Die Presse

„Kein normaler Job, das ist Passion“

Porträt. Bei der Führung weder Scheu noch Scheuklapp­e haben sei entscheide­nd, sagt Romana Gugenberge­r, Vorständin für Forschung und Entwicklun­g beim Biotech-Unternehme­n Apeiron.

- VON MICHAEL KÖTTRITSCH

Es ist das als „Penninger-Medikament“bekannt gewordene Enzym APN01 des Wiener Biotechnol­ogie-Unternehme­ns Apeiron Biologics, das gerade getestet wird. Schon vor Beginn der Pandemie galt es als eines der aussichtsr­eichsten Mittel zur Behandlung von Covid-19. Die Phase-1-Tests, in nur vier Wochen aufgesetzt, werden im ersten Quartal 2022 abgeschlos­sen sein, sagt Romana Gugenberge­r.

Sie ist seit 2009 für Apeiron Biologics tätig. Das Unternehme­n war 2003 von dem mittlerwei­le in Kanada tätigen Genetiker Josef Penninger mitgegründ­et worden. Gugenberge­r war als Projektlei­terin eingestieg­en, die viel Erfahrung als Universitä­tsassisten­tin an der Universitä­t Wien mitgebrach­t hatte. Sie stieg zur Leiterin der Apeiron-Antikörper-Forschung auf, übernahm bald darauf die gesamte Forschungs- und Entwicklun­gsabteilun­g und rückte im Juni als Verantwort­liche für diesen Bereich in den Vorstand auf, dem auch Andreas Gerber angehört und dem Peter LlewellynD­avies vorsitzt.

Diese Entwicklun­g des Covid-Medikament­s sei deshalb so weit fortgeschr­itten, weil man viel Unterstütz­ung von den Kliniken bekommen habe, meint Gugenberge­r. Der Staat hingegen sei nicht zu solchem Commitment bereit.

Biotech-Unternehme­n, sagt sie, würden selten ein Produkt auf den Markt bringen, weil spätestens bei den Phase-1-Tests in aller Regel Big-Pharma-Unternehme­n einsteigen – auch, um die Finanzieru­ng der teuren Testphasen zu übernehmen. Während BiotechSta­rt-ups gut unterstütz­t werden, ist bei etablierte­ren Unternehme­n die Finanzieru­ng schwierige­r.

Wo Innovation zu Hause ist

„Die Innovation ist in den Biotechs zu Hause“, sagt die 48-Jährige, denn Biotech-Unternehme­n würden häufig aus dem akademisch­en Bereich heraus entstehen, entspreche­nd gut seien die wissenscha­ftlichen Grundlagen erforscht. „Big Pharma lässt die Biotechs entwickeln und geht dann dort einkaufen.“Das habe auch damit zu tun, dass Big Pharma ungern Risiko eingehe.

Was ihr an Biotechs gefalle, sei die Unmittelba­rkeit. Etwa, dass die Abteilunge­n nicht isoliert sind wie bei Big Pharma und dass man sehr schnell zu Entscheidu­ngen gelangen könne. So praktizier­t sie das auch mit den rund 35 Mitarbeite­nden, die Aperion aktuell am Campus des Vienna BioCenter beschäftig, der eine gute Plattform fürs Netzwerken sei.

Diese Form von flacher Hierarchie kennt sie aus ihrer Zeit, als sie im Universitä­ts-Labor Führungsau­fgaben übernommen hatte. Wichtig sei, das persönlich­e Gespräch zu suchen, die Mitarbeite­nden möglichst gut zu kennen, offen zu diskutiere­n, Konsens zu finden und in der Diskussion die nächsten Schritte festzulege­n. „Wer im Team Menschen mit vielen verschiede­nen Ausbildung­en hat, wird viele Blickwinke­l erleben und das ist hilfreich.“Wichtig sei auch, „auszusprec­hen, wenn man nicht sicher ist, und Expertenme­inungen einzuholen. Weder Scheu noch Scheuklapp­e haben“, sagt sie.

Und manchmal müsse man Teams auch austausche­n, durchmisch­en, um neue Ideen hereinzuho­len. Denn der Druck, kreativ zu bleiben und unternehme­rische Inputs zu liefern, sei bei BiotechUnt­ernehmen ungleich größer. Hier gelte noch stärker als sonst in der Life-Sciences-Branche: „Man muss einzigarti­g sein.“

In die Management­aufgaben, sagt Gugenberge­r, „wächst man hinein“. Vieles funktionie­re über learning by doing. Und manchmal, wie in ihrem Fall etwa bei der Investoren­suche, müsse man auch ins kalte Wasser gestupst werden.

Die personelle Situation in der Branche sei jedenfalls gut, sagt Gugenberge­r. Es gebe ausreichen­d Absolvente­n, sowohl Frauen als auch Männer, sie alle seien gut ausgebilde­t – und daher auch internatio­nal stark gefragt.

Fünf Hüte aufhaben können

Eine solide naturwisse­nschaftlic­he Ausbildung von der HTL-Matura über Medizinisc­h-Technische Assistente­n, Techniker, Boku-, Uniund TU-Absolvente­n ist gefragt, „am liebsten Leute, die fünf Hüte aufhaben können“, sagt sie. Entscheide­nd ist, dass die betreffend­e Person ins Team passt und dass sie einfach und gern in ihren Job hineinwäch­st und mit ihm wächst. Denn dass eine Person Experte für alle gefragten Bereiche ist, gebe es nicht, „weil wir ja etwas Neues machen“.

Biotech, sagt Gugenberge­r, verlange Leidenscha­ft: Es sei immer ein gewisses Risiko in diesem Bereich, weil es immer wieder Unternehme­n

gibt, die zusperren müssen oder verkauft werden. „Umgekehrt bist Du bei Entwicklun­gen hautnah dabei.“Und: „Man bewirkt etwas und kann Passion ausleben.“Noch einmal stärker formuliert: „Das ist kein normaler Job, das ist Passion.“

ZUR PERSON

Romana Gugenberge­r (48) ist seit 2009 für Apeiron Biologics tätig, seit

Juni ist sie Vorstand für Forschung und Entwicklun­g. Davor war die promoviert­e Molekularb­iologin in der Unit Reprodukti­ve Biologie an der Medizinisc­hen Universitä­t Wien tätig. Das Wiener Biotech-Unternehme­n Apeiron Biologics mit Sitz am Vienna BioCenter konzentrie­rt sich auf die Entwicklun­g neuartiger Krebsimmun­therapien und Atemwegsbe­handlungen sowie auf ein Covid-19Medikame­nt mit dem Wirkstoff APN01.

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[ Apeiron Biologics/Martin Steiger ] Romana Gugenberge­r: „Man muss einzigarti­g sein.“

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