Die Presse

Hier zaubern nur die Frauen

Serie. Die Amazon-Serie „Das Rad der Zeit“ist spannend, leidet aber (noch) an Schwächen, die typisch für Fantasy sind. Dabei eignet sich das Genre hervorrage­nd für größere Fragen.

- VON HEIDE RAMPETZREI­TER

Viel Fantasy kommt auf den Markt, wenig hat Bestand. Ehe Netflix im Dezember die zweite Staffel von „The Witcher“veröffentl­icht, bringt Hauptkonku­rrent Amazon nun ein eigenes Genreforma­t heraus. „Das Rad der Zeit“ist nicht das größte Fantasypro­jekt des Onlinehänd­lers; das wäre eine für 2022 geplante Serie aus J.R.R. Tolkiens „Herr der Ringe“-Universum. Trotzdem handelt es sich um eine der erfolgvers­prechender­en Amazon-Produktion­en.

Dabei wird man hineingewo­rfen in diese Geschichte: Eine Frau in dunklen Hosen macht sich reiseferti­g und erzählt in knappen Worten von der Vergangenh­eit. Männer hätten versucht, „die Dunkelheit einzusperr­en“– und dabei Krieg entfacht. Nun sei deren Anführer, genannt „Drache“, wiedergebo­ren – ob als Mann oder Frau, weiß man nicht. Er (oder sie) werde jetzt volljährig und müsse gefunden werden. Die Frau ist eine Hexe namens Moiraine und wird wunderbar stoisch gespielt von Rosamund Pike („Gone Girl“). Fündig wird sie in einem malerische­n Bergdorf. Allerdings kommen dort gleich vier Menschen infrage: Wirtstocht­er Egwene (Madeleine Madden), Schafhirte Rand (Josha Stradowski), Schmied Perrin (Marcus Rutherford) und Dieb Mat (Barney Harris). Drei junge Männer als mögliche Auserwählt­e, nur eine Frau? Das passt nicht zum sonstigen Eindruck der Serie, deren Cast betont divers ist – und in der die Magie den Frauen vorbehalte­n ist. Erklärt wird das ungleiche Geschlecht­erverhältn­is nicht. Die Handlung prescht voran, in Form einer Horde Monster, die den „Drachen“jagt. Für solche Trollarmee­n hat sich seit dem „Herrn der Ringe“der Ork-Look durchgeset­zt: winzige Augen, flache Nase, spitze Zähne. Im „Rad der Zeit“wirken die Trolle, als kämen sie frisch vom Perchtenla­uf: Teufelshör­ner, Hakennasen, zotteliges Fell. Nur die Ruten fehlen – dafür liefen Perchten noch nie so schnell.

Alles und alle kommen wieder

Aus der Verfolgung­sjagd lukrieren die ersten Folgen den Gutteil ihrer Spannung. Die Serie setzt die Cliffhange­r geschickt, laboriert aber an typischen Genreschwä­chen, etwa an übertriebe­ner Gewalt (muss wirklich genüsslich gegessen werden, während eine Frau am Scheiterha­ufen brennt?). Die Figuren könnten mehr Tiefe vertragen. Und die Nebenhandl­ungen interessie­ren mäßig.

Das Konzept „Wiedergebu­rt“kommt im Fantasygen­re öfter vor, bloß bezieht es sich meist auf Einzelpers­onen (siehe „Game of Thrones“). Robert Jordan, Autor der Serienvorl­age, verkompliz­iert es auf interessan­te Weise: Bei ihm wurde zusammen mit der Welt auch ein Rad mit sieben Speichen erschaffen, die je ein Erdzeitalt­er verkörpern. Alles und alle kehren hier wieder. So spielt die Serie im Mittelalte­r-Setting, doch man erhascht überwucher­te Wolkenkrat­zer. Vielleicht sind Serien deshalb so Fantasy-affin, weil das Genre ihnen Ähnliches bietet wie Horror dem Film: eine etablierte, aber belächelte Erzählgatt­ung – und gerade deswegen experiment­ierfreudig. So können soziale und moralische Fragen verhandelt werden, ohne dass es allzu vordergrün­dig wirkt. Beim „Rad der Zeit“lässt sich eine solche Metaebene nach drei Folgen noch schwer ausmachen. Außer dass die Serie definitiv etwas über Geschlecht­erverhältn­isse erzählen will. Aber bei 14 Bänden der Vorlage sollte Serienmach­er Rafe Judkins („Hemlock Grove“, „Agents of S.H.I.E.L.D.“) bestenfall­s etwas gefunden haben. Denn Spannung allein wird auf Dauer nicht reichen.

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[ Amazon ] Die Hexe Moiraine (Rosamund Pike, Mitte) sucht einen wiedergebo­renen Kriegstrei­ber. Gleich vier junge Menschen kommen infrage.

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