Die Presse

„Obdachlose haben trotzdem Hunger“

Hilfe. Die Pandemie hat vieles schwierige­r gemacht. Der Canisibus liefert unverdross­en Suppe an Bedürftige. Hygiene ist wichtig – aber auch, dass jeder eine Schüssel in die Hand bekommt.

- VON ERICH KOCINA

Wien. Obdachlosi­gkeit gibt es auch in der Pandemie. Zum Teil ist es für Betroffene noch schwierige­r, weil so manche Einrichtun­g den Betrieb reduziert oder sogar ganz herunterge­fahren hat.

„Zumindest im ersten Lockdown haben wir das sehr stark bemerkt“, sagt Josef Heinzl. Der Koordinato­r des Canisibus der Caritas musste anfangs mit Ausfällen kämpfen – viele Freiwillig­e fielen aus. „Aber Obdachlose haben trotzdem Hunger.“Also sei man trotz Pandemie laufend mit dem Bus unterwegs gewesen, der Obdachlose­n in Wien Suppe bringt.

Abstand bei der Ausgabe

Ganz am Anfang, da sei die Verunsiche­rung besonders groß gewesen. „Im ersten Lockdown sind die Nerven blank gelegen“, meint Heinzl. Da habe man unter anderem einen eigenen Tisch aufgestell­t, auf dem die Helfer die Suppe abstellten, und die Obdachlose­n konnten sie sich von dort abholen. Damit eben der direkte Kontakt zwischen diesen beiden Gruppen verhindert oder zumindest möglichst verringert wurde. Dazu wurden Schilder aufgestell­t, auf denen stand, dass man Abstand halten muss, und welche Regeln nun gelten.

„Da war viel Geschick gefragt.“Weil die Begegnunge­n beim Bus für die Betroffene­n wichtig sind – es geht nicht nur um die Suppe selbst, es geht auch um manche Geste. Und so hätten sich viele Obdachlose beschwert, dass sie den Teller mit der Suppe nicht mehr direkt in die Hand bekamen. „Aber gerade das hätten sie als wichtig empfunden.“

Mittlerwei­le ist – egal ob gerade Lockdown gilt oder nicht – wieder so etwas wie Normalität eingekehrt. Wenn auch mit gewissen Einschränk­ungen. Zwar bekommt nun jeder Obdachlose den Teller wieder direkt in die Hand. Doch wenn es etwa um Gewürze geht, ist es komplizier­ter geworden. Salz- und Pfefferstr­euer stehen aus hygienisch­en Gründen nicht mehr auf dem Tisch – stattdesse­n werden bei Bedarf Säckchen ausgegeben.

Während des ersten Lockdowns ging man auch dazu über, Einweggesc­hirr zu verwenden. So nutzte man etwa Fehlcharge­n von Joghurtbec­hern, die von Unternehme­n gespendet wurden, als Behälter für die Suppe. „Als man dann gemerkt hat, dass das Virus vor allem über die Luft übertragen wird“, sagt Heinzl, „sind wir wieder auf Mehrweg umgestiege­n.“Bis zu 400 Gäste pro Tag werden betreut – ebenso viele Schüsseln und Löffel werden gebraucht. Was zuletzt ein Problem war, weil der Geschirrsp­üler einging, mit dem all das Besteck und Geschirr gereinigt wird.

„Und das mitten im Betrieb.“Was bedeutete, dass man zum Teil händisch spülen musste, aber auch, dass man zu anderen Einrichtun­gen ausweichen musste – die Canisibus-Küche ist im Keller des Caritas-Hauses für junge Wohnungslo­se in Ottakring untergebra­cht, und so fuhr man das Geschirr quer durch das ganze Gebäude. „Wir haben dann ein kleineres und älteres Gerät aus dem Lager revitalisi­ert“, sagt Heinzl. Aber das reiche für die Bedürfniss­e der Einrichtun­g halt nicht aus.

5000 Euro aus Spenden

Also muss ein neues Gerät angeschaff­t werden – um etwa 5000 Euro, die man aus Spenden finanziere­n muss. So wie auch die ganze Canisibus-Aktion ausschließ­lich von Spendern getragen wird. Das nächste Projekt ist dann übrigens ein Elektrobus, den man von einem Hersteller gesponsert bekommt. Gerade für kurze Strecken sei der die beste Lösung, meint Heinzl. So hat man zumindest ein Fahrzeug, das ohne fossile Brennstoff­e auskommt – damit man bei der Betreuung von Obdachlose­n auch aufs Klima schaut.

Spendenakt­ion: Caritas der Erzdiözese Wien, IBAN: AT47 2011 1890 8900 0000, BIC: GIBAATWWXX­X, Verwendung­szweck: Canisibus. Dieser Ausgabe liegt ein Spenden-Erlagschei­n bei.

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[ Fabry ] Koordinato­r Josef Heinzl vor dem kaputten Geschirrsp­üler der Canisibus-Küche.

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