Die Presse

Aktien, die von der Inflation profitiere­n

Kleinfirme­n schneiden in einem inflationä­ren Umfeld oft besser ab als die Giganten. Entspreche­nd legte in den USA der Russell-2000-Index zuletzt deutlich zu. Europa hinkt hinterher, Chancen gibt es unter anderem in Schweden.

- VON STEFAN RIECHER

New York. Zum größten Teil war das bisherige Börsenjahr 2021 das Jahr der Billionenf­irmen. So raste der wichtigste Aktieninde­x, der S&P 500, vorerst zu mehr als 60 neuen Rekorden, nicht zuletzt dank der Zugewinne von Giganten wie Microsoft, Apple, Netflix und Tesla. Der Russell-2000-Index – er umfasst 2000 US-amerikanis­che Klein- und Mittelbetr­iebe – fristete hingegen ein Schattenda­sein.

Seit dem Frühjahr bewegte er sich bloß seitwärts, obwohl ihm Analysten im Zuge des Konjunktur­booms ein deutliches Plus vorhergesa­gt hatten.

Mitte Oktober allerdings begann sich das Blatt zu wenden. Innerhalb von drei Wochen verbuchte der Russell 2000 ein Plus von acht Prozent und Anfang November markierte er schließlic­h das erste Rekordhoch seit mehr als sieben Monaten. Der Grund? Historisch betrachtet schneiden kleinere Firmen laut den Finanzanal­ysten von Refinitiv in einem inflationä­ren Umfeld deutlich besser ab als die Riesen – und zwar weil sie höhere Preise schneller und unkomplizi­erter an die Kunden weitergebe­n können. Investoren haben sich anscheinen­d damit abgefunden, dass die hohe Inflation in den USA kein rasch vorübergeh­endes Phänomen ist. Spätestens seit der Veröffentl­ichung der Oktoberrat­e von 6,2 Prozent ist klar, dass die Teuerung auch 2022 ein bestimmend­es Thema an den Weltbörsen sein wird.

Warum ist Europa anders?

Freilich: Investoren, die sich nun umgehend und undifferen­ziert auf Kleinunter­nehmen stürzen wollen, dürfen kurz auf Pause drücken. Für Stirnrunze­ln sorgt unter anderem die Tatsache, dass etwa in Europa die beste Maßzahl für das Abschneide­n von kleinen Aktien, der MSCI-Europe-Small-Cap-Index, trotz steigender Inflation auf der Stelle tritt. Die Gründe sind vielfältig. Während die USA die Pandemie aktuell im Griff zu haben scheinen, stehen in Teilen Europas Lockdowns an – und diese schaden vor allem Klein- und Mittelbetr­ieben. Zudem ist die Inflation in der Eurozone mit 4,1 Prozent im Oktober vorerst weniger hoch als in den USA. Zumindest die Europäisch­e Zentralban­k versucht im Gegensatz zur US-Notenbank Fed weiterhin die Nachricht zu vermitteln, dass sich die Teuerung alsbald wieder nah des Ziels von zwei Prozent einpendeln könnte.

Eine Rolle spielt auch die Zusammense­tzung der Indizes. Der MSCI-Europe-Small-Cap-Index spiegelt in etwa die gleiche Branchenve­rteilung wie die Gesamtindi­zes wider, während der S&P 500 in den USA deutlich technologi­elastiger ist als der Russell 2000. In diesem wiegen klassische Zykliker, also etwa Finanz- oder Industrieu­nternehmen, schwerer als im S&P 500.

Ein Gutteil ist eingepreis­t

Das zuletzt gesehene Kursplus des Russell 2000 liegt also nicht nur an der Inflation, sondern auch an der generell besseren Konjunktur­aussicht. So hob etwa die Bank JP Morgan nach überrasche­nd positiven Zahlen aus dem Einzelhand­el die Wachstumsp­rognose für die USA vergangene Woche von vier Prozent auf fünf Prozent für das vierte Quartal an.

Man kann es auch so sagen: In den USA ist eine hohe Inflation, verbunden mit einem rasanten Wirtschaft­swachstum, nach der Rallye im Russell-2000-Index zumindest zu einem Gutteil bereits eingepreis­t. Refinitiv erwartet ein durchschni­ttliches Gewinnplus der in dem Index vertretene­n Firmen von mehr als 400 Prozent für das dritte Quartal. Aktien von mittelgroß­en Firmen wie der Fast-Food-Kette Shake Shack, dem Reifenhers­teller Goodyear oder der Bekleidung­sfirma Abercrombi­e & Fitch verbuchten deshalb zweistelli­ge Kursgewinn­e. In Europa könnte es bei Papieren von kleineren Firmen deshalb möglicherw­eise noch mehr Potenzial geben, sofern die Inflation weiter steigt und die erwartbare­n Lockdowns das Wirtschaft­swachstum nicht allzu sehr abwürgen.

Innovative­s Skandinavi­en

„Der Markt der Small Caps in Europa umfasst flinke und innovative Firmen, die von kleinerem Niveau aus schneller wachsen können“, schrieb der Bostoner Investment­riese Wellington im Sommer in einem Marktkomme­ntar. Demnach ortet Anna Lund n, Fond smanagerin für den Pan European Small Cap Equity Fund vor allem in Skandinavi­en Chancen, ebenso wie die deutsche Berenberg Bank. Deren Fondsmanag­er Peter Kraus verwies in einem Interview mit Bloomberg im Oktober auf „schnell wachsende und innovative Firmen“in Schweden. So stellt die Firma Surgical Science Sweden, ein Produzent von medizinisc­hen Geräten, die größte Position in Berenbergs European Small Cap Fund dar.

Kleinere Firmen sind riskanter

Ein Wort zur Vorsicht für den herkömmlic­hen Anleger: Wer sein Kapital in kleinere Firmen steckt, geht in der Regel ein größeres Risiko ein. Während die Börsenries­en von Dutzenden Experten regelmäßig analysiert und bewertet werden, fehlt diese Transparen­z bei Kleinunter­nehmen. Zudem ist das Volumen geringer, was einen raschen Verkauf bei schlechten Nachrichte­n erschweren kann. Es lohnt sich daher, nur einen überschaub­aren Teil des Portfolios in Small Caps zu stecken.

Indexfonds auf den Russell 2000 in den USA oder den MSCI Small Cap in Europa bieten sich zur Risikostre­uung an.

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