US-Sanktionen, die Europa gleich schrecken wie Russen
Swift. Die USA drohen, Russland vom Zahlungssystem Swift auszusperren. Die Folgen wären ruinös – obwohl Putin längst ein eigenes System aufbaut.
Moskau/Wien. Wie detailgenau Joe Biden bei seinem Online-Treffen mit Wladimir Putin vorige Woche die möglichen US-Sanktionen als Antwort auf eine eventuelle Militärinvasion Russlands in der Ukraine dargelegt hat, ist zwar nicht bekannt. Im Vorfeld hatte es dazu aber seitens einiger Quellen im USTV-Sender CNN geheißen, Washington bereite ein neues, extrem hartes Sanktionspaket vor: Und zwar unter anderem Sanktionen gegen die russischen Staatsschulden, ein Verbot auf die Konvertierung von Rubeln (Dollar Clearing) – und einen Ausschluss Russlands aus dem internationalen Zahlungsverkehrsnetz Swift, das die gesicherten Transaktionen der angeschlossenen Firmen und Institutionen abwickelt. Dass diese „finanzielle Isolation Russlands“angedroht wurde, hat dann auch Kreml-Sprecher Dmitri Peskow bestätigt.
Panische Ängste
Gerade der mögliche Ausschluss aus Swift steht ja schon seit der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland 2014 im Raum. Durchgerungen dazu hat sich bislang freilich niemand. Und auch jetzt zweifelt der Markt daran. Denn sollte es dazu kommen, wäre das wie eine „Atombombe auf dem Finanzmarkt“, wie man das in Fachkreisen formuliert. Und zwar nicht nur in Russland. Auch Europas Wirtschaft hat panische Angst davor. Ein Ausschluss Russlands hätte „dramatische Auswirkungen“auf die Wirtschaft, sagte etwa Oliver Hermes, Chef des Ostausschusses der deutschen Wirtschaft.
Wie dramatisch er sein kann, lässt sich am Beispiel Iran erkennen, der nach dem Ausschluss aus Swift über Jahre wirtschaftlich in die Knie ging. Im Fall Russlands würde der Mangel an Importwaren die ohnehin auf acht Prozent hochgeschnellte Inflation weiter explodieren und den nach 2014 massiv entwerteten Rubel weiter abstürzen lassen. Die Zentralbank müsste den Leitzins in den zweistelligen Bereich hochreißen. Ausländische Investoren würden aus dem russischen Kapitalmarkt fliehen.
Russland seinerseits ist jedenfalls seit 2014 nicht untätig geblieben. Aus Vorsicht habe es sich „auf
einen Wirtschaftskrieg vorzubereiten begonnen“, wie etwa Oleg Vjugin, Aufsichtsratschef der Moskauer Börse, im Interview mit der „Presse“vor einigen Jahren erklärt hat. Dazu gehörte neben dem radikalen Verkauf von US-Staatsanleihen und dem Aufstocken der internationalen Gold- und Währungsreserven, die nun Höchstwerte von über 620 Milliarden Dollar erreicht haben, eben auch der Aufbau eines eigenen Zahlungsverkehrsnetzes.
Russlands Antwort
Unter dem Namen Financial Messaging Transfer System (SPFS) hat die Zentralbank das einheimische Parallelsystem zu Swift etabliert. Und einheimisch ist es in der Tat. Denn von den 332 Firmen und Organisationen, die bislang an SPFS angeschlossen sind, ist – abgesehen von den im Land tätigen ausländischen Banken wie der Raiffeisenbank – der Großteil russisch. Aber auch hier wird Swift nur teilweise ersetzt: Mit Ende 2020 wurden 20 Prozent des russischen Finanzverkehrs über SPFS abgewickelt.
Ist ein Ersatz von Swift, das von mehr als 11.000 Banken aus 220 Ländern genutzt wird, innerhalb von Russland immerhin erprobt und leicht ausbaubar, so ist es die Anwendung von SPFS bei internationalen Transaktionen nicht. Dies, obwohl Russland auch ohne Sanktionen eine Emanzipation von westlichen Finanzinstrumenten vorantreibt, indem es neben dem SPSF-System den Gebrauch des Rubels statt westlicher Währungen im Außenhandel forciert oder das nationale Zahlkartensystem (inklusive
der Kreditkarte Mir) etabliert hat.
Mit China, Indien und dem Iran wurde eine Verbindung der Zahlungssysteme mit SPFS vor zwei Jahren zumindest angeleiert. An das System angeschlossen sind inzwischen alle Banken aus Belarus und 38 Teilnehmer aus neun Ländern (darunter neben GUS-Staaten die Türkei, Japan, Deutschland, Schweden oder die Schweiz), teilte Zentralbank-Manager Denis Baryschkow vergangene Woche mit.
EU in Mitleidenschaft
Zum Ersatz für Swift im internationalen Geschäft ist es also noch ein sehr weiter Weg. Es mutet nämlich wie eine Ironie der Geschichte an, dass gerade Russland nach den USA jenes Land ist, das Swift am meisten nutzt, und zwar für inländische und internationale Zahlungen. Um bei Letzteren das Ausmaß zu veranschaulichen: Russlands Außenhandelsvolumen betrug selbst im Pandemiejahr 2020 über 740 Mrd. Dollar, die Auslandsschulden der Unternehmen über 140 Milliarden.
Ein Ausschluss aus Swift würde also nicht nur Russland, sondern alle wirtschaftlichen Partnerländer empfindlich treffen, wobei das im Westen aufgrund der importierten russischen Rohstoffe vor allem die EU und weniger Amerika ist. Experten sprechen von mindestens drei Jahren, bis SPFS das Swift-System im Fall eines Ausschlusses ersetzen könnte, die Kosten für die Zahlungsflüsse zwischen Russland und dem Westen würden sich verdoppeln bis verdreifachen.