Das Konfuzius-Dilemma
China. In ganz Europa schließen Unis die chinesischen Kulturzentren. In Wien und Graz wurden die Verträge verlängert. Sinologen warnen: Wir wissen viel zu wenig über die Volksrepublik.
Wien. Der Name Konfuzius ist im Westen in Verruf geraten. Vor knapp 20 Jahren gründete China das gleichnamige Programm, das dem Ausland Kultur, Sprache und Tradition des Landes näher bringen sollte. Doch das softe Image der Teezeremonien, Kochkurse und Sprachwettbewerbe bröckelt. Statt mit den Tugenden des antiken Philosophen bringen Politiker und Medien die rund 550 Institute weltweit mit zunehmenden Einflussversuchen Chinas in Verbindung: Als verlängerter Arm Pekings werden sie bezeichnet, als Propaganda-Vehikel der KP, auch Spionagevorwürfe stehen im Raum.
Ausgehend von den USA schließen immer mehr europäische Unis ihre Institute. Schweden setzte als erstes Land Europas das Programm völlig aus. Das Wiener Konfuzius-Institut jedoch besiegelte sein weiteres Bestehen – und zwar im Stillen. Die Sprach- und Kultureinrichtung, verwaltet vom Innovationszentrum Universität Wien, einer Tochtergesellschaft der Hauptstadt-Uni, und die chinesische Partneruniversität Beijing Foreign Studies University verlängerten den Vertrag im November um weitere fünf Jahre. Österreichs zweites Institut in Graz sicherte seinen Fortbestand bereits 2020.
Vortrag über Xi verboten
Das Wiener Rektorat entschloss sich zwar gegen eine Schließung, möglichen Einfluss aus China wollte es trotzdem verhindern. Daher nahm die Uni einen Passus in den Kooperationsvertrag auf: Es wäre ein Kündigungsgrund, sollte es zu Einschränkungen auf die „akademische und intellektuelle Freiheit in Forschung, Lehre oder anderen Bereichen“kommen.
Erstmals seit der Institutsgründung 2006 griff die Uni-Leitung in der Entscheidungsfindung auf die Expertise der Wiener Sinologie zurück. „Den Vorwurf, das Konfuzius-Institut in Wien nehme Einfluss auf die Freiheit der Lehre und Forschung in der Sinologie, kann ich zurückweisen“, sagt Christian Göbel, stellvertretender Vorstand des Instituts für Ostasienwissenschaften. Einen Vorteil durch die Vertragsverlängerung sehe er aber auch nicht. Und: „Ich erachte die Versuche der chinesischen Regierung, Diskurse im Ausland zu beeinflussen, als problematisch.“Etwa in Bezug auf Menschenrechtsverletzungen oder Pekings Demokratieverständnis.
Grund für die Sorge vor chinesischen Manipulationsversuchen ist die Organisationsstruktur. Die Institute sind keine unabhängigen Kultureinrichtungen, sondern in die Hochschulsysteme integriert. Die Partnerunis stellen einen Teil des Aufsichtsrats – in Wien stammen drei der fünf Mitglieder aus China, in Graz drei – und entsenden das Lehrpersonal. Zudem finanzieren sie kräftig mit: Das Wiener Konfuzius-Institut erhält aus China 250.000 Euro, vom Innovationszentrum 110.000 Euro, wobei die Raummieten enthalten sind. In Graz sind es jeweils circa 100.000 Euro. Das Programm muss von China abgesegnet werden.
In Deutschland spürten die Institute in Hannover und Duisburg die Pekinger Informationskontrolle deutlich. Auf persönliche Intervention des chinesischen Generalkonsuls in Düsseldorf sagten sie die Lesung einer Biografie über Staatsund Parteichef Xi Jinping ab. Ähnliches ereignete sich in Leipzig. Dort sollte ein Vortrag über Xi verboten werden. Die Rednerin änderte einfach den Titel und hielt die Präsentation trotzdem.
In Wien sind keine Interventionen bekannt – wohl auch, weil das Programm kritische Themen von vornherein ausklammert. „Wir machen keine Politik“, sagt Institutsleiter Richard Trappl. „Wir unterrichten Sprache, es gibt die eine oder andere Kulturveranstaltung.“
Im Gegensatz zu anderen Instituten ist die Wiener Einrichtung organisatorisch und räumlich von Uni und Bibliothek abgekoppelt.
