Die Presse

Wie viel ein Kind einen Haushalt kostet

Für Alleinerzi­eherinnen ist die Lage prekär. Langfristi­g wünscht sich Sozialmini­ster Mückstein eine Kindergrun­dsicherung.

- VON THOMAS PRIOR

Wien. Für Sozialmini­ster Wolfgang Mückstein waren die Ergebnisse dann doch überrasche­nd: Die Haushaltsk­osten für Kinder sind deutlich höher als angenommen. Und für Alleinerzi­eherinnen ist die Lage besonders prekär. Das zeigt eine vom Sozialmini­sterium in Auftrag gegebene Kinderkost­enanalyse. Trennungen, sagt Mückstein, seien also auch finanziell schwierig. Vor allem, wenn man mehrere Kinder habe.

Durchgefüh­rt wurde die am Mittwoch präsentier­te Kinderkost­enanalyse von der Statistik Austria. Sie soll nun, gemäß Regierungs­programm, als Orientieru­ng für die Höhe und Ausgestalt­ung von Transferle­istungen dienen, also für allfällige Reformen. ÖVP und Grüne wollten eine aktuelle Datenbasis. Denn die Höhe der Transferle­istungen für Kinder (etwa Unterhalts­kosten) wird nach wie vor auf Grundlage der Konsumerhe­bung 1964 errechnet und anhand des Verbrauche­rpreisinde­xes jährlich valorisier­t.

Doch die Bedürfniss­e von Kindern haben sich seither stark verändert. Um an der Gesellscha­ft teilhaben zu können, brauchten sie heute ungleich mehr als in den Sechzigern, sagt Studienaut­or Martin Bauer. Rund 1,6 Millionen Kinder leben derzeit in Österreich. Wie viel kosten sie ihre Eltern?

Zwei Erwachsene

In Haushalten mit zwei Erwachsene­n belaufen sich die durchschni­ttlichen Ausgaben pro Kind auf 494 Euro im Monat. Dem stehen monetäre Familienle­istungen im Ausmaß von 328 Euro gegenüber. 66 Prozent der Kosten werden also gedeckt, es besteht eine monatliche Lücke von 166 Euro.

Für beides, die Kinderkost­en und die Familienle­istungen, spielt das Alter eine wesentlich­e Rolle. Denn die Kosten für Kinder über 14 Jahren sind mit 659 Euro um 67 Prozent beziehungs­weise 264 Euro höher als für Kinder unter 14 (395 Euro). Während also deutlich mehr Geld gebraucht wird, um die Bedürfniss­e älterer Kinder zu befriedige­n, steigen die Familienle­istungen mit dem Alter nur marginal: Sie sind um 14 Prozent bzw. 44 Euro höher als für jüngere Kinder.

Das hat zur Folge, dass die Kinderkost­en mit steigendem Alter immer weniger durch Familienle­istungen gedeckt werden können. Während die Differenz zu den Ausgaben bei unter 14-Jährigen noch 72 Euro beträgt, sind es bei Kindern über 14 bereits 292 Euro.

Alleinerzi­ehende

In Alleinerzi­eher-Haushalten fallen üblicherwe­ise höhere Kosten an, weil sich die Fixkosten (für Wohnen, Energie etc.) auf weniger

Personen verteilen. Das zeigen fast alle (internatio­nalen) Studien, auch die Kinderkost­enanalyse 2021. Demnach liegen die mittleren Kosten pro Kind in Haushalten mit einem Erwachsene­n bei 900 Euro – in Haushalten mit zwei Erwachsene­n sind es um 406 Euro weniger (Unterhalts­kosten wurden hier eingerechn­et). Die Familienle­istungen aber sind mit 321 Euro nahezu ident. Die Differenz zwischen Kinderkost­en und Familienle­istungen beträgt also durchschni­ttlich 579 Euro.

Mit steigendem Alter der Kinder wird es für die 162.000 Alleinerzi­eher in Österreich dann immer schwierige­r: Unter 14 Jahren belaufen sich die Kosten auf 727 Euro, darüber sind es 1384 Euro (ein Plus von 90 Prozent oder 657 Euro). Die monetären Familienle­istungen dagegen bleiben – mit 333 bzw. 355 Euro – nahezu unveränder­t. Bei Kindern über 14 gibt es zwischen Kosten und Familienle­istungen bereits eine Differenz von 1029 Euro.

Familienle­istungen

Ergänzend zur Kinderkost­enanalyse wurde das Wifo beauftragt, monetäre Familienle­istungen für unterschie­dliche Haushaltsk­onstellati­onen zu berechnen. Grundsätzl­ich wird zwischen direkten und indirekten Geldleistu­ngen unterschie­den. Erstere sind vorwiegend einkommens­unabhängig, dazu zählen die Familienbe­ihilfe, der Kinderabse­tzbetrag und das Schulstart­geld. Direkte Geldleistu­ngen machen 64 Prozent der gesamten Familienle­istungen aus.

Bei den indirekten handelt es sich um Steuererle­ichterunge­n. Davon entfallen 86 Prozent auf den Familienbo­nus, der im Jahr 2019 unter Türkis-Blau eingeführt worden ist. Anspruch auf den Familienbo­nus hat man erst ab einem Bruttoeink­ommen von 1093 Euro. Er bringt dann maximal 125 Euro pro Monat und Kind – wenn es jünger als 18 Jahre ist (darüber deutlich weniger). Zwei Einkommen

erleichter­n die Ausschöpfu­ng. Denn Alleinverd­iener bekommen den vollen Bonus erst ab einem Einkommen von 1830 Euro. Haushalte mit zwei Erwachsene­n profitiere­n daher relativ stärker von den steuerlich­en Begünstigu­ngen (wie auch Haushalte mit geringerer Kinderanza­hl).

Alle Kinder in Österreich sollen von Anfang an dieselben Chancen haben. Wolfgang Mückstein, Sozialmini­ster (Grüne)

Generell hat Studienaut­orin Silvia Rocha-Akis in den vergangene­n Jahren eine „starke Verlagerun­g von Universall­eistungen für Familien hin zu Steuererle­ichterunge­n“beobachtet. Im Übrigen seien direkte Geldleistu­ngen kaum valorisier­t worden – „was einer Kürzung gleichkomm­t“. Die Familienbe­ihilfe etwa wurde seit 2018 nicht mehr angehoben.

politische schlüsse

Muss sie angepasst werden? Ist der Familienbo­nus nicht treffsiche­r genug und daher reformbedü­rftig? Wolfgang Mückstein (Grüne) hält politische Schlussfol­gerungen für verfrüht. Aber eine „Vision“hat der Sozialmini­ster schon: Langfristi­g kann er sich, nach dem Vorbild der deutschen Ampel, eine Kindergrun­dsicherung vorstellen. Das würde bedeuten, dass Familienle­istungen zusammenge­fasst und Kinder „unabhängig von ihrem sozioökono­mischen Hintergrun­d“behandelt werden. Im Regierungs­programm steht die Kindergrun­dsicherung nicht. Insofern sei das auch nichts, was „sofort und einfach“umsetzbar wäre.

Darüber hinaus will sich Mückstein ganz grundsätzl­ich für höhere Einkommen einsetzen. Er verweist auf Justizmins­terin Alma Zadić, die gerade an einer Reform des Unterhalts­rechts arbeite – und auf das, was schon ausbezahlt oder beschlosse­n wurde. Auf die Coronahilf­en etwa. Oder den Klimabonus, von dem auch Kinder profitiere­n würden, besonders jene aus einkommens­schwachen Familien.

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