Es wird nur mit Dialog gehen
Gastkommentar. Polen wird der Erpressung Lukaschenkos nicht nachgeben und seine Grenzen schützen.
Die Situation an der polnisch-belarussischen Grenze ist seit Wochen Thema ausführlicher Berichte internationaler Medien. Umso mehr freue ich mich, Ihnen dazu einige Punkte darlegen zu dürfen. Zunächst sollten wir die Entstehung der gegenwärtigen Krise Revue passieren lassen: Im Jahr 2020 wurden die Präsidentschaftswahlen in Belarus gefälscht. Hunderttausende Belarussen gingen auf die Straße, um gegen den Wahlbetrug zu protestieren. Die friedlichen Demonstrationen wurden von Lukaschenkos Regime brutal niedergeschlagen (bis heute sind fast 1000 politische Gefangene in belarussischen Gefängnissen inhaftiert). Die EU hat fünf Sanktionspakete gegen Belarus verhängt, darunter auch Wirtschaftssanktionen. Die Krise, die wir heute an der polnisch-belarussischen Grenze erleben, ist eine Folge dieser Ereignisse. Sie ist die Antwort der belarussischen Behörden auf die entschlossene Haltung der EU-Mitgliedstaaten gegenüber Menschenrechtsverletzungen und der Verfolgung der Opposition.
Freiheit und Solidarität sind Werte, die jedem Polen am Herzen liegen. Wir unterstützen die Menschen in Belarus und werden dies auch weiterhin tun. In Warschau gibt es das Diasporazentrum Belarussisches Haus, in dem verschiedene Oppositionsorganisationen zusammengeschlossen sind und sich der Sitz des unabhängigen Fernsehsenders Belsat befindet. Wir haben Tausende von Belarussen aufgenommen, die vor den Repressionen des Lukaschenko-Regimes Zuflucht suchten. Einen Symbolwert erlangt die gemeinsame Teilnahme der belarussischen Oppositionsführerin S. Tichanowskaja und des polnischen Präsidenten, A. Duda, an dem von US-Präsident Joe Biden organisierten Gipfel für Demokratie.
Belarus beschränkt sich nicht nur auf die Verfolgung der Opposition, sondern instrumentalisiert Migranten für seine eigenen politischen Ziele, indem es diese Menschen als Mittel für einen hybriden Angriff auf EU- und Nato-Länder einsetzt. Versuche des illegalen Grenzübertritts, die Zerstörung technischer Barrieren und physische Angriffe auf polnische Beamte werden von belarussischen Spezialdiensten angeregt und koordiniert. Belarus weigert sich, polnische Hilfskonvois mit Hilfsgütern für Migranten auf seinem Hoheitsgebiet aufzunehmen. Die Schleusung von Menschen ist eine Einnahmequelle für Belarus.
Ernst der Lage deutlich
Die Ostgrenze Polens ist auch die Außengrenze der EU und der Nato. Polen hält seine EU- und Nato-Verbündeten über die Lage an der Grenze auf dem Laufenden und arbeitet eng mit Frontex zusammen. Soldaten aus dem Vereinigten Königreich und Estland sind an der polnisch-belarussischen Grenze im Einsatz. Um seinen europäischen Partnern den Ernst der Lage an der polnisch-belarussischen Grenze noch deutlicher vor Augen zu führen, hat Polens Ministerpräsident, Mateusz Morawiecki, eine Reihe von Auslandsreisen unternommen. Die Lage an der polnisch-belarussischen Grenze wurde auch in einer außerordentlichen Sitzung des UN-Sicherheitsrats und einer Tagung des Europäischen Rats erörtert.
Polen wird der Erpressung Lukaschenkos nicht nachgeben und seine Grenzen schützen. Gleichzeitig sollten wir uns um eine Deeskalation der Krise bemühen und bereit sein, den Migranten im Hoheitsgebiet von Belarus humanitäre Hilfe zu leisten. Belarus muss jedoch zeigen, dass es bereit ist, auf den Weg der Demokratie zurückzukehren und einen konstruktiven Dialog aufzunehmen, um die politische Krise im Land zu beenden.
Jolanta Ró˙za Kozłowska ist seit September 2017 Außerordentliche und Bevollmächtigte Botschafterin der Republik
Polen in der Republik Österreich.