Fahrlehrer müssen Schüler vor deren Übermut schützen
Schadenersatz. Eine Frau wollte trotz offensichtlicher Probleme die Motorradprüfung ablegen. Die Fahrschule ist an ihrem Sturz hauptschuld.
Schon eineinhalb Jahre hatte eine Frau den Autoführerschein, bevor sie beschloss, auch eine Lenkberechtigung für Motorräder (A2) zu erwerben. In den Vorbereitungsstunden war alles gut gegangen, auch die theoretische Prüfung war kein Problem. Doch bei der Prüfung selbst stürzte sie und verletzte sich.
Fragen stellten sich vor allem, weil die Frau die Prüfung auf einem Motorrad ohne Antiblockiersystem (ABS) absolvierte. Während sie in der Ausbildung abgesehen von einer kurzen Ausfahrt nur auf einem Motorrad mit ABS fahren gelernt hatte. Ganz unschuldig war die Frau am Geschehenen freilich nicht, denn sie wollte trotz der offenkundigen Probleme mit ihren Fahrkünsten unbedingt an diesem Tag zur Prüfung antreten. Aber in welchem Ausmaß musste man der Fahrschule die Verantwortung für das Unglück geben? In einem hohen, sagt nun der Oberste Gerichtshof (OGH).
Dabei wäre am Prüfungstag eigentlich ein Motorrad mit ABS vorhanden gewesen. Doch der Prüfer ließ dieses wegen kleinerer Mängel nicht zu. Der Fahrlehrer und der Prüfer boten der Frau nun an, die Prüfung doch zu verschieben. Aber das wollte diese auf keinen Fall. Nicht optimal war auch, dass die Anwärterin die Prüfung in Jeans absolvieren wollte, obwohl sie sich in der Fahrschule eine Motorradhose mit Protektoren hätte ausleihen können.
Da nützte es auch nichts, dass der Prüfer sie auf mögliche Gefahren wegen ihrer Bekleidung hinwies. Und tatsächlich wären die späteren Verletzungen der Frau unterblieben, hätte sie die Motorradhose als Ausrüstung erwählt. Andererseits gibt es keine spezielle Bekleidungsvorschrift bei einer Motorradprüfung. Dass die Frau nicht gut unterwegs war, fiel dem Fahrlehrer aber schon beim Einfahren auf. Er machte sie darauf aufmerksam, dass sie beim Kurvenfahren nicht bremsen dürfe.
Beim Prüfungsteil mit der sogenannten Gefahrenbremsung sollte schließlich das Unglück geschehen. Aufgabe der Prüfung ist es, auf mindestens 50 km/h zu beschleunigen und dann innerhalb von 19 Metern zum Stillstand zu kommen. Die Frau war bereits dreimal gescheitert, weil sie zu langsam war. Eigentlich hat man auch nur drei Versuche, aber auf Bitten der Frau hin genehmigte ihr der Prüfer doch noch einen vierten. Die Frau beschleunigte nun sogar auf 68 bis 69 km/h, doch bremste sie dann ruckartig mit blockierendem Vorderrad. Sie kam zu Sturz und brach sich die Kniescheibe.
Gar nicht, halb, ein Viertel mitschuld?
Schuld daran sei die Fahrschule allein, befand das Bezirksgericht Kirchdorf an der Krems. Der Fahrlehrer hätte wegen der „Unsicherheiten und Probleme“der Frau und der Verwendung eines anderen Motorrads die Prüfung verschieben oder zumindest rechtzeitig abbrechen müssen.
Das Landesgericht Steyr entschied hingegen, dass die Frau zur Hälfte mitschuld an ihrem Unglück sei. Sie hätte das Angebot, die Prüfung zu verschieben, annehmen sollen. Als Inhaberin eines Autoführerscheins habe sie wissen müssen, dass man ein Fahrzeug nur lenken dürfe, wenn man es beherrschen könne.
So streng dürfe man mit der Frau auch wieder nicht sein, meinte schließlich der OGH (2 Ob 52/21t). Ja, die Frau war uneinsichtig und habe Fehler gemacht. Etwa, dass sie unbedingt einen vierten Versuch wagen wollte, obwohl die ersten drei schon erfolglos waren. Aber die Hauptverantwortung trage der Fahrlehrer, der die Pflicht habe, seine Fahrschüler vor Schaden zu bewahren. Er hätte einschreiten müssen, befand der OGH. Die Fahrschule ist daher zu drei Viertel an dem Unglück schuld.