„Kein normaler Job, das ist Passion“
Porträt. Bei der Führung weder Scheu noch Scheuklappe haben sei entscheidend, sagt Romana Gugenberger, Vorständin für Forschung und Entwicklung beim Biotech-Unternehmen Apeiron.
Es ist das als „Penninger-Medikament“bekannt gewordene Enzym APN01 des Wiener Biotechnologie-Unternehmens Apeiron Biologics, das gerade getestet wird. Schon vor Beginn der Pandemie galt es als eines der aussichtsreichsten Mittel zur Behandlung von Covid-19. Die Phase-1-Tests, in nur vier Wochen aufgesetzt, werden im ersten Quartal 2022 abgeschlossen sein, sagt Romana Gugenberger.
Sie ist seit 2009 für Apeiron Biologics tätig. Das Unternehmen war 2003 von dem mittlerweile in Kanada tätigen Genetiker Josef Penninger mitgegründet worden. Gugenberger war als Projektleiterin eingestiegen, die viel Erfahrung als Universitätsassistentin an der Universität Wien mitgebracht hatte. Sie stieg zur Leiterin der Apeiron-Antikörper-Forschung auf, übernahm bald darauf die gesamte Forschungs- und Entwicklungsabteilung und rückte im Juni als Verantwortliche für diesen Bereich in den Vorstand auf, dem auch Andreas Gerber angehört und dem Peter LlewellynDavies vorsitzt.
Diese Entwicklung des Covid-Medikaments sei deshalb so weit fortgeschritten, weil man viel Unterstützung von den Kliniken bekommen habe, meint Gugenberger. Der Staat hingegen sei nicht zu solchem Commitment bereit.
Biotech-Unternehmen, sagt sie, würden selten ein Produkt auf den Markt bringen, weil spätestens bei den Phase-1-Tests in aller Regel Big-Pharma-Unternehmen einsteigen – auch, um die Finanzierung der teuren Testphasen zu übernehmen. Während BiotechStart-ups gut unterstützt werden, ist bei etablierteren Unternehmen die Finanzierung schwieriger.
Wo Innovation zu Hause ist
„Die Innovation ist in den Biotechs zu Hause“, sagt die 48-Jährige, denn Biotech-Unternehmen würden häufig aus dem akademischen Bereich heraus entstehen, entsprechend gut seien die wissenschaftlichen Grundlagen erforscht. „Big Pharma lässt die Biotechs entwickeln und geht dann dort einkaufen.“Das habe auch damit zu tun, dass Big Pharma ungern Risiko eingehe.
Was ihr an Biotechs gefalle, sei die Unmittelbarkeit. Etwa, dass die Abteilungen nicht isoliert sind wie bei Big Pharma und dass man sehr schnell zu Entscheidungen gelangen könne. So praktiziert sie das auch mit den rund 35 Mitarbeitenden, die Aperion aktuell am Campus des Vienna BioCenter beschäftig, der eine gute Plattform fürs Netzwerken sei.
Diese Form von flacher Hierarchie kennt sie aus ihrer Zeit, als sie im Universitäts-Labor Führungsaufgaben übernommen hatte. Wichtig sei, das persönliche Gespräch zu suchen, die Mitarbeitenden möglichst gut zu kennen, offen zu diskutieren, Konsens zu finden und in der Diskussion die nächsten Schritte festzulegen. „Wer im Team Menschen mit vielen verschiedenen Ausbildungen hat, wird viele Blickwinkel erleben und das ist hilfreich.“Wichtig sei auch, „auszusprechen, wenn man nicht sicher ist, und Expertenmeinungen einzuholen. Weder Scheu noch Scheuklappe haben“, sagt sie.
Und manchmal müsse man Teams auch austauschen, durchmischen, um neue Ideen hereinzuholen. Denn der Druck, kreativ zu bleiben und unternehmerische Inputs zu liefern, sei bei BiotechUnternehmen ungleich größer. Hier gelte noch stärker als sonst in der Life-Sciences-Branche: „Man muss einzigartig sein.“
In die Managementaufgaben, sagt Gugenberger, „wächst man hinein“. Vieles funktioniere über learning by doing. Und manchmal, wie in ihrem Fall etwa bei der Investorensuche, müsse man auch ins kalte Wasser gestupst werden.
Die personelle Situation in der Branche sei jedenfalls gut, sagt Gugenberger. Es gebe ausreichend Absolventen, sowohl Frauen als auch Männer, sie alle seien gut ausgebildet – und daher auch international stark gefragt.
Fünf Hüte aufhaben können
Eine solide naturwissenschaftliche Ausbildung von der HTL-Matura über Medizinisch-Technische Assistenten, Techniker, Boku-, Uniund TU-Absolventen ist gefragt, „am liebsten Leute, die fünf Hüte aufhaben können“, sagt sie. Entscheidend ist, dass die betreffende Person ins Team passt und dass sie einfach und gern in ihren Job hineinwächst und mit ihm wächst. Denn dass eine Person Experte für alle gefragten Bereiche ist, gebe es nicht, „weil wir ja etwas Neues machen“.
Biotech, sagt Gugenberger, verlange Leidenschaft: Es sei immer ein gewisses Risiko in diesem Bereich, weil es immer wieder Unternehmen
gibt, die zusperren müssen oder verkauft werden. „Umgekehrt bist Du bei Entwicklungen hautnah dabei.“Und: „Man bewirkt etwas und kann Passion ausleben.“Noch einmal stärker formuliert: „Das ist kein normaler Job, das ist Passion.“
ZUR PERSON
Romana Gugenberger (48) ist seit 2009 für Apeiron Biologics tätig, seit
Juni ist sie Vorstand für Forschung und Entwicklung. Davor war die promovierte Molekularbiologin in der Unit Reproduktive Biologie an der Medizinischen Universität Wien tätig. Das Wiener Biotech-Unternehmen Apeiron Biologics mit Sitz am Vienna BioCenter konzentriert sich auf die Entwicklung neuartiger Krebsimmuntherapien und Atemwegsbehandlungen sowie auf ein Covid-19Medikament mit dem Wirkstoff APN01.