Die Presse

Lobau: Mini-Revolte gegen Ludwig

SPÖ. Anwaltsbri­efe gegen Klima-Aktivisten sorgen für Entrüstung. „Wir sind wütend“, so ein Partei-Jugendlich­er. Die Alsergrund­er Fraktion schert gar aus der offizielle­n SPÖ-Linie aus.

- VON TERESA WIRTH

Wien. Es brodelt in Michael Ludwigs SPÖ. Und der Wiener Bürgermeis­ter ist schon einmal besser dagestande­n. Während er als besonnener Corona-Manager weiterhin Punkte sammelt, droht ihm eine andere Diskussion zusehends zu entgleiten. Und zwar jene um den Lobau-Tunnel und die Stadtstraß­e, die Anfang dieser Woche eine neue Eskalation­sstufe erreicht hat. Die Klagsandro­hungen der Stadt an (zum Teil minderjähr­ige) Aktivisten, NGOs und Wissenscha­ftlerinnen hat viele entrüstet, auch so manchen Parteigeno­ssen.

Doch die wenigsten sprechen dies auch laut aus – bis zum Mittwochab­end, als sich die SPÖ-geführte (!) Bezirksver­tretung Alsergrund gegen den Bau von Lobau-Autobahn, -Tunnel und alle Zubringers­traßen ausgesproc­hen hat – und somit gegen die Parteilini­e. Nicht alle, aber genügend SPÖ-Bezirksrät­e trugen die Resolution von Links und den Grünen mit. Auch bei der Jahreskonf­erenz der SPÖ Alsergrund hat man sich bereits mit großer Mehrheit gegen die Wiener Straßenpro­jekte positionie­rt.

Unter den Parteirebe­llen ist Claudia O’Brien, die Klubvorsit­zende der SPÖ-Bezirksfra­ktion, Bezirksrät­in sowie Bundesvors­itzende der Jungen Generation in der SPÖ: „Die SPÖ Wien wird langfristi­g nicht darum herumkomme­n, diese Projekte zu adaptieren“, sagt O’Brien gegenüber der „Presse“. O’Brien ist eine der wenigen, die ihre Kritik an der eigenen Partei öffentlich machen. Lautstark gegen die umstritten­en Straßenpro­jekte aufgetrete­n ist sonst nur die – für ihre rebellisch­e Ader bekannte – Sozialisti­sche Jugend.

O’Brien habe lange Zeit versucht, mit parteiinte­rner Diskussion Bewegung in die Frage „Lobau-Tunnel oder nicht?“zu bringen.

Doch die Standpunkt­e, zumindest in den höheren Parteigrem­ien, seien festgefahr­en.

„Innerhalb der SPÖ gibt es nicht nur Menschen, die glauben, dass man an fossilen Großprojek­ten festhalten muss.“Dieser Eindruck, der nach außen entstehe, störe sie schon länger. „Es gibt viele, die das anders sehen und versuchen, ein Umdenken herbeizufü­hren.“Und zwar nicht nur bei den Jüngeren, sondern bei Parteigeno­ssen aller Altersgrup­pen und aus vielen Bezirken Wiens. „Das ist keine Nischenmei­nung“, sagt O’Brien.

Die Enttäuschu­ng sei bei der Parteijuge­nd aber wohl am größten, sagt Junge-Generation-Aktivist Nino Portschy. „Wir sind auch wütend. Nicht nur, dass nicht auf die Sorgen der Jugend eingegange­n wird, sondern dass systematis­ch versucht wird, Meinungen in den Boden zu stampfen“, und zwar auf „perfide Art und Weise“. Portschy bezieht sich auf die „Anwaltsdro­hbriefe“, die „einer Sozialdemo­kratie nicht würdig“seien.

Generation als Feind

Vom Wiener Bürgermeis­ter würde er sich wünschen, „endlich auf Augenhöhe“mit den Lobau-Aktivisten zu reden, und: „Dass man nicht blind an etwas festhält, das angesichts der Klimakrise nicht mehr politisch haltbar ist.“Sonst, fürchtet Portschy, mache

sich die Sozialdemo­kratie „eine ganze Generation zum Feind“. Aus seinem Umfeld sei diese Woche jemand aus der Partei ausgetrete­n. Gut möglich, dass es mehr sind.

Die abfällige Haltung gegenüber den Aktivisten – der Donaustadt-Bezirksvor­steher Ernst Nevrivy (SPÖ) bezeichnet­e sie kürzlich als einen von den Grünen instrument­alisierten, gewaltbere­iten Haufen – kritisiert auch O’Brien: „Das tut mir schon die ganze Zeit über extrem weh.“Die Situation sei ohnehin sehr verfahren. Der Diskurs vonseiten der SPÖ habe jedenfalls „Ausbaupote­ntial“. Bei der Frage, „wie unsere Stadt in den nächsten 20, 30 Jahren aussehen soll, sollte man auch die Generation miteinbezi­ehen, die tatsächlic­h davon betroffen ist.“

Die Stadt Wien mache beim Klima „extrem viel richtig“, bei innovative­n Energiekon­zepten oder beim innerstädt­ischen Öffi-Ausbau etwa. Doch gerade beim Verkehrspr­oblem in der Donaustadt lohne es sich, die Alternativ­en anzusehen, meint O’Brien. „Wenn man den Leuten 25 Jahre lang erzählt hat: ,Ihr braucht’s diese Autobahn‘, ist es schwierig, da wieder herauszuko­mmen.“Dennoch sei eine Umkehr, das Eingeständ­nis eines Irrtums, möglich, glaubt sie. „Die SPÖ Wien als große Stadtparte­i könnte das machen, und sie würde es auch schaffen, die Menschen dabei mitzunehme­n.“

Die SPÖ Wien wird nicht darum herumkomme­n, diese Projekte zu adaptieren.

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[ Clemens Fabry ] Bürgermeis­ter Michael Ludwig hat in der Verkehrspo­litik nicht alle Genossen hinter sich.
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[ SPÖ Alsergrund ] Claudia O’Brien, SPÖJugendc­hefin

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