Die Presse

Die Achse zwischen Putin und Xi

Russland/China. Kreml-Chef Wladimir Putin und Chinas Staatschef, Xi Jinping, schmieden ein immer engeres Bündnis, um die USA zu schwächen. Doch die Beziehung ist nicht reibungslo­s.

- VON SUSANNA BASTAROLI

Wien/Moskau/Peking. Sie wirken wie die neuen besten Freunde der Weltpoliti­k: Sogar wenn sich Wladimir Putin und Xi Jinping nur virtuell treffen, begegnen sie einander voller Wärme und Herzlichke­it. „Ich grüße dich, alter Freund“, sagte Chinas Staatschef Xi seinem russischen Kollegen zu Beginn ihres jüngsten Online-Gesprächs am Mittwoch. Putin lächelte in die Kamera, winkte – man hatte den Eindruck, er wolle „seinen lieben Freund“Xi trotz digitaler Barriere gleich umarmen.

Und genau diese Vertrauthe­it sollte die ganze Welt beim öffentlich­en Auftakt des Gesprächs sehen – allen voran die USA. Denn der gemeinsame „Feind“in Washington schweißt die einstigen Erzrivalen zusammen: Größtes gemeinsame­s Interesse ist, die globale US-Position zu schwächen. So fand das jüngste Meeting inmitten einer Zwei-Fronten-Krise für die USA statt, die Präsident Joe Biden zunehmend Kopfzerbre­chen bereitet: Spannungen sowohl mit Russland (Ukraine) als auch mit China (Taiwan) drohen jederzeit militärisc­h zu eskalieren. Auch das Timing der Online-Konferenz ist kein Zufall: Vor einer Woche erst fand Bidens „Demokratie-Gipfel“ statt, zu dem weder China noch Russland eingeladen waren. Putin und Xi echauffier­ten sich über diesen „spaltenden, konfrontat­iven Gipfel“. Besonders erbost war China über Taiwans Präsenz.

Die beiden aufstreben­den Mächte bieten sich als „Gegenmodel­l“zur demokratis­chen Allianz der USA an. Putin sprach von einem „Modell der Kooperatio­n, das auf Prinzipien der Nichteinmi­schung basiert“. Das sino-russische Verhältnis sei „Vorbild für friedliche Zusammenar­beit im 21. Jahrhunder­t“.

Damit signalisie­rte Putin an die USA, dass er sich mächtige Rückendeck­ung aus China gesichert hat. Nicht nur hat er Xis Segen für den schon lang geforderte­n Sicherheit­sgipfel der UN-Vetomächte (Russland, USA, China, Frankreich und Großbritan­nien). Sondern vor allem ging es ihm um die Ukraine: Derzeit zieht Russland Truppen an der Grenze zusammen, man befürchtet eine Invasion. Moskau pocht auf „Sicherheit­sgarantien“der USA, denen Washington nur schwer zustimmen kann: Russland will eine Osterweite­rung der Nato – und vor allem eine Aufnahme der Ukraine – verhindern und keine Nato-Waffensyst­eme an seinen Grenzen. Xi habe erklärt, dass er „Russlands Sorgen versteht“, sagte nun Putin.

China dachte dabei wohl an die eigenen Probleme mit den USA. Wiederholt sicherte Washington zuletzt dem demokratis­ch regierten Taiwan Unterstütz­ung zu, sollte Peking seine Drohung einer „Wiedervere­inigung“wahr machen. Der Konflikt in der Taiwan-Straße zählt zu den derzeit gefährlich­sten geopolitis­chen Krisen. Zudem bezeichnen die USA die Verfolgung der muslimisch­en Uiguren offen als Genozid und haben Sanktionen verhängt.

Doch wie dick ist die sino-russische Freundscha­ft, abseits des gemeinsame­n Feindbilde­s, wirklich? Außer Zweifel steht, dass die beiden im Kalten Krieg verfeindet­en Mächte in den letzten Jahren eng zusammenge­wachsen sind. Auch weil die Chemie zwischen den Präsidente­n wirklich zu stimmen scheint: Seit Xis Amtsantrit­t 2012 trafen sie sich mehr als 30 Mal. Immer häufiger sind zudem gemeinsame Militärman­över, im November vereinbart­en beide Länder eine „Road Map“, um die Zusammenar­beit weiter zu vertiefen. Auch wirtschaft­lich ist die Beziehung intensiv: Das energiehun­grige China ist ein lukrativer Markt für russisches Öl – und ein willkommen­er Investor.

Russland ist der Juniorpart­ner

Doch ganz so reibungslo­s, wie Xi und Putin zu vermitteln versuchen, ist die Beziehung nicht. Der zunehmende chinesisch­e Einfluss unter anderem in Zentralasi­en und im russischen Fernen Osten bereitet Moskau Sorgen: Immer offensicht­licher wird, dass in diesem ungleichen Verhältnis Russland höchstens der unterlegen­e Juniorpart­ner ist. Außerdem ist Chinas Position im Ukraine-Konflikt nicht eindeutig: Peking hat die russische Annexion der Krim nie anerkannt. Territoria­le Integrität hat für China, das derzeit auch intern Autonomieb­estrebunge­n mit Gewalt unterdrück­t, höchste Priorität.

Doch darüber redeten Xi und Putin wohl nicht. Lieber vereinbart­en sie das nächste Rendezvous: bei der Eröffnungs­feier der Olympische­n Spiele im Februar. Man wird unter Freunden sein. Die USA schicken wegen Chinas Menschenre­chtsverbre­chen keine Regierungs­vertreter nach Peking.

Das neue Modell der Kooperatio­n basiert auf Nichteinmi­schung in interne Angelegenh­eiten.

Wladimir Putin

 ?? [ imago images/SNA] ?? Beste Freunde. Russlands Präsident, Wladimir Putin, bei der Videokonfe­renz mit Chinas Staatschef, Xi Jinping.
[ imago images/SNA] Beste Freunde. Russlands Präsident, Wladimir Putin, bei der Videokonfe­renz mit Chinas Staatschef, Xi Jinping.

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