Die Presse

Strengere Regeln für Wohnbaukre­dite

Immobilien. Die FMA verschärft 2022 die Auflagen für Kredite und will 20 Prozent Eigenmitte­l vorschreib­en.

- VON JEANNINE HIERLÄNDER

Wien. Die Preisrally­e bei Immobilien sorgt bei den Aufsehern für Stirnrunze­ln. Seit 2007 haben sich die Preise für Wohnimmobi­lien in Österreich verdoppelt, in Wien stiegen sie um 140 Prozent. Die Coronakris­e tat dem keinen Abbruch: Im ersten Quartal heuer gab es ein Plus von 12,3 Prozent.

Dieser Boom ist vor allem durch Kredite getrieben. Die Niedrigzin­spolitik der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) ermöglicht es Anlegern und Eigennutze­rn, zu historisch günstigen Konditione­n Immobilien fremdzufin­anzieren. Seit Mitte 2020 stieg die Zahl der neu vergebenen Wohnbaukre­dite um 18 Prozent auf 94.000. Die Finanzmark­taufsicht (FMA) beunruhigt die großzügige Kreditpoli­tik der Banken. „Die Vergabesta­ndards für Wohnbaukre­dite geben Anlass zu ernster Sorge“, sagte FMA-Vorstand Helmut Ettl am Mittwoch. Das Volumen der neu vergebenen Wohnbaukre­dite erhöhte sich binnen eines Jahres um 37 Prozent auf 16,9 Mrd. Euro. „Das rasante Wachstum hält nun bereits seit 2011 an“, warnen die Aufseher.

Variable Zinsen sind beliebt

Sorge bereiten vor allem die Konditione­n, die Kreditnehm­er bei den Banken erhalten. Jeder zehnte Kredit habe eine Laufzeit von mehr als 35 Jahren. In zwei von zehn Fällen müssten Familien mehr als 40 Prozent ihres verfügbare­n Nettoeinko­mmens für die Rückzahlun­g aufwenden. Bei sechs von zehn Krediten liegt der Eigenmitte­lanteil unter 20 Prozent. Vor allem aber wählen die Österreich­er mit Vorliebe Darlehen, die variabel verzinst sind. 40 Prozent des Kreditvolu­mens fällt in diese Kategorie. FMA-Vorstand

Ettl rechnet vor: Wer einen Kredit in Höhe von 200.000 Euro aufgenomme­n hat, mit einer Laufzeit von 20 Jahren und mit einem fixen Zinssatz von 1,35 Prozent, der kommt auf eine monatliche Rate von 951 Euro. Ist der Kredit variabel verzinst, kommt er aktuell auf ein Prozent Zinsen und eine monatliche Rate von 920 Euro. Also nur 31 Euro weniger im Monat als beim Fixzins.

Steigen die Zinsen für den Kreditnehm­er irgendwann auf fünf Prozent, das Niveau von vor der Finanzkris­e des Jahres 2008, erhöht sich die monatliche Kreditrate beim variablen Zins auf 1278 Euro. Die monatliche Belastung steige also um 39 Prozent, über die gesamte Laufzeit wären um 77.324 Euro mehr zurückzuza­hlen. Deshalb raten die Experten zu dem kaum teureren Fixzinskre­dit. „Für 31 Euro im Monat zusätzlich erhalte ich langfristi­ge Sicherheit“, so Ettl. „Dieses Beispiel zeigt: Es ist Zeit zu handeln.“

Kreditverg­abe soll strenger werden

Handeln – das tun die Aufseher nun auch. Die FMA will nächstes Jahr Mindeststa­ndards für die Vergabe von Wohnbaukre­diten erlassen, kündigten Ettl und sein Vorstandsk­ollege Eduard Müller am Mittwoch an. Die Banken müssen dann strenger bei der Vergabe von Krediten zur Immobilien­finanzieru­ng sein. Vorgeschri­eben werden ein Eigenmitte­lanteil von zumindest 20 Prozent und eine Laufzeit von höchstens 35 Jahren. Außerdem darf der Schuldendi­enst laut den FMA-Plänen künftig maximal 30 bis 40 Prozent des monatlich verfügbare­n Nettoeinko­mmens betragen. Die FMA ist befugt, eine entspreche­nde Verordnung eigenmächt­ig nach einer Begutachtu­ngsfrist zu erlassen. Geplant ist dies für die Mitte des nächsten Jahres.

Wie die Oesterreic­hische Nationalba­nk (OeNB) geht auch die FMA nicht davon aus, dass es bereits eine Blase auf dem Immobilien­markt gibt. Aber „wir steuern in Richtung

einer Blase“, sagte Ettl. Die Entwicklun­gen gingen über das bisher Gekannte hinaus. „Außergewöh­nliche Entwicklun­gen erfordern außergewöh­nliche Schritte“, begründete Ettl die Pläne der FMA, die über die Stabilität des österreich­ischen Finanzsyst­ems wacht.

Die OeNB hatte bereits im Herbst an die Banken appelliert, bei der Vergabe von Wohnkredit­en vorsichtig zu agieren. Sollten die Institute den Empfehlung­en nicht nachkommen, könne man daraus rechtlich verbindlic­he Vorgaben machen. Diese kommen nun also demnächst. Für Kreditnehm­er bedeutet das, dass sie nicht mehr so leicht an Immobilien­kredite kommen beziehungs­weise höhere Sicherheit­en vorweisen müssen. Die FMA will auch die Regulierun­g von Krypto-Assets stärker vorantreib­en.

Die FMA-Vorstände äußerten sich auch zum FMA-Budget. Wie „Die Presse“berichtete, forderten Ettl und Müller vom FMAAufsich­tsrat, der mit Mitglieder­n aus dem Finanzmini­sterium und der OeNB besetzt ist, eine Budgeterhö­hung um drei Mio. Euro und 30 neue Mitarbeite­r, um den Anforderun­gen in Zeiten von Krypto-Assets, Fintechs und digitalen Handelspla­ttformen gerecht zu werden. Das Budget wurde mittlerwei­le beschlosse­n, die FMA erhält 17 zusätzlich­e Planstelle­n und vier Mio. Euro mehr im Jahr.

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