Vorsorglich, um politische Einflussnahme nicht zu ermöglichen. Und um zu verhindern, dass chinesische Mitarbeiter der Sinologie unter ständiger Beobachtung durch ihre Landsleute am Konfuzius-Institut stehen, die Berichte zurück in die Heimat schicken, sagt die ehemalige Leiterin der Sinologie Susanne Weigelin-Schwiedrzik.
Die Universität Salzburg verzichtete unter Rektor Hendrik Lehnert 2019 gänzlich auf ein Konfuzius-Institut, obwohl sein Vorgänger die Absichtserklärung schon unterzeichnet hatte. Die kurzfristige Abfuhr sorgte bei der chinesischen Botschaft in Wien für Verstimmungen. Auf Anfrage lässt Lehnert knapp mitteilen, dass er in seiner Amtszeit „nie eine offizielle Anfrage bekommen“habe. Wie „Die „Presse“aber aus mehreren Quellen erfuhr, sieht der Rektor eine Intensivierung der China-Beziehungen allgemein skeptisch. Eine Entfremdung sei aber der falsche Weg, betonen Sinologen.
Ein umtriebiges Institut
Den konträren Weg geht die KarlFranzens-Universität in Graz: Das 2010 gegründete Institut ist organisatorisch mit der Uni verflochten. Mit seiner Ausrichtung hebt es sich weltweit ab: Es versteht sich als Plattform zur wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Vernetzung. Maßgeblich für die Strategie ist Leiter Chen Wanjie. Der Wahlösterreicher sieht sich als Brückenbauer zwischen Österreich und China. Unter seiner Führung arbeitet das Institut eng mit anderen Unis zusammen, fädelt chinesisch-österreichische Forschungskooperationen ein und zählt gewichtige Unternehmen wie die Bank of China als Unterstützer. Im regen Andrang sieht er sich bestätigt: 1300 Sprachschüler besuchen das Institut jährlich, in Wien sind es 100. Er verteidigt sich gegen Kritik: „Die Strategie, die Organisation – alles kommt von mir.“
„Wir müssen Kontakte unabhängig von politischen Systemen pflegen“, rechtfertigt Rektor Peter Riedler die umtriebige Institutsleitung. Das Institut biete Möglichkeiten der Vernetzung – für den gesamten steirischen Standort. Er sieht die Angst vor Druck auf Forscher nicht gerechtfertigt. Zugunsten des Konfuzius-Instituts verzichtete die Uni vor Jahren auf eine eigene Sinologie. „Das wäre viel aufwendiger gewesen“, sagt Riedler. Sein Vorgänger, der jetzige Bildungsminister Martin Polaschek, der die vergangene Vertragsverlängerung als Aufsichtsratsmitglied des Instituts absegnete, lässt auf Nachfrage der „Presse“nur wissen, dass die Universitäten im Rahmen ihrer Autonomie selbst entscheiden, ob sie ein Konfuzius- oder ein Sinologie-Institut betreiben.
„Unter ständiger Beobachtung“
Für Hochschulen sind KonfuziusInstitute ein lukratives Geschäft. Zugleich klagen Sinologen über fehlende Unterstützung, um unabhängige China-Forschung zu betreiben. Dabei mangle es in Europa gemessen an der weltweiten Bedeutung der Volksrepublik an Sprachkenntnissen und Wissen über die politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Ordnung, sagen Experten. Und von KonfuziusInstituten abgesehen: „Wir stehen als Sinologen teils auch durch Studierende ständig unter Beobachtung“, sagt Weigelin-Schwiedrzik.
Aus Deutschland wisse er, dass sich auch universitätsfremde Personen in Vorlesungen setzen, erzählt Göbel. In Wien seien ihm solche Fälle nicht bekannt. „Ich denke, dass die Einflussnahme eher in den Köpfen der Forscher stattfindet. Sie überlegen sich, ob sie noch nach China fahren können.“Die Sorge, kein Visum zu erhalten oder bei der Feldarbeit inhaftiert zu werden, ist groß. Dabei sei es wichtig, sicher forschen zu können. „Die wirtschaftlichen Kontakte werden enger, gleichzeitig kennen wir das Land immer weniger.“