Sofia wirft Ankara Einmischung vor
Spannungen mit der Türkei überschatteten die zweite Runde der Präsidentschaftswahl: Die Interimsregierung warf Ankara Wahleinmischung zugunsten von Gerdschikow vor.
Belgrad/Sofia. Die Stichwahl von Bulgariens Präsidentenkür konnte die Bewohner des Balkanstaats kaum elektrisieren. Beim vierten Urnengang des Jahres zeichnete sich am Sonntag eine noch geringere Beteiligung ab als bei der ersten Wahlrunde vor einer Woche, als die Wahlbeteiligung auf den Tiefstwert von 37,5 Prozent gesackt war.
Erste Ergebnisse des Duells zwischen dem favorisierten Amtsinhaber, Rumen Radew, und dem konservativen Außenseiter Anastas Gerdschikow lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor: Der von den Sozialisten (BSP) und den Protestparteien unterstützte Präsident war in der ersten Wahlrunde klar vor seinem von der rechten Gerb-Partei nominierten Herausforderer (22,81 Prozent) gelegen. Doch bei der Stichwahl konnte Gerdschikow auch auf indirekte Unterstützung der Partei der türkischen Minderheit (DPS) zählen.
Tomaten auf Türkei-Botschaft
Überschattet wurde der Urnengang durch bilaterale Spannungen mit der Türkei. Die Radew nahestehende Interimsregierung warf Ankara Wahleinmischung zugunsten von Gerdschikow vor. Anlass ihres Argwohns war die ungewohnt hohe Wahlbeteiligung von in der Türkei lebenden Wahlberechtigten in der ersten Runde: Im Vergleich zu den Parlamentswahlen im Juli stieg die Zahl der in der Türkei abgegebenen Stimmen um über das Dreifache, während die Zahl der türkischstämmigen Wähler in Bulgarien leicht zurückging.
Nachdem Bulgariens Vize-Interimspremier, Bojko Raschkow, der Regierung in Ankara am Donnerstag „Propaganda-Aktionen“und die „Einmischung“in die Präsidentschaftswahlen vorgeworfen hatte, bestellte das türkische Außenministerium den bulgarischen Botschafter ein. Von Demonstranten wurde die türkische Botschaft in Sofia am Wochenende mit Tomaten beworfen. „Die Türkei ist ein illoyaler, unberechenbarer und gefährlicher Nachbar“, war auf den Protestschildern zu lesen. Umgekehrt protestierte Ankara mit einer Protestnote gegen die stundenlangen Zoll- und Einreisekontrollen von aus Istanbul kommenden Reisebusse. Sonntagvormittag blockierten 50 bulgarische Demonstranten aus Protest gegen die Wahltouristen aus der Türkei die Zufahrtsstraße zur Grenze.
Ex-General Radew hatte sich in seiner ersten Amtszeit vor allem als scharfer Kritiker des früheren Gerb-Premiers Bojko Borissow und Unterstützer der Straßenproteste profiliert: Vetternwirtschaft und Mafiamachenschaften warf der Staatschef dabei auch der mit Gerb eng kooperierenden DPS und dem ihr nahestehenden Medienmogul Dejan Peewski vor. Bulgariens Premier-Anwärter Kiril Petkow von der neuen Antikorruptionspartei „Wir setzen den Wandel fort“(PP) sprach sich am Wochenende für die Wahl von Radew aus: Der Präsident sei der Mann, der den Prozess der Veränderung begonnen habe und „sich ohne Furcht all jenen entgegenstellte, die unsere Republik bestehlen“.
Gerb-Chef Borissow warf Radew hingegen nicht nur seine russlandfreundliche Haltung vor, sondern kritisierte auch die Behinderungen der türkischen Wähler.