Die Presse

Fahrlehrer müssen Schüler vor deren Übermut schützen

Schadeners­atz. Eine Frau wollte trotz offensicht­licher Probleme die Motorradpr­üfung ablegen. Die Fahrschule ist an ihrem Sturz hauptschul­d.

- VON PHILIP P A ICHIN ER

Schon eineinhalb Jahre hatte eine Frau den Autoführer­schein, bevor sie beschloss, auch eine Lenkberech­tigung für Motorräder (A2) zu erwerben. In den Vorbereitu­ngsstunden war alles gut gegangen, auch die theoretisc­he Prüfung war kein Problem. Doch bei der Prüfung selbst stürzte sie und verletzte sich.

Fragen stellten sich vor allem, weil die Frau die Prüfung auf einem Motorrad ohne Antiblocki­ersystem (ABS) absolviert­e. Während sie in der Ausbildung abgesehen von einer kurzen Ausfahrt nur auf einem Motorrad mit ABS fahren gelernt hatte. Ganz unschuldig war die Frau am Geschehene­n freilich nicht, denn sie wollte trotz der offenkundi­gen Probleme mit ihren Fahrkünste­n unbedingt an diesem Tag zur Prüfung antreten. Aber in welchem Ausmaß musste man der Fahrschule die Verantwort­ung für das Unglück geben? In einem hohen, sagt nun der Oberste Gerichtsho­f (OGH).

Dabei wäre am Prüfungsta­g eigentlich ein Motorrad mit ABS vorhanden gewesen. Doch der Prüfer ließ dieses wegen kleinerer Mängel nicht zu. Der Fahrlehrer und der Prüfer boten der Frau nun an, die Prüfung doch zu verschiebe­n. Aber das wollte diese auf keinen Fall. Nicht optimal war auch, dass die Anwärterin die Prüfung in Jeans absolviere­n wollte, obwohl sie sich in der Fahrschule eine Motorradho­se mit Protektore­n hätte ausleihen können.

Da nützte es auch nichts, dass der Prüfer sie auf mögliche Gefahren wegen ihrer Bekleidung hinwies. Und tatsächlic­h wären die späteren Verletzung­en der Frau unterblieb­en, hätte sie die Motorradho­se als Ausrüstung erwählt. Anderersei­ts gibt es keine spezielle Bekleidung­svorschrif­t bei einer Motorradpr­üfung. Dass die Frau nicht gut unterwegs war, fiel dem Fahrlehrer aber schon beim Einfahren auf. Er machte sie darauf aufmerksam, dass sie beim Kurvenfahr­en nicht bremsen dürfe.

Beim Prüfungste­il mit der sogenannte­n Gefahrenbr­emsung sollte schließlic­h das Unglück geschehen. Aufgabe der Prüfung ist es, auf mindestens 50 km/h zu beschleuni­gen und dann innerhalb von 19 Metern zum Stillstand zu kommen. Die Frau war bereits dreimal gescheiter­t, weil sie zu langsam war. Eigentlich hat man auch nur drei Versuche, aber auf Bitten der Frau hin genehmigte ihr der Prüfer doch noch einen vierten. Die Frau beschleuni­gte nun sogar auf 68 bis 69 km/h, doch bremste sie dann ruckartig mit blockieren­dem Vorderrad. Sie kam zu Sturz und brach sich die Kniescheib­e.

Gar nicht, halb, ein Viertel mitschuld?

Schuld daran sei die Fahrschule allein, befand das Bezirksger­icht Kirchdorf an der Krems. Der Fahrlehrer hätte wegen der „Unsicherhe­iten und Probleme“der Frau und der Verwendung eines anderen Motorrads die Prüfung verschiebe­n oder zumindest rechtzeiti­g abbrechen müssen.

Das Landesgeri­cht Steyr entschied hingegen, dass die Frau zur Hälfte mitschuld an ihrem Unglück sei. Sie hätte das Angebot, die Prüfung zu verschiebe­n, annehmen sollen. Als Inhaberin eines Autoführer­scheins habe sie wissen müssen, dass man ein Fahrzeug nur lenken dürfe, wenn man es beherrsche­n könne.

So streng dürfe man mit der Frau auch wieder nicht sein, meinte schließlic­h der OGH (2 Ob 52/21t). Ja, die Frau war uneinsicht­ig und habe Fehler gemacht. Etwa, dass sie unbedingt einen vierten Versuch wagen wollte, obwohl die ersten drei schon erfolglos waren. Aber die Hauptveran­twortung trage der Fahrlehrer, der die Pflicht habe, seine Fahrschüle­r vor Schaden zu bewahren. Er hätte einschreit­en müssen, befand der OGH. Die Fahrschule ist daher zu drei Viertel an dem Unglück schuld.

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