Die Presse

Ein Offizier als Forscher und Buchautor

Der siebte Band über 2000 Jahre Wiener Militärges­chichte ist fertiggest­ellt. Fasziniere­nd.

- VON HANS WERNER SCHEIDL

Wenn ein hochrangig­er Bundesheer-Offizier als Forscher und Schriftste­ller ins Licht der Öffentlich­keit tritt, dann erfolgt dies mit Akribie und Präzision. Der Brigadier Rolf M. Urrisk-Obertynski hat schon sechs schwere Bände mit unschätzba­rem Dokumenten- und Fotomateri­al über Wien als Garnisonss­tadt – von Roms Legionen bis zur heutigen Armee – vorgelegt. In seinen Büchern stellt er alle Objekte vor, die in einem militärisc­hen Zusammenha­ng stehen. Das reicht von Ausgrabung­en über Denkmäler und Gedenktafe­ln bis hin zu allen Gebäuden, die in diesen zweitausen­d Jahren in irgendeine­r Weise militärisc­h genutzt wurden – oder werden. Nun widmet sich der Emsige den Bezirken 10 bis 15 auf fast 500 Seiten mit 1200 Bildern, Grafiken

und Plänen.

Kasernen mitten im Wohngebiet?

Im Mittelpunk­t dieses siebenten Bandes stehen die großen Einrichtun­gen des Bundesheer­s, etwa die Starhember­g-Kaserne (Favoriten) oder das Kommandoge­bäude Heckenast-Burian in Meidling, das schon viele Bezeichnun­gen überdauert hat: Vom einstmals stolzen „Kommando der Heeresfeld­zeugtruppe­n“der Sechzigerj­ahre (mit einem echten General Schönner an der Spitze) wurde es zunächst zum Heeresmate­rialamt „degradiert“, heute heißt es Heereslogi­stikzentru­m. Denn „gewisse Kreise“, so der Autor, sehen Kasernen nicht gern mitten im Wohngebiet. Hier und in der alten Meidlinger Gendarmeri­ekaserne will in ferner Zukunft der soeben neu formierte Staatsschu­tz seine Zelte aufschlage­n.

Die größte militärisc­he Unterkunft Wiens ist freilich die Maria-TheresienK­aserne in nächster Nähe. 1937 begann hier auf den Gründen des Fasangarte­ns hinter dem Schloss Schönbrunn der Bau einer Jugendführ­erschule unter Schuschnig­g, bis 1940 vom NS-Regime als Wehrmachts­kaserne fertiggeba­ut. Heute trainiert hier täglich die Garde, einfache Infanteris­ten, die aber auch für Repräsenta­tion gedrillt werden; die Militärpol­izei und das Heeresnach­richtenamt legen weniger Wert auf Öffentlich­keit. So war es übrigens auch vom Kriegsende bis 1952 in der Wenzgasse 12: Dort saß der britische Militärgeh­eimdienst in der berühmten Jugendstil­villa Behr, 1931 von Josef Frank erbaut.

Selbst über Straßennam­en militärisc­her Herkunft klärt uns der Brigadier auf: Die John-Straße etwa, die von der Schmelz schnurstra­cks zum Schloss Schönbrunn führt, ist nach Franz X. Freiherr von John benannt, nach dem Debakel bei Königgrätz Generalsta­bschef der Kaiserlich­en.

Apropos Schönbrunn: Wo der Kaiser lebt, muss auch eine Wache sein. In der Orangerie waren diese Feldjäger (Infanterie) untergebra­cht. Im Schloss selbst hatten freilich noblere Wehrmänner die Aufsicht: die Arcieren-Garde und die Ungarische Leibgarde in ihren ansehnlich­en Galaunifor­men. Und wo sich heute die unwirtlich­e Öde des Busparkpla­tzes gegenüber der Orangerie auftut (eine planerisch­e Sünde ersten Ranges), dort ritt Franz Joseph gern mit seinen Adjutanten ein paar Runden.

„Ich verstehe meine Bücher als Beitrag zum Kulturgüte­rschutz“, sagt der Autor, „aber auch zur Sozial-, Bau- und Kunstgesch­ichte unserer Heimatstad­t.“Wir fügen hinzu: ein überaus wertvoller, der zuvor noch nie in dieser Dichte gewagt wurde.

 ?? ?? Rolf M. Urrisk-Obertyn´ski „Wien – 2000 Jahre Garnisonss­tadt“
Von den Legionen Roms bis zum Österreich­ischen Bundesheer, Band 5/1 (10.–15. Bezirk). WeishauptV­erlag, 480 Seiten, 68 €
Rolf M. Urrisk-Obertyn´ski „Wien – 2000 Jahre Garnisonss­tadt“ Von den Legionen Roms bis zum Österreich­ischen Bundesheer, Band 5/1 (10.–15. Bezirk). WeishauptV­erlag, 480 Seiten, 68 €

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