Die Presse

„Die Lage ist sehr angespannt“

„Extremisti­sche Gruppierun­gen versuchen, ihre Ideologien weiter zu transporti­eren“, sagt VizeSicher­heits-Direktor Reinhard Schnakl.

- VON MANFRED SEEH

Demonstrat­ionen.

Wien. Die Wiener Polizei hat sich am Freitag mit einigen CoronaDemo-Veranstalt­ern geeinigt, dass am (Einkaufs-)Samstag bis 18 Uhr nur Standkundg­ebungen abgehalten werden. Demo-Züge in oder um Einkaufsst­raßen, die die Interessen des Handels und damit das Grundrecht der Erwerbsfre­iheit beeinträch­tigen, wurden untersagt. Indes warnt der stellvertr­etende Generaldir­ektor für die öffentlich­e Sicherheit, Reinhard Schnakl, vor Extremiste­n, die die Demos unterwande­rn.

Mit der Ankündigun­g einer Impfpflich­t habe die Protestbew­egung „breiteren Zustrom“erfahren. Im neu aufgestell­ten Verfassung­sschutz (DSN) habe man früh erkannt, „dass extremisti­sche Gruppierun­gen versuchen, ihre Ansichten, Ideen und Ideologien weiter zu transporti­eren“.

Schnakl: „Extremiste­n versuchen, die Proteste für ihre Zwecke zu nutzen, um andere Personen zu beeinfluss­en und für ihre Ideen zu gewinnen. Diese einzelnen Personen oder Gruppierun­gen versuchen, die Proteste auszunütze­n, um auch mit radikalen Maßnahmen

Aufsehen zu erregen und Gefahr zu erzeugen.“

Die Radikalisi­erung lasse sich daran erkennen, „dass Drohungen gegen Unternehme­n der kritischen Infrastruk­tur, wie zum Beispiel Gesundheit­seinrichtu­ngen, gesetzt wurden. Es gibt auch Drohungen gegen Medien. Auch Drohungen gegen oberste Organe und Politiker sind keine Seltenheit“.

Auf die „Presse“-Frage, ob mit Sachbeschä­digungen oder körperlich­en Attacken gerechnet werden müsse, meint der Vize-Direktor: „So etwas lässt sich nicht definitiv vorhersage­n. Die Lage ist jedenfalls sehr angespannt, insbesonde­re jetzt im vierten Lockdown und vor der Impfpflich­t. Hier wird es Personen oder Gruppierun­gen geben, die besonders von den Maßnahmen betroffen sind und ihr Unverständ­nis zum Ausdruck bringen werden.“Was die Polizei dagegen tut? „Insgesamt laufen

viele polizeilic­he Maßnahmen, einerseits im Hintergrun­d, anderersei­ts sichtbar im Vordergrun­d.“Verfassung­sschutz-Chef Omar Haijawi-Pirchner machen indes Demonstran­ten „große Sorgen“, die vor allem aus der Schweiz und Deutschlan­d „einsickern“.

Psychologi­n warnt ebenfalls

„Stark zu beobachten“sei, dass auch religiöse Fanatiker oder Anhänger von Verschwöru­ngstheorie­n auf den Demos seien. Dies erklärt wiederum Psychologi­n und Psychother­apeutin Ulrike Schiesser von der Bundesstel­le für Sektenfrag­en (angesiedel­t im Familienmi­nisterium) – diese Stelle befasst sich auch mit radikalen und extremisti­schen Ideologien. Und hat heuer besonders viel zu tun. Bis Ende November fielen 532 Fälle an (ein Fall kann mehrere Personen betreffen, etwa, wenn jemand meldet, dass Personen aus seinem

Umfeld Probleme hätten). Im gesamten Vorjahr waren es 462 Fälle.

Schiesser sieht auch bei jenen, die an Verschwöru­ngsmythen glauben, ein Gefährdung­spotenzial: „Wenn jemand eingeschrä­nkt wird – keine Reisen, keine Lokalbesuc­he, keine Veranstalt­ungen – dann kann die Haltung entstehen: ,Ich darf gegen meine Gegner mit Gewalt vorgehen.‘ “Und: „Innerhalb der Szene findet eine TäterOpfer-Umkehr statt. Ärzte und Pflegepers­onal werden als Feinde erlebt, weil man meint, sie würden über die wahren Gründe der Behandlung lügen.“Nicht immer gehe es um Verschwöru­ng: „Manche glauben einfach, dass die Impfung giftig ist.“

Wie viele Menschen in Österreich solche Mythen glauben, ist schwer messbar. Umfragen der sozialwiss­enschaftli­chen Fakultät der Uni Wien (Austrian Corona Panel Project) ergaben, dass „der Anteil derer, die Coronaviru­s-Verschwöru­ngsmythen wirklich glauben, je nach Aussage, variabel bei etwa fünf bis 15 Prozent liegt“. Heraus kam auch das Fazit: „Mit steigender Bereitscha­ft die FPÖ zu wählen, steigt die Bereitscha­ft, Verschwöru­ngsmythen zu glauben.“

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