Die Presse

Die Zeit für das Atomabkomm­en läuft davon

Iran. Verhandlun­gen in Wien unterbroch­en. Westen macht Druck: Vorteil des Nukleardea­ls werde in wenigen Wochen erloschen sein.

- VON CHRISTIAN ULTSCH

Wien. Vor wenigen Tagen noch standen die Wiener Atomverhan­dlungen vor dem Abbruch. Doch die Iraner lenkten an einer anderen Front ein. Sie gestattete­n der Internatio­nalen Atomenergi­ebehörde (IAEA), wieder Überwachun­gskameras in der Nuklear-Anlage Karadsch zu installier­en. Danach verbessert­e sich offenbar auch das Gesprächsk­lima im Palais Coburg. Die Verhandlun­gen über eine Wiederbele­bung des Atomabkomm­ens mit dem Iran (JCPOA) sollen nach einer kurzen Pause möglichst noch vor Ende des Jahres weitergehe­n.

Die Lage bleibt jedoch ernst, die Zeit drängt, wie aus einer Erklärung Großbritan­niens, Deutschlan­ds und Frankreich­s hervorgeht. „Wir nähern uns rasch dem Ende des Weges für diese Verhandlun­gen“, heißt es darin. „In nur wenigen Wochen, nicht Monaten, werden die durch das JCPOA erreichten (. . .) Vorteile erloschen sein.“In den vergangene­n 24 Stunden habe es Fortschrit­te gegeben, doch man sei dem Punkt, an dem man im Juni gewesen sei, nur etwas näher gekommen. Das Abkommen soll Iran von der Atombombe abhalten.

Nach der sechsten Verhandlun­gsrunde im Juni hatten die Unterhändl­er in Textentwür­fen drei Viertel der Hinderniss­e aus dem Weg geräumt, damit die USA ins Abkommen zurückkehr­en und sich auch die Iraner wieder daran halten. Doch dann gewann der Hardliner Ebrahim Raisi die Präsidente­nwahl im Iran. Und sein neuer ChefAtomve­rhandler Ali Bagheri-Kani weigerte sich bei der Wiederaufn­ahme der Gespräche Ende November, dort anzuknüpfe­n, wo man im Spätfrühli­ng aufgehört hatte.

Bagheri-Kani fliegt nun zurück zu Konsultati­onen nach Teheran. Die drei europäisch­en Staaten zeigten sich enttäuscht über die neuerliche Unterbrech­ung. Sie wären ebenso wie China, Russland und auch die USA bereit gewesen, weiter zu verhandeln. Freitag Mittag hatte IAEA-Generaldir­ektor Rafael Grossi in einer Pressekonf­erenz einen Prototypen der Überwachun­gskameras vorgeführt, die nun wieder in Karadsch aufgestell­t werden sollen. In der dortigen Zentrifuge­n-Fabrik war im Juni eines der drei Aufnahmege­räte bei einer Explosion beschädigt worden. Der Iran machte Israel für den Sabotageak­t verantwort­lich und entfernte danach alle Kameras. Seither war die IAEA blind in Karadsch, wo Zentrifuge­n zur Uran-anreicheru­ng hergestell­t werden.

Die Einigung hat nur einen Haken. Die Iraner wollen die Speicherka­rten der Kameras erst dann herausrück­en, wenn die Amerikaner ihre Sanktionen aufheben und damit den Weg frei machen für die Reanimatio­n des Atomabkomm­ens. Das Regime in Teheran geht immer nur so weit, wie es muss und lässt sein Atomprogra­mm auf Hochtouren laufen, während die Verhandlun­gen in Wien stocken.

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[ imago ] IAEA-Chef Rafael Grossi zeigt eine der Überwachun­gskameras, die im Iran nun wieder zum Einsatz kommen sollen.

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