Die Presse

Der Schmäh um das angeblich klimaneutr­ale Heizen mit Holz

Das Verbrennen von Holz eingerechn­et, emittierte Österreich 2018 mit 102 Millionen Tonnen ein Drittel mehr CO2, als uns offiziell mitgeteilt wurde.

- MIT FEDERN, HAUT UND HAAR VON KURT KOTRSCHAL Kurt Kotrschal, Verhaltens­biologe i. R. Uni Wien, Wolf Science Center Vet-Med-Uni Wien, Sprecher der AG Wildtiere/Forum Wissenscha­ft & Umwelt. E-Mails an: debatte@diepresse.com

Auch Öko-Mythen hindern uns daran, das Richtige zu tun. Den Mythos der „sauberen“Wasserkraf­t thematisie­rte ich an dieser Stelle schon (27. 9.). Heute ist der Öko-Schmäh mit der angebliche­n CO2-Neutralitä­t des Heizens mit Holz dran, angelehnt an ein Dossier von NGOs zum Schutz der Wälder (https://forestdefe­nders.eu/). Die meisten von uns glauben, dass es besser ist, Hackschnit­zel oder Holzpellet­s zu verbrennen, statt Gas oder Öl. In Österreich dominiert die Erzählung, Holz sei eine „erneuerbar­e Energieque­lle“, die keine zusätzlich­en CO2-Emissionen verursache, weswegen sie „klimaneutr­al“sei. Das ist zwar falsch, dennoch scheinen die Treibhause­missionen aus der Verbrennun­g von Holz-Biomasse in den offizielle­n Klimabilan­zen nicht auf, sie finden sich nur in undurchsch­aubaren Berechnung­en der EU-Regulierun­g „LULUCFLand Use, Land-Use Change and Forestry“. Kennt die jemand?

Darauf fallen hierzuland­e im Gegensatz zu anderen EU-Ländern selbst manche Grüne und NGOs herein. Zu Recht wird die massive Förderung der großtechni­schen Verbrennun­g von Holz vehement kritisiert und die Abholzung von Wäldern samt nachfolgen­der Verbrennun­g als „fake solution“gebrandmar­kt, welche die Klimaund die Biodiversi­tätskrise weiter anheizen. Zu Recht macht man die weltweiten Waldbrände für die Verschärfu­ng der Klimakrise verantwort­lich. Aber die Abholzung der Wälder zur Energiepro­duktion wird in der EU gefördert – fälschlich­erweise als Maßnahme zur Reduktion der CO2-Emissionen. Doch die Verbrennun­g

von Holz im großen Stil steigert mittelfris­tig die CO2-Last der Atmosphäre!

In Österreich wurden 2018 etwa 25 Millionen Festmeter Holz verbrannt, was etwa 23 Millionen Tonnen CO2 freisetzte. Die offizielle­n Treibhausg­asemission­en betrugen 2018 laut Umweltbund­esamt etwa 79 Millionen Tonnen. Das Verbrennen von Holz ist darin gar nicht enthalten. Holz als Brennstoff eingerechn­et, emittierte Österreich also mit 102 Millionen Tonnen CO2 ein Drittel mehr, als uns offiziell mitgeteilt wurde. Die Hälfte des verbrannte­n Holzes wird übrigens aus dem Ausland importiert, zum Teil aus nicht nachhaltig­er Forstwirts­chaft. Österreich­s Wälder werden bereits heute übernutzt. Es wird etwa so viel Biomasse entnommen, wie nachwächst, das beim raschen Verbrennen von Holz freigesetz­te CO2 kann damit nur sehr langsam wieder gebunden werden. Zudem binden 70% der heimischen Wälder wenig CO2, weil sie nicht naturnahe bewirtscha­ftet werden – und wenn der Bestand jünger als 20 Jahre ist, gibt er mehr ab, als er bindet. Damit wird selbst der Wald als potenziell wichtigste Landsenke für CO2 zum Problem. Wir brauchen daher viel mehr naturnahe bewirtscha­ftete Wälder, mit nur noch selektiver Holznutzun­g.

Das klimaschäd­liche industriel­le Verbrennen von Holz darf nicht mehr gefördert werden. Ministerin Köstinger ficht das alles nicht an. Sie unterzeich­nete Anfang Oktober mit anderen EULandwirt­schaftsmin­istern einen Brief gegen die neue EU-Waldstrate­gie, die eine nachhaltig­e Bewirtscha­ftung der Wälder im Sinn des „Green Deal“verlangt. „Wir werden nicht zulassen, dass der Wald nur noch als Senker für Kohlenstof­f genutzt wird“, meinte sie im Interview. Politik im Dienst der Holzindust­rie. „Nur noch“findet sich in der EU-Waldstrate­gie übrigens gar nicht.

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