Wie viel ein Kind einen Haushalt kostet
Für Alleinerzieherinnen ist die Lage prekär. Langfristig wünscht sich Sozialminister Mückstein eine Kindergrundsicherung.
Wien. Für Sozialminister Wolfgang Mückstein waren die Ergebnisse dann doch überraschend: Die Haushaltskosten für Kinder sind deutlich höher als angenommen. Und für Alleinerzieherinnen ist die Lage besonders prekär. Das zeigt eine vom Sozialministerium in Auftrag gegebene Kinderkostenanalyse. Trennungen, sagt Mückstein, seien also auch finanziell schwierig. Vor allem, wenn man mehrere Kinder habe.
Durchgeführt wurde die am Mittwoch präsentierte Kinderkostenanalyse von der Statistik Austria. Sie soll nun, gemäß Regierungsprogramm, als Orientierung für die Höhe und Ausgestaltung von Transferleistungen dienen, also für allfällige Reformen. ÖVP und Grüne wollten eine aktuelle Datenbasis. Denn die Höhe der Transferleistungen für Kinder (etwa Unterhaltskosten) wird nach wie vor auf Grundlage der Konsumerhebung 1964 errechnet und anhand des Verbraucherpreisindexes jährlich valorisiert.
Doch die Bedürfnisse von Kindern haben sich seither stark verändert. Um an der Gesellschaft teilhaben zu können, brauchten sie heute ungleich mehr als in den Sechzigern, sagt Studienautor Martin Bauer. Rund 1,6 Millionen Kinder leben derzeit in Österreich. Wie viel kosten sie ihre Eltern?
Zwei Erwachsene
In Haushalten mit zwei Erwachsenen belaufen sich die durchschnittlichen Ausgaben pro Kind auf 494 Euro im Monat. Dem stehen monetäre Familienleistungen im Ausmaß von 328 Euro gegenüber. 66 Prozent der Kosten werden also gedeckt, es besteht eine monatliche Lücke von 166 Euro.
Für beides, die Kinderkosten und die Familienleistungen, spielt das Alter eine wesentliche Rolle. Denn die Kosten für Kinder über 14 Jahren sind mit 659 Euro um 67 Prozent beziehungsweise 264 Euro höher als für Kinder unter 14 (395 Euro). Während also deutlich mehr Geld gebraucht wird, um die Bedürfnisse älterer Kinder zu befriedigen, steigen die Familienleistungen mit dem Alter nur marginal: Sie sind um 14 Prozent bzw. 44 Euro höher als für jüngere Kinder.
Das hat zur Folge, dass die Kinderkosten mit steigendem Alter immer weniger durch Familienleistungen gedeckt werden können. Während die Differenz zu den Ausgaben bei unter 14-Jährigen noch 72 Euro beträgt, sind es bei Kindern über 14 bereits 292 Euro.
Alleinerziehende
In Alleinerzieher-Haushalten fallen üblicherweise höhere Kosten an, weil sich die Fixkosten (für Wohnen, Energie etc.) auf weniger
Personen verteilen. Das zeigen fast alle (internationalen) Studien, auch die Kinderkostenanalyse 2021. Demnach liegen die mittleren Kosten pro Kind in Haushalten mit einem Erwachsenen bei 900 Euro – in Haushalten mit zwei Erwachsenen sind es um 406 Euro weniger (Unterhaltskosten wurden hier eingerechnet). Die Familienleistungen aber sind mit 321 Euro nahezu ident. Die Differenz zwischen Kinderkosten und Familienleistungen beträgt also durchschnittlich 579 Euro.
Mit steigendem Alter der Kinder wird es für die 162.000 Alleinerzieher in Österreich dann immer schwieriger: Unter 14 Jahren belaufen sich die Kosten auf 727 Euro, darüber sind es 1384 Euro (ein Plus von 90 Prozent oder 657 Euro). Die monetären Familienleistungen dagegen bleiben – mit 333 bzw. 355 Euro – nahezu unverändert. Bei Kindern über 14 gibt es zwischen Kosten und Familienleistungen bereits eine Differenz von 1029 Euro.
Familienleistungen
Ergänzend zur Kinderkostenanalyse wurde das Wifo beauftragt, monetäre Familienleistungen für unterschiedliche Haushaltskonstellationen zu berechnen. Grundsätzlich wird zwischen direkten und indirekten Geldleistungen unterschieden. Erstere sind vorwiegend einkommensunabhängig, dazu zählen die Familienbeihilfe, der Kinderabsetzbetrag und das Schulstartgeld. Direkte Geldleistungen machen 64 Prozent der gesamten Familienleistungen aus.
Bei den indirekten handelt es sich um Steuererleichterungen. Davon entfallen 86 Prozent auf den Familienbonus, der im Jahr 2019 unter Türkis-Blau eingeführt worden ist. Anspruch auf den Familienbonus hat man erst ab einem Bruttoeinkommen von 1093 Euro. Er bringt dann maximal 125 Euro pro Monat und Kind – wenn es jünger als 18 Jahre ist (darüber deutlich weniger). Zwei Einkommen
erleichtern die Ausschöpfung. Denn Alleinverdiener bekommen den vollen Bonus erst ab einem Einkommen von 1830 Euro. Haushalte mit zwei Erwachsenen profitieren daher relativ stärker von den steuerlichen Begünstigungen (wie auch Haushalte mit geringerer Kinderanzahl).
Alle Kinder in Österreich sollen von Anfang an dieselben Chancen haben. Wolfgang Mückstein, Sozialminister (Grüne)
Generell hat Studienautorin Silvia Rocha-Akis in den vergangenen Jahren eine „starke Verlagerung von Universalleistungen für Familien hin zu Steuererleichterungen“beobachtet. Im Übrigen seien direkte Geldleistungen kaum valorisiert worden – „was einer Kürzung gleichkommt“. Die Familienbeihilfe etwa wurde seit 2018 nicht mehr angehoben.
politische schlüsse
Muss sie angepasst werden? Ist der Familienbonus nicht treffsicher genug und daher reformbedürftig? Wolfgang Mückstein (Grüne) hält politische Schlussfolgerungen für verfrüht. Aber eine „Vision“hat der Sozialminister schon: Langfristig kann er sich, nach dem Vorbild der deutschen Ampel, eine Kindergrundsicherung vorstellen. Das würde bedeuten, dass Familienleistungen zusammengefasst und Kinder „unabhängig von ihrem sozioökonomischen Hintergrund“behandelt werden. Im Regierungsprogramm steht die Kindergrundsicherung nicht. Insofern sei das auch nichts, was „sofort und einfach“umsetzbar wäre.
Darüber hinaus will sich Mückstein ganz grundsätzlich für höhere Einkommen einsetzen. Er verweist auf Justizminsterin Alma Zadić, die gerade an einer Reform des Unterhaltsrechts arbeite – und auf das, was schon ausbezahlt oder beschlossen wurde. Auf die Coronahilfen etwa. Oder den Klimabonus, von dem auch Kinder profitieren würden, besonders jene aus einkommensschwachen Familien.