Die Presse

Strompreis wird zum Standortri­siko

Unternehme­n schlagen Alarm. Sie bezahlen deutlich mehr für Strom als ihre deutschen Mitbewerbe­r. Im November brachte der „Österreich-Aufschlag“160 Millionen Euro an Mehrkosten.

- VON MATTHIAS AUER

Wien. Strom ist teuer, überall. Aber er ist nicht überall gleich teuer. Diese schmerzhaf­te Erfahrung machen viele heimische Betriebe derzeit. Sie bezahlen für Elektrizit­ät nicht nur mehr als im Vorjahr, sondern vor allem deutlich mehr als ihre Konkurrent­en in Deutschlan­d. Ein kleiner Preisunter­schied zwischen den Ländern ist üblich, doch seit Oktober ist der „Österreich­Aufschlag“steil in die Höhe geschossen (siehe Grafik). Im November kostete eine Megawattst­unde im Mittel um 32 Euro mehr als in Deutschlan­d. Für einen größeren Gewerbebet­rieb brachte das bis zu 13.500 Euro Mehrkosten, hat die Österreich­ische Energieage­ntur errechnet. In Summe zahlten die Stromkunde­n in Österreich in dem Monat um 160 Mio. Euro mehr, als in Deutschlan­d fällig wären.

„Für die heimischen Betriebe ist der Österreich-Aufschlag auf die Energiepre­ise ein massiver Wettbewerb­snachteil“, sagt Georg Knill, Präsident der Industriel­lenvereini­gung, zur „Presse“. „Wir liegen hier zum Teil deutlich über Deutschlan­d und anderen europäisch­en Ländern – ganz zu schweigen von den USA. Das gefährdet Produktion und Investitio­nen in österreich­ische Standorte und damit Arbeitsplä­tze.“Auch Wifo-Chef Gabriel Felbermayr sieht hohe Strompreis­e als „zentrales Standortri­siko“. Die Politik sei gefordert zu „schauen, dass der Preis nicht durch die Decke geht“, warnt er.

Aber warum kostet Strom in Deutschlan­d so viel weniger als in Österreich? Schuld ist der trockene Winter – und der Erzeugungs­mix. Am Strommarkt bestimmt das teuerste Kraftwerk, das notwendig ist, um die Nachfrage zu stillen, den Preis für alle. Deutschlan­d deckte seinen Bedarf etwa am ersten Dezember zu 54 Prozent mit Windenergi­e, die minimale Produktion­skosten hat. In Österreich, wo im Winter die Wasserkraf­t auslässt, deckten an dem Tag teure Gaskraftwe­rke 44 Prozent des Bedarfs. Am ersten Advent war Strom hier 2,5mal so teuer wie in Deutschlan­d.

Bauen, bauen, bauen

Jahrelang hat Österreich von billigen Stromimpor­ten aus Deutschlan­d profitiere­n können. Der massive Ausbau der Erneuerbar­en in Deutschlan­d habe die Preise für die heimische Industrie um 16 Prozent gedrückt, so die Energieage­ntur. Doch seit 2018 ist das vorbei. Damals wurde die deutschöst­erreichisc­he Preiszone getrennt. Österreich darf seither nur noch ein kleines Kontingent importiere­n. Mehr geben die Leitungen (und die EU) nicht her. Das Problem verschärft sich, weil Österreich seine grenzübers­chreitende­n Stromleitu­ngen zu 70 Prozent für den internatio­nalen Stromhande­l freihalten muss. Dann hat das Land noch weniger Kapazitäte­n für eigene Importe.

Die Lösung? Mehr Leitungen, aber das dauert, sagt Franz Angerer, Chef der Energieage­ntur. Er plädiert für einen raschen Ausbau der Erneuerbar­en: „Wenn es uns nicht gelingt, genug erneuerbar­en Strom in Österreich zu produziere­n, gibt es keine Basis für die

Energiewen­de und für eine zukunftsfä­hige Wirtschaft.“Aber auch der Ausbau von Wind- und Solarkraft­werken wird angesichts der Skepsis in Teilen der Bevölkerun­g und Politik nicht sofort passieren. Gabriel Felbermayr fordert daher auch kurzfristi­gere Lösungen, etwa die Senkung der Elektrizit­ätsabgabe. Das könnte helfen, drohende Wohlstands­verluste und Wettbewerb­snachteile zu verhindern.

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