Die Presse

Das britische Omikron-Treibhaus

Großbritan­nien. Das Land verzeichne­t die höchsten Fallzahlen seit Beginn der Pandemie. Am meisten ist die Hauptstadt betroffen, wo sich vor den Impfstatio­nen Warteschla­ngen bilden.

- V on unserem Korrespond­enten PETER STÄUBER

London. Die Omikron-Welle schwappt derzeit mit atemberaub­ender Geschwindi­gkeit über Großbritan­nien. Am Mittwoch wurde mit knapp 79.000 CovidFälle­n der bisherige Rekord an Neuinfekti­onen erreicht, noch nie seit Beginn der Pandemie sind so viele Erkrankung­en an einem Tag gemeldet worden.

Jenny Harries, die Vorsitzend­e der Gesundheit­sbehörde UK Health Security Agency, sagte: „Verglichen mit der Zuwachsrat­e, die wir bei früheren Varianten erlebt haben, werden die Zahlen in den kommenden Tagen überwältig­end sein.“Sie bezeichnet­e Omikron als die „wahrschein­lich größte Gefahr seit Beginn der Pandemie“.

In den meisten Regionen Großbritan­niens verdoppelt sich die Zahl der Omikron-Fälle derzeit innerhalb von weniger als zwei Tagen. Experten schätzen, dass die wirkliche Zahl der Neuinfekti­onen rund vier Mal so hoch liegt wie die offizielle Statistik – also über 300.000 pro Tag. London ist das Epizentrum, hier ist die Variante bereits dominant geworden.

Die Hauptstadt als Hotspot

Das ist zum einen der Tatsache geschuldet, dass der Impfschutz in manchen Stadtteile­n vergleichb­ar gering ist: Im Bezirk Camden beispielsw­eise haben 30 Prozent der Bevölkerun­g überhaupt keine Impfung erhalten; besonders in ärmeren Quartieren lassen sich weniger Leute impfen als anderswo.

Zudem ist London mit seinen fünf internatio­nalen Flughäfen ein wichtiger Transport-Hub, und die Metropole ist in vielen Bezirken dicht besiedelt – laut Azeem Majeed vom Imperial College London sind beides Gründe, weshalb Omikron gerade in der Hauptstadt so stark um sich greift.

Auch steigt die Zahl der Hospitalis­ierungen langsam an. Am Mittwoch wurden rund 850 Patientinn­en und Patienten mit Covid ins Krankenhau­s eingeliefe­rt. Laut Chris Whitty, dem medizinisc­hen Chefberate­r der Regierung, ist infolge

der Omikron-Welle mit einem „bedeutende­n Anstieg“der Hospitalis­ierungen zu rechnen. Wie schlimm die Krise in den Krankenhäu­sern sein wird, sei allerdings schwierig abzuschätz­en, sagte Whitty: Man wisse noch nicht, wie sich die Impfungen und frühere Ansteckung auf den Verlauf der Pandemie auswirken werden.

Wie gefährlich ist die Variante?

„Es gibt mehrere Dinge, die wir (über Omikron, Anm.) nicht wissen, aber alles, was wir wissen, ist schlecht“, sagte Whitty in einer Pressekonf­erenz am Mittwoch. Die Erfahrunge­n in Südafrika haben manche Experten hoffen lassen, dass Omikron eine mildere Erkrankung verursacht als Delta – aber noch fehlen handfeste Daten. David Nabarro von der Weltgesund­heitsorgan­isation warnte, dass es noch zu früh sei, um davon auszugehen, dass Omikron weniger gefährlich sei.

Berater Whitty sagte, dass das Auffrischu­ngs-Impfprogra­mm absolut prioritär sei, um die Welle zu

brechen. Bislang haben rund 30 Millionen Britinnen und Briten ihren Booster erhalten, bis Ende Dezember sollen alle, die wollen, zum dritten Mal gepikst werden. Laut ersten Studien schützen drei Dosen zu rund 70 Prozent gegen Erkrankung durch Omikron – aber die Sorge ist, dass sich die Wirkung zu spät einstellt, um einen rapiden Anstieg der Omikron-Fälle zu verhindern.

So warnte Whitty denn auch, dass mehr nötig sein werde: Er forderte die Briten auf, über Weihnachte­n

AUF EINEN BLICK

Rasanter Anstieg. Derzeit wandern die Blicke von Virologen und der besorgten Öffentlich­keit nach Großbritan­nien, weil sich dort die Omikron-Variante des Coronaviru­s früh und rasch verbreitet. Dort bestätigt sich die hohe Infektiosi­tät der Mutante: In den meisten Regionen Großbritan­niens verdoppelt sich die Zahl der Omikron-Fälle derzeit innerhalb von weniger als zwei Tagen. Am Mittwoch wurden 79.000 neue Corona-Infektione­n gemeldet – die Dunkelziff­er könnte aber vier Mal so hoch sein, warnen Experten.

ihre sozialen Kontakte so gut wie möglich zu begrenzen: „Trefft euch nicht mit Leuten, wenn ihr nicht müsst.“Die Queen ist bereits mit gutem Beispiel vorangegan­gen und hat ihre vorweihnac­htliche Familienpa­rty abgeblasen. Premiermin­ister Boris Johnson hat hingegen der Aufforderu­ng seines Beraters widersproc­hen; zwar mahnte auch er zur Vorsicht, versichert aber: „Wir werden keine Partys verbieten.“

Tory-Aufstand gegen Premier

Johnson ist noch gezeichnet von einer Rebellion im Unterhaus, die er am Dienstag erlitt. Dutzende Tory-Hinterbänk­ler stimmten gegen verschärft­e Maßnahmen wie Maskentrag­en und Covid-Pässe. Die Vorlage ist dank der Unterstütz­ung der Opposition dennoch angenommen worden.

Der Premier will jedenfalls seine Fraktion mit zusätzlich­en Verschärfu­ngen nicht weiter vor den Kopf stoßen. Wenn die OmikronFlu­t allerdings so schlimm werden wird, wie erwartet, dann könnte ihm nichts anderes übrig bleiben.

 ?? [ Imago Images/Zuma Press ] ?? Der britische Premier, Boris Johnson, drängt auf Booster-Impfung und steht selbst schwer unter Beschuss.
[ Imago Images/Zuma Press ] Der britische Premier, Boris Johnson, drängt auf Booster-Impfung und steht selbst schwer unter Beschuss.

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