,, True Crime"im Weinviertel
Uraufführung. „Der Fall Julia K.“im Volkstheater in den Bezirken. Felix Hafner ist eine ziemlich spannende Inszenierung gelungen, das Ensemble betrieb mit Eifer Aufklärung.
in Mädchen verschwindet. Spurlos. Zum letzten Mal wurde Julia K. 2006 in Pulkau im Weinviertel gesehen. 2011 findet man in einem Nachbarort ihre Knochenreste in einem Erdkeller. Dessen Besitzer, Michael K., ein Mann von üblem Ruf, der in Pulkau eine Videothek betrieb, wird zum Hauptverdächtigen. 2013 erklären ihn die Geschworenen aufgrund geringer Indizien für schuldig. Lebenslange Haft. Geständig ist er nicht. Noch 2018 erhebt er Einspruch gegen das Urteil. Abgewiesen.
„Case closed“, wie man in US-Serien sagt? Nicht für das von Calle Fuhr geleitete Volkstheater in den Bezirken: Am Freitag wurde „Der Fall Julia K. Ein Stück True Crime“im VZ Brigittenau uraufgeführt. Erarbeitet hat dieses Doku-Drama das Institut für Medien, Politik und Theater, Felix Hafner führte Regie. Auf die Tournee durch die Bezirke muss nun wegen des Lockdowns unbestimmt lang gewartet werden. Die Premiere zeigte: Theater mit Realitätsbezug, voll Eifer betrieben, kann ziemlich spannend sein. Fürs Volkstheater ist es jedenfalls eine Wohltat, selbst wenn manche politische Polemik an dem Abend ein wenig überzogen und an den Haaren herbeigezogen wirkte. (Die Schlagworte Niederösterreich und ÖVP gen ügen offenbar, um sofort an Verschwörung zu glauben.) Man sieht ein Lehrstück mit missionarischem Charakter.
Das Konzept ist einfach und einleuchten, so wie das Bühnenbild von Camilla Hägebarth: eine Rückwand, an der lin ks VHSKassetten aufgestapelt sind, in der Mitte ein
Rauchglasfenster , hinter dem sich der Raum für Verhöre befindet, rechts davon türmen sich Akten zu dem Fall. Links und rechts Vorhänge, die ein „Porno-Kammerl“(Sex, Drogen und böse Gerüchte) verdecken und für Abgänge dienen. Die Darsteller treten auf, schnappen sich Ordner, lesen, trinken Kaffee, gruppieren Plastikstühle um, rollen den Fall neu auf. Sie wechseln sich als Geschworene, Zeugen und anderswie mit dem Prozess Befasste ständig ab.
Der ideale Verdächtige für ein Vorurteil
Claudio Gatzke spielt den idealen Verdächtigen, fahrig und hoch nervös. So einem begegnet man wahrscheinlich am besten mit Vorsicht, selbst im Mitleid. Sebastian Klein agiert vor allem als engagierter Erzähler. Wenn er Prozesse mit Geschworenen infrage stellt, indem er aus deren kurzer Einschulung durchs Gericht zitiert, glaubt man ihm gern, dass solch ein System absurde Züge hat und oft der Zufall regiert. Veronika Glatzner versteht es, mit kurzen Zwischenbemerkungen Zweifel zu säen. Sie gibt gekonnt auch die Überforderte. Claudia Sabitzer würzt ihre Rolle mit Bösartigkeiten – so verbreitet man wahrscheinlich im Dorf ganz nebenbei gezielt Gerüchte. Iman Tekle wirkt authentisch, wenn sie Idealismus versprüht. Ihr Vortrag über Femizide ist packend.
An diesem Abend wird nämlich nicht nur „True Crime“gespielt, sondern zugleich die Gewalt gegen Frauen, das Starre am Rechtssystem und der Filz der Politik thematisiert. Das ist ein bisschen viel an Reformbedarf, man droht sich am Ende zu verzetteln. Gut, dass die Regie die Aufführung aufeinei nhalb Stunden beschränkt hat. Den Aktenbergen nach zu schließen und bei dem Engagement des Ensembles hätte man die Causa K. noch stundenlang umkreisen können – ohne zu einem Schluss zu kommen.