„Die Lage ist sehr angespannt“
„Extremistische Gruppierungen versuchen, ihre Ideologien weiter zu transportieren“, sagt VizeSicherheits-Direktor Reinhard Schnakl.
Demonstrationen.
Wien. Die Wiener Polizei hat sich am Freitag mit einigen CoronaDemo-Veranstaltern geeinigt, dass am (Einkaufs-)Samstag bis 18 Uhr nur Standkundgebungen abgehalten werden. Demo-Züge in oder um Einkaufsstraßen, die die Interessen des Handels und damit das Grundrecht der Erwerbsfreiheit beeinträchtigen, wurden untersagt. Indes warnt der stellvertretende Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Reinhard Schnakl, vor Extremisten, die die Demos unterwandern.
Mit der Ankündigung einer Impfpflicht habe die Protestbewegung „breiteren Zustrom“erfahren. Im neu aufgestellten Verfassungsschutz (DSN) habe man früh erkannt, „dass extremistische Gruppierungen versuchen, ihre Ansichten, Ideen und Ideologien weiter zu transportieren“.
Schnakl: „Extremisten versuchen, die Proteste für ihre Zwecke zu nutzen, um andere Personen zu beeinflussen und für ihre Ideen zu gewinnen. Diese einzelnen Personen oder Gruppierungen versuchen, die Proteste auszunützen, um auch mit radikalen Maßnahmen
Aufsehen zu erregen und Gefahr zu erzeugen.“
Die Radikalisierung lasse sich daran erkennen, „dass Drohungen gegen Unternehmen der kritischen Infrastruktur, wie zum Beispiel Gesundheitseinrichtungen, gesetzt wurden. Es gibt auch Drohungen gegen Medien. Auch Drohungen gegen oberste Organe und Politiker sind keine Seltenheit“.
Auf die „Presse“-Frage, ob mit Sachbeschädigungen oder körperlichen Attacken gerechnet werden müsse, meint der Vize-Direktor: „So etwas lässt sich nicht definitiv vorhersagen. Die Lage ist jedenfalls sehr angespannt, insbesondere jetzt im vierten Lockdown und vor der Impfpflicht. Hier wird es Personen oder Gruppierungen geben, die besonders von den Maßnahmen betroffen sind und ihr Unverständnis zum Ausdruck bringen werden.“Was die Polizei dagegen tut? „Insgesamt laufen
viele polizeiliche Maßnahmen, einerseits im Hintergrund, andererseits sichtbar im Vordergrund.“Verfassungsschutz-Chef Omar Haijawi-Pirchner machen indes Demonstranten „große Sorgen“, die vor allem aus der Schweiz und Deutschland „einsickern“.
Psychologin warnt ebenfalls
„Stark zu beobachten“sei, dass auch religiöse Fanatiker oder Anhänger von Verschwörungstheorien auf den Demos seien. Dies erklärt wiederum Psychologin und Psychotherapeutin Ulrike Schiesser von der Bundesstelle für Sektenfragen (angesiedelt im Familienministerium) – diese Stelle befasst sich auch mit radikalen und extremistischen Ideologien. Und hat heuer besonders viel zu tun. Bis Ende November fielen 532 Fälle an (ein Fall kann mehrere Personen betreffen, etwa, wenn jemand meldet, dass Personen aus seinem
Umfeld Probleme hätten). Im gesamten Vorjahr waren es 462 Fälle.
Schiesser sieht auch bei jenen, die an Verschwörungsmythen glauben, ein Gefährdungspotenzial: „Wenn jemand eingeschränkt wird – keine Reisen, keine Lokalbesuche, keine Veranstaltungen – dann kann die Haltung entstehen: ,Ich darf gegen meine Gegner mit Gewalt vorgehen.‘ “Und: „Innerhalb der Szene findet eine TäterOpfer-Umkehr statt. Ärzte und Pflegepersonal werden als Feinde erlebt, weil man meint, sie würden über die wahren Gründe der Behandlung lügen.“Nicht immer gehe es um Verschwörung: „Manche glauben einfach, dass die Impfung giftig ist.“
Wie viele Menschen in Österreich solche Mythen glauben, ist schwer messbar. Umfragen der sozialwissenschaftlichen Fakultät der Uni Wien (Austrian Corona Panel Project) ergaben, dass „der Anteil derer, die Coronavirus-Verschwörungsmythen wirklich glauben, je nach Aussage, variabel bei etwa fünf bis 15 Prozent liegt“. Heraus kam auch das Fazit: „Mit steigender Bereitschaft die FPÖ zu wählen, steigt die Bereitschaft, Verschwörungsmythen zu glauben.“