Würdiger kann man im Pop nicht altern
Album. Der Britpop-Veteran Paul Weller demonstriert auf „An Orchestrated Songbook“, dass seine Lieder von zeitloser Schönheit sind. Die Haare sind ergraut, aber die Stimme klingt immer noch nach Aufbruch.
In den vergangenen Jahren ließ Paul Weller es auf Tourneen anständig krachen. Die subtilen Balladen des englischen Sängers kamen arg zu kurz. Aber dann erschien 2019 dieses wunderschöne Livealbum „Other Aspects“: Eingespielt in der Londoner Royal Festival Hall, durchmaß er ruhigere Ecken eines epischen Werks. Klassiker und Raritäten gefielen in bauschigen Arrangements des Metropolitan Orchestra. Eine schöne Überraschung, dass Weller nur zwei Jahre später mit „An Orchestrated Songbook“wieder ein exquisites Werk in Großbesetzung präsentiert.
Diesmal durfte das von Jules Buckley geleitete BBC Symphony Orchestra ran, das schon so unterschiedliche Granden wie John Cale, Dizzee Rascal und Massive Attack mit Opulenz versorgt hat. Anders als 2019 verzichtete Weller auf seine Band. Einzig Langzeitgitarrist Steve Cradock war dabei, als die Chose im Mai in der Barbican Hall über die Bühne ging. Zudem lud sich Weller drei Gäste ein, die ihn beim Gesang unterstützten. James Morrison durfte auf „Broken Stones“zärtlich mitgreinen, die großartige Soulsängerin Celeste den Klassiker „Wild Wood“in neue Höhen katapultieren. Von besonderer
Delikatesse ist der Style-Council-Klassiker „You’re The Best Thing“, wo nicht nur Saxofon und Streicher miteinander wetteifern, sondern auch der alte Fistler Boy George mit tiefer Stimme überrascht.
Damit es nicht bloß ein Trip in Richtung Nostalgie wird, hat Weller selten gehörte Songs seiner beiden letzten Alben eingebaut. „Equanimity“etwa, ein Lied, das Gleichmut als hohe Tugend lobt. Anstelle des Geigensolos im Studioalbum explodieren jetzt die Klangfarben eines ganzen Orchesters. „Do you know there’s no journey? We’re arriving and departing all the time” leitet Weller zart in seine Hommage „Bowie” ein. Als Sohn eines kampfeslustigen Linkssozialisten hat Weller ein ganz eigenes Gottesbild. „God is only just a melody“singt er, während sich ein Damenchor auf schönste Weise bemerkbar macht. „Make the best of every moment“rät einer, der durchwegs im Weltlichen verortet ist. Menschliches Glück ist für Weller allein in der Gegenwart zu finden. Sein persönliches Glück liegt im permanenten Schaffen. Sein Arbeitsethos ist höher als das der meisten anderen Popstars.
Anders als Abcasher wie Rod Stewart, der zuletzt alte Aufnahmen einfach mit orchestralen Geigen aufgepeppt hat, singt und spielt er alles neu ein. Seine Freude daran ist an jeder Note ablesbar. Würdiger als er kann man in der Popmusik nicht altern.
Er erspart sich peinliche Duette a` la Elton John & Lil Nas X und übertreibt es auch nicht damit, Vitalität zu demonstrieren, wie es ein Mick Jagger unermüdlich tut. Sein Haar kann er locker grau belassen, klingt doch seine Stimme immer noch nach Aufbruch. Da ist es auch nicht paradox, dass der Song „English Rose“, aus seinen Jugendtagen bei der Band „The Jam“, perfekt ins milde Alterswerk passt.