Die Achse zwischen Putin und Xi
Russland/China. Kreml-Chef Wladimir Putin und Chinas Staatschef, Xi Jinping, schmieden ein immer engeres Bündnis, um die USA zu schwächen. Doch die Beziehung ist nicht reibungslos.
Wien/Moskau/Peking. Sie wirken wie die neuen besten Freunde der Weltpolitik: Sogar wenn sich Wladimir Putin und Xi Jinping nur virtuell treffen, begegnen sie einander voller Wärme und Herzlichkeit. „Ich grüße dich, alter Freund“, sagte Chinas Staatschef Xi seinem russischen Kollegen zu Beginn ihres jüngsten Online-Gesprächs am Mittwoch. Putin lächelte in die Kamera, winkte – man hatte den Eindruck, er wolle „seinen lieben Freund“Xi trotz digitaler Barriere gleich umarmen.
Und genau diese Vertrautheit sollte die ganze Welt beim öffentlichen Auftakt des Gesprächs sehen – allen voran die USA. Denn der gemeinsame „Feind“in Washington schweißt die einstigen Erzrivalen zusammen: Größtes gemeinsames Interesse ist, die globale US-Position zu schwächen. So fand das jüngste Meeting inmitten einer Zwei-Fronten-Krise für die USA statt, die Präsident Joe Biden zunehmend Kopfzerbrechen bereitet: Spannungen sowohl mit Russland (Ukraine) als auch mit China (Taiwan) drohen jederzeit militärisch zu eskalieren. Auch das Timing der Online-Konferenz ist kein Zufall: Vor einer Woche erst fand Bidens „Demokratie-Gipfel“ statt, zu dem weder China noch Russland eingeladen waren. Putin und Xi echauffierten sich über diesen „spaltenden, konfrontativen Gipfel“. Besonders erbost war China über Taiwans Präsenz.
Die beiden aufstrebenden Mächte bieten sich als „Gegenmodell“zur demokratischen Allianz der USA an. Putin sprach von einem „Modell der Kooperation, das auf Prinzipien der Nichteinmischung basiert“. Das sino-russische Verhältnis sei „Vorbild für friedliche Zusammenarbeit im 21. Jahrhundert“.
Damit signalisierte Putin an die USA, dass er sich mächtige Rückendeckung aus China gesichert hat. Nicht nur hat er Xis Segen für den schon lang geforderten Sicherheitsgipfel der UN-Vetomächte (Russland, USA, China, Frankreich und Großbritannien). Sondern vor allem ging es ihm um die Ukraine: Derzeit zieht Russland Truppen an der Grenze zusammen, man befürchtet eine Invasion. Moskau pocht auf „Sicherheitsgarantien“der USA, denen Washington nur schwer zustimmen kann: Russland will eine Osterweiterung der Nato – und vor allem eine Aufnahme der Ukraine – verhindern und keine Nato-Waffensysteme an seinen Grenzen. Xi habe erklärt, dass er „Russlands Sorgen versteht“, sagte nun Putin.
China dachte dabei wohl an die eigenen Probleme mit den USA. Wiederholt sicherte Washington zuletzt dem demokratisch regierten Taiwan Unterstützung zu, sollte Peking seine Drohung einer „Wiedervereinigung“wahr machen. Der Konflikt in der Taiwan-Straße zählt zu den derzeit gefährlichsten geopolitischen Krisen. Zudem bezeichnen die USA die Verfolgung der muslimischen Uiguren offen als Genozid und haben Sanktionen verhängt.
Doch wie dick ist die sino-russische Freundschaft, abseits des gemeinsamen Feindbildes, wirklich? Außer Zweifel steht, dass die beiden im Kalten Krieg verfeindeten Mächte in den letzten Jahren eng zusammengewachsen sind. Auch weil die Chemie zwischen den Präsidenten wirklich zu stimmen scheint: Seit Xis Amtsantritt 2012 trafen sie sich mehr als 30 Mal. Immer häufiger sind zudem gemeinsame Militärmanöver, im November vereinbarten beide Länder eine „Road Map“, um die Zusammenarbeit weiter zu vertiefen. Auch wirtschaftlich ist die Beziehung intensiv: Das energiehungrige China ist ein lukrativer Markt für russisches Öl – und ein willkommener Investor.
Russland ist der Juniorpartner
Doch ganz so reibungslos, wie Xi und Putin zu vermitteln versuchen, ist die Beziehung nicht. Der zunehmende chinesische Einfluss unter anderem in Zentralasien und im russischen Fernen Osten bereitet Moskau Sorgen: Immer offensichtlicher wird, dass in diesem ungleichen Verhältnis Russland höchstens der unterlegene Juniorpartner ist. Außerdem ist Chinas Position im Ukraine-Konflikt nicht eindeutig: Peking hat die russische Annexion der Krim nie anerkannt. Territoriale Integrität hat für China, das derzeit auch intern Autonomiebestrebungen mit Gewalt unterdrückt, höchste Priorität.
Doch darüber redeten Xi und Putin wohl nicht. Lieber vereinbarten sie das nächste Rendezvous: bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele im Februar. Man wird unter Freunden sein. Die USA schicken wegen Chinas Menschenrechtsverbrechen keine Regierungsvertreter nach Peking.
Das neue Modell der Kooperation basiert auf Nichteinmischung in interne Angelegenheiten.
Wladimir Putin