Baristas mit Fluchtgeschichte Lokal.
Das Baharat in Wien-Mariahilf ist Caf , Friseur, Upcyclingwerkstatt und Änderungsschneiderei. Und Trainingsstätte für subsidiär Schutzberechtigte.
Kreative Lösungen waren in den vergangenen Monaten immer wieder nötig. Weil man keinen Webshop im Internet hat, konnte man etwa während der vergangenen Lockdowns kein „Click & Collect“machen – also erfand man im Baharat einfach „Tip & Collect“: „Die Leute haben an die Scheibe geklopft und gezeigt, was sie gern hätten, und wir haben es ihnen dann durch die Tür verkauft.“
Christina Schilling wirkt nicht wie jemand, den eine Pandemie aus der Ruhe bringen könnte. Schon wieder ein Lockdown? Naja, man wird sich etwas ein fallen lassen. So wie auch in den vergangenen Monaten, als das gemeinnützige Projekt immer wieder geschlossen halten musste. Projekt, das ist der Überbegriff für eine Mischung aus Caf , Friseur, Änderungsschneiderei und Upcyclingwerkstatt, die Anfang 2019 in der Wiener Gumpendorfer Straße an den Start ging. Und die im Hintergrund eigentlich eine Trainingseinrichtung für subsidiär Schutzberechtigte ist.
„Flüchtlinge können viel“
Die Idee entstand um die Flüchtlingswelle 2015, als das Wiener Hilfswerk die Betreuung zahlreicher Menschen übernahm. „Die können viel“, meint die Einrichtungsleiterin, „aber sie dürfen nicht.“Friseure, Schneider, viele andere Berufe – untereinander konnte man sich unterstützen, aber offiziell durften sie ihre Dienste niemandem anbieten. Es wäre doch schön, so die Idee beim Hilfswerk, wenn man ihnen das ermöglichen könnte.
Als man 2017 das Haus Awat im Herzen von Mariahilf eröffnete, in dem Menschen in Grundversorgung betreut werden und anerkannte Flüchtlinge wohnen können, schielte man auch schon auf das Geschäftslokal im Erdgeschoß. Und richtete dann eben hier das Baharat ein. Für Besucher wirkt es wie ein typischer Mariahilfer Hipsterladen, in dem es neben ein em Caf halt noch ein paar andere Dinge gibt. Im Hintergrund machen aber genau in dieser Umgebung einige Menschen eine Ausbildung.
„Der Startschuss war ein zwölfwöchiger Baristakurs“, erzählt Schilling. Beim Upcycling werden unter anderem Taschen aus alten Kaffeesäcken gefertigt und alte Möbel restauriert. Daneben geht es in den vom AMS geförderten Kursen aber auch um Selbstermächtigung – die Gebietsbetreuung gibt Einschulungen in Mietrecht, aber es werden auch diverse Märchen aufgebrochen, die in der Community kursieren. „Etwa die Vorstellung, dass jeder so einfach eine Gemeindewohnung bekommt.“Und nicht zuletzt sollen die Teilnehmer die Sprache, die sie in Deutschkursen lernen, im Umgang mit den Kunden auch gleich praktisch anwenden, „also sich auch mit Wienern unterhalten können, die nicht nach der Schrift sprechen“.
Dazu gehört auch, dass sich das Lokal mit der großen Glasfront als Veranstaltungsort präsentiert. Immer wieder fanden hier Lesungen oder Diskussionen statt. Zuletzt stellte etwa „Falter“-Redakteur Benedikt Narodoslawsky hier sein Buch über die „Fridays for Future“-Bewegung vor. Am 1. Dezember wäre auch eine Vernissage geplant gewesen, bei der Bilder von zwölf Künstlern vorgestellt und der dazugehörige Kalender gegen Spenden angeboten werden sollte. Allein, diese Veranstaltung hat man in Erwartung des drohenden Lockdowns schon vor einigen Tagen abgesagt. „Möglich“, meint Schill ing, „dass sie virtuell stattfindet.“Aber natürlich ist das nicht dasselbe.
Kurse im Lockdown ohne Gäste
Finanziell werden die nächsten Wochen wohl schwierig. Denn schon allein durch die 2-G-Regel habe man rund die Hälfte des Umsatzes im Caf´ eingebüßt. Und natürlich fallen nun auch die Kontaktmöglichkeiten für die Trainingsteilnehmer weg. „Die Kurse werden aber weitergehen“, meint die Leiterin. „Nur halt ohne Gäste.“