissen rasch und adäquat weiterzugeben, sei daher Führungskräften geboten.
Die Divergenz zwischen Selbstbild und Fremdbild gelte es auszugleichen, sagt Kreitmayer. Es helfe, Mitarbeitende als Experten mit unterschiedlichen Stärken zu sehen. „Das Selbst- mit dem Fremdbild abzugleichen, braucht Reflexion und die benötigt Zeit, die man sich leider in herausfordernden Situationen oft nicht nimmt.“
In Summe scheint das Ausmaß der Verunsicherung bedingt durch Veränderungen enorm. Dass Führungskräfte, die generell von Mitarbeitenden teilweise hohe Flexibilität erwarten, Veränderungsavers seien, sieht Kreitmayer nicht. „Derzeit sind wir alle in irgendeiner Form von krisenbedingten Veränderungen betroffen, die für Verunsicherung sorgen.“Das basiere auf neuen Strukturen des Arbeitslebens und der Zusammenarbeit – noch dazu sei derzeit kein Ende der turbulenten Zeiten absehbar.
Wandel optimistisch sehen
„Von Führungskräften wird erwartet, dass sie vordenken und Entscheidungen treffen. In Zeiten von sich permanent verändernden Rahmenbedingungen ist das eine stetige Herausforderung.“Es liege an jedem Einzelnen, möglichst optimistisch mit diesem Wandel umzugehen, sagt Kreitmayer.
Festgestellt werden im Report auch gesundheitliche Folgen infolge der Krise. Im Hinblick auf die mentale Gesundheit ist das Ergebnis eindeutig. 22 Prozent der Befragten meinen voll und ganz, dass mehr seelische Probleme oder Erkrankungen aufgrund der Coronakrise und der nachfolgenden Veränderungen entstehen. Weitere 43 Prozent sind eher dieser Meinung. Was die körperliche Gesundheit betrifft, könnte man im Sportsprech von einem Unentschieden reden: 14 Prozent meinen voll und ganz, dass es mehr körperliche Probleme und Erkrankungen gibt. 16 Prozent sehen diese Tendenz gar nicht.
Unterschiedlich fällt die Meinung der Führungskräfte dazu aus, ob Home-Office der körperlichen Gesundheit förderlich (47 Prozent) oder abträglich (43 Prozent) ist. Bei der mentalen Gesundheit sind 42 Prozent der Ansicht, dass HomeOffice der seelischen Verfassung förderlich ist. 51 Prozent sehen eine negative Wirkung. (mhk)