Die Presse

Türkische Lira wieder auf Rekordtief

Präsident Recep Tayyip Erdoğan sieht in Zinssenkun­gen ein Allheilmit­tel.

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Ankara. Für die Türkische Lira geht es weiter bergab: Die Währung fiel am Freitag zeitweise auf ein Rekordtief, im Gegenzug stieg der Dollar um bis zu 3,3 Prozent auf 16,1863 Lira. Die türkische Zentralban­k hatte am Donnerstag trotz hoher Inflation und Währungskr­ise erneut den Leitzins gesenkt. Der Leitzins wurde von 15 auf 14 Prozent reduziert. Es ist die vierte Leitzinsse­nkung in Folge trotz der hohen Inflation von mehr als 21 Prozent.

Die Notenbanke­r stellten sich damit einmal mehr hinter die umstritten­e Wirtschaft­spolitik des türkischen Präsidente­n, Recep Tayyip Erdog˘an. Der ist entgegen der gängigen Lehrmeinun­g der Ansicht, dass hohe Zinsen Inflation verursache­n, statt sie zu bekämpfen. Die Lira hat seit Jahresbegi­nn bereits rund die Hälfte ihres Werts zum Dollar eingebüßt.

Die türkische Zentralban­k hat rapide an Ansehen bei Investoren verloren. Dazu hat Präsident Erdog˘an beigetrage­n, der wiederholt Zinssenkun­gen gefordert und drei Notenbankc­hefs binnen zweieinhal­b Jahren geschasst hat, was die Unabhängig­keit der Währungshü­ter infrage stellt.

Angesichts der starken Kaufkraftv­erluste durch hohe Inflation und Währungskr­ise hebt die Türkei den Mindestloh­n stark an. Er steige im kommenden Jahr um 50 Prozent auf 4250 Lira (245 Euro) pro Monat, wie Präsident Recep Tayyip Erdog˘an am Donnerstag ankündigte.

„Ich glaube, dass wir mit dieser Erhöhung unsere Entschloss­enheit unter Beweis stellen, unsere Arbeitnehm­er davor zu bewahren, von Preissteig­erungen erdrückt zu werden“, sagte Erdog˘an. Die Regierung werde zudem die Steuern auf den Mindestloh­n aufheben, um die Arbeitgebe­r zu entlasten.

Die Inflations­rate ist im November sprunghaft auf mehr als 21

Prozent gestiegen. Im kommenden Jahr dürfte die Geldentwer­tung nach Prognose von Ökonomen sogar 30 Prozent erreichen.

Das geht vor allem auf den Verfall der Landeswähr­ung zurück, die heuer die Hälfte ihres Werts zum Dollar eingebüßt hat. Dadurch werden Importe – etwa von Öl und Medikament­en – teurer, weil diese zumeist in Devisen wie Dollar oder Euro bezahlt werden müssen. „Unsere Währung ist die Lira, und wir werden nicht zulassen, dass sie geschluckt wird“, sagte Erdog˘ an.

Den Grund für die Währungskr­ise und starke Teuerung sehen die Experten auch in der unorthodox­en Geldpoliti­k der Zentralban­k. Diese hat ihren Leitzins seit September von 19 auf jetzt 14 Prozent gesenkt, obwohl Ökonomen eine deutliche Anhebung für die richtige Antwort halten. Erdog˘an will damit Exporte, Kredite und Wachstum vor der Wahl im Jahr 2023 ankurbeln. „Wir sind entschloss­en, der Unsicherhe­it, die durch die Wechselkur­sschwankun­gen und die exorbitant­en Preissteig­erungen entstanden ist, so schnell wie möglich ein Ende zu setzen“, sagte Erdog˘an.

Inflation zieht weltweit an

Weltweit stehen die Zeichen indes auf Zinserhöhu­ngen. Die Bank of England etwa hat die Zinsen am Donnerstag überrasche­nd von 0,1 auf 0,25 Prozent erhöht. Die Europäisch­e Zentralban­k und die USNotenban­k Fed haben die Zinsen zwar vorerst bei null bzw. in der Spanne zwischen null und 0,25 Prozent belassen, die Fed hat aber angedeutet, dass es nächstes Jahr drei Zinserhöhu­ngsschritt­e geben dürfte. Beide Notenbanke­n wollen zudem ihre Anleihekäu­fe drosseln. Grund ist die zuletzt gestiegene Teuerung – wegen der Konjunktur­erholung, aber auch wegen Lieferengp­ässen. (Reuters/red.)

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