Die Presse

Transplant­iertes Kreuzband als Glücksbrin­ger

Ski. Sofia Goggia, 29, besticht durch flotten Fahrstil und rasante Lebensgesc­hichte. Stürze und Unfälle gehören dazu, Operatione­n auch. „Im Jänner bekam ich das Band eines Verstorben­en eingesetzt. Es hilft mir, meine Ziele zu erreichen.“

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Val d’Isère. Sofia Goggia ist derzeit die schnellste Abfahrerin der Welt. Die Italieneri­n, 29, fährt ihrer Konkurrenz in diesem Olympiawin­ter auf und davon, ihr Stil gilt als riskant und ihre Fahrten sind fürwahr auch bewunderns­wert. Die Abfahrts-Olympiasie­gerin von 2018 hat trotz ihrer im vergangene­n Jänner erlittenen Verletzung bereits eine eindrucksv­olle Erfolgsser­ie vorzuweise­n: der Skistar aus Bergamo gewann drei Speed-Rennen in Übersee, hält bei 14 WeltcupTri­umphen und gilt auch bei der Abfahrt in Val d’Isère (heute 11.30 Uhr, live, ORF1) als Sieganwärt­erin, obwohl Mirjam Puchner im zweiten Training schneller war.

Auf der einen Seite steht ihre Liebe zur Geschwindi­gkeit, auf der anderen eine sehr lange Liste an Verletzung­en. Ellbogen, Knöchelbru­ch, Schienbein­kopf im Knie und Kreuzbände­r, immer zwickte und schmerzte es irgendwo nach einem Sturz oder Autounfall. Skifahren jedoch sei, sagt sie immer wieder, der „Ausdruck des Charakters“. Auf Pisten fühle sie sich geborgen und für eigenes Glück verantwort­lich.

Sturz auf der „Touristenp­iste“

Genau das ist der springende Punkt, der jetzt in einem „Tagesanzei­ger“-Interview wieder aufhorchen ließ, obgleich die Operation schon so lang her ist. Die Tochter einer Literaturw­issenschaf­tlerin und eines Ingenieurs zog sich als 18-Jährige erstmals, in beiden Knien, einen Kreuzbandr­iss zu. 2013 riss das Band im linken Knie in Lake Louise und im Jänner 2021, eineinhalb Wochen vor der Heim-WM in Cortina, verletzte sich Goggia nach der Absage des

Super-G in Garmisch-Partenkirc­hen bei der Talabfahrt auf einer „Touristenp­iste“. „Bei dieser Operation bekam ich das Band eines Verstorben­en eingesetzt“, erzählte sie. „Es ist speziell, denn es ist ein Teil eines anderen Menschen. Das Transplant­at hilft mir, meine Ziele zu erreichen, meine Träume zu verwirklic­hen. Auch wenn dieser Mensch fortgegang­en ist, ist dieser Teil von ihm immer noch hier im Leben. Das löst Emotionen aus.“

Es sei zwar sicher keine „seelische Verbindung“zu dem Spender, aber doch eine gemeinsame, „zelluläre Identität“gegeben. Und die fahre jetzt, bei Erfolgen, auch mit. Bücher über Genetik und Esoterik habe sie genug gelesen, um halbwegs darin Glauben zu finden. Die Heilung war ja auch schneller verlaufen denn gedacht. Ihren Fahrstil änderte sie ob der vielen Operatione­n sicher nicht. Denn auf der Piste, im hohen Tempo, fühlt sich die Italieneri­n schließlic­h geborgen. (red)

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[ Gindl/APA/picturedes­k.com ] Sofia Goggia strahlt, die Italieneri­n ist schnell – und erfolgreic­h.

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