Das britische Omikron-Treibhaus
Großbritannien. Das Land verzeichnet die höchsten Fallzahlen seit Beginn der Pandemie. Am meisten ist die Hauptstadt betroffen, wo sich vor den Impfstationen Warteschlangen bilden.
London. Die Omikron-Welle schwappt derzeit mit atemberaubender Geschwindigkeit über Großbritannien. Am Mittwoch wurde mit knapp 79.000 CovidFällen der bisherige Rekord an Neuinfektionen erreicht, noch nie seit Beginn der Pandemie sind so viele Erkrankungen an einem Tag gemeldet worden.
Jenny Harries, die Vorsitzende der Gesundheitsbehörde UK Health Security Agency, sagte: „Verglichen mit der Zuwachsrate, die wir bei früheren Varianten erlebt haben, werden die Zahlen in den kommenden Tagen überwältigend sein.“Sie bezeichnete Omikron als die „wahrscheinlich größte Gefahr seit Beginn der Pandemie“.
In den meisten Regionen Großbritanniens verdoppelt sich die Zahl der Omikron-Fälle derzeit innerhalb von weniger als zwei Tagen. Experten schätzen, dass die wirkliche Zahl der Neuinfektionen rund vier Mal so hoch liegt wie die offizielle Statistik – also über 300.000 pro Tag. London ist das Epizentrum, hier ist die Variante bereits dominant geworden.
Die Hauptstadt als Hotspot
Das ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass der Impfschutz in manchen Stadtteilen vergleichbar gering ist: Im Bezirk Camden beispielsweise haben 30 Prozent der Bevölkerung überhaupt keine Impfung erhalten; besonders in ärmeren Quartieren lassen sich weniger Leute impfen als anderswo.
Zudem ist London mit seinen fünf internationalen Flughäfen ein wichtiger Transport-Hub, und die Metropole ist in vielen Bezirken dicht besiedelt – laut Azeem Majeed vom Imperial College London sind beides Gründe, weshalb Omikron gerade in der Hauptstadt so stark um sich greift.
Auch steigt die Zahl der Hospitalisierungen langsam an. Am Mittwoch wurden rund 850 Patientinnen und Patienten mit Covid ins Krankenhaus eingeliefert. Laut Chris Whitty, dem medizinischen Chefberater der Regierung, ist infolge
der Omikron-Welle mit einem „bedeutenden Anstieg“der Hospitalisierungen zu rechnen. Wie schlimm die Krise in den Krankenhäusern sein wird, sei allerdings schwierig abzuschätzen, sagte Whitty: Man wisse noch nicht, wie sich die Impfungen und frühere Ansteckung auf den Verlauf der Pandemie auswirken werden.
Wie gefährlich ist die Variante?
„Es gibt mehrere Dinge, die wir (über Omikron, Anm.) nicht wissen, aber alles, was wir wissen, ist schlecht“, sagte Whitty in einer Pressekonferenz am Mittwoch. Die Erfahrungen in Südafrika haben manche Experten hoffen lassen, dass Omikron eine mildere Erkrankung verursacht als Delta – aber noch fehlen handfeste Daten. David Nabarro von der Weltgesundheitsorganisation warnte, dass es noch zu früh sei, um davon auszugehen, dass Omikron weniger gefährlich sei.
Berater Whitty sagte, dass das Auffrischungs-Impfprogramm absolut prioritär sei, um die Welle zu
brechen. Bislang haben rund 30 Millionen Britinnen und Briten ihren Booster erhalten, bis Ende Dezember sollen alle, die wollen, zum dritten Mal gepikst werden. Laut ersten Studien schützen drei Dosen zu rund 70 Prozent gegen Erkrankung durch Omikron – aber die Sorge ist, dass sich die Wirkung zu spät einstellt, um einen rapiden Anstieg der Omikron-Fälle zu verhindern.
So warnte Whitty denn auch, dass mehr nötig sein werde: Er forderte die Briten auf, über Weihnachten
AUF EINEN BLICK
Rasanter Anstieg. Derzeit wandern die Blicke von Virologen und der besorgten Öffentlichkeit nach Großbritannien, weil sich dort die Omikron-Variante des Coronavirus früh und rasch verbreitet. Dort bestätigt sich die hohe Infektiosität der Mutante: In den meisten Regionen Großbritanniens verdoppelt sich die Zahl der Omikron-Fälle derzeit innerhalb von weniger als zwei Tagen. Am Mittwoch wurden 79.000 neue Corona-Infektionen gemeldet – die Dunkelziffer könnte aber vier Mal so hoch sein, warnen Experten.
ihre sozialen Kontakte so gut wie möglich zu begrenzen: „Trefft euch nicht mit Leuten, wenn ihr nicht müsst.“Die Queen ist bereits mit gutem Beispiel vorangegangen und hat ihre vorweihnachtliche Familienparty abgeblasen. Premierminister Boris Johnson hat hingegen der Aufforderung seines Beraters widersprochen; zwar mahnte auch er zur Vorsicht, versichert aber: „Wir werden keine Partys verbieten.“
Tory-Aufstand gegen Premier
Johnson ist noch gezeichnet von einer Rebellion im Unterhaus, die er am Dienstag erlitt. Dutzende Tory-Hinterbänkler stimmten gegen verschärfte Maßnahmen wie Maskentragen und Covid-Pässe. Die Vorlage ist dank der Unterstützung der Opposition dennoch angenommen worden.
Der Premier will jedenfalls seine Fraktion mit zusätzlichen Verschärfungen nicht weiter vor den Kopf stoßen. Wenn die OmikronFlut allerdings so schlimm werden wird, wie erwartet, dann könnte ihm nichts anderes übrig bleiben